Forchheimer Pfarrer schreibt Buch über Hitler-Gegner Franz Reinisch

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Pfarrer Martin Emge bei einer Einweihung Foto: Petra Malbrich
Pfarrer Martin Emge bei einer Einweihung Foto: Petra Malbrich

Der Forchheimer Pfarrer Martin Emge hat ein Buch geschrieben über den Pallottinerpater Franz Reinisch, der den Fahneneid auf Adolf Hitler verweigert hatte.

"Sich mit Pater Reinisch zu beschäftigen, heißt auch, sich mit der Rolle der Kirche im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen", sagt Pfarrer Martin Emge. Über diese Persönlichkeit hat der Forchheimer Pfarrer und Regionaldekan ein Buch geschrieben. "Über den Tod hinaus - Lebenswege mit Franz Reinisch" heißt der Titel des Buches über den aus Tirol stammenden Pallottinerpater, der als einziger Priester den Fahneneid auf Adolf Hitler verweigert hatte. Pater Reinisch wurde deshalb hingerichtet. Der Titel "Über den Tod hinaus" lässt vermuten, dass es sich bei Pater Reinisch um eine besondere Persönlichkeit gehandelt hat. Was ist das Besondere an ihm?Martin Emge: Dieser Priester war der einzige Priester, der den Mut hatte, im sogenannten Dritten Reich dem Führer die Stirn zu bieten und den Fahneneid bewusst zu verweigern. Pater Reinisch hatte das Naziregime schnell durchschaut und war überzeugt, dass dieser Eid auf den Namen eines Dämagogen und Kirchenfeindes mit christlichen Werten nicht vereinbar war. Wenn es um Recht und Wahrheit geht, darf nach seiner Ansicht niemand ein Blatt vor den Mund nehmen. Seinen Tod durch Enthauptung hat Pater Reinisch aus freiem Willen angenommen. Im Vergleich zu einer Edith Stein oder politisch Gefangenen, die im KZ keine Wahl mehr hatten, hätte er bis zuletzt seinen Kopf retten können, wenn er nur den Eid geleistet hätte. Diese innere Größe hat ein solches Feuer und eine Strahlkraft, dass sie weit über seinen Tod hinaus bis heute wirken.

Viele Menschen können mit dem Namen Pater Reinisch nichts anfangen. Könnte aber gerade er auch heute noch ein Vorbild sein? Leider ist Pater Reinisch noch nicht allzu bekannt. Aber seitdem ein Ensemble im deutschsprachigen Raum mit einem Reinisch-Musical unterwegs ist - "Gefährlich. Franz Reinisch. Musical über einen Aufrechten von Wilfried Röhrig" - sind die Plätze in Hallen und Kirchen ausverkauft. Offenbar sind gerade heute solche Persönlichkeiten und Charakterköpfe nötiger denn je. In einer Zeit der Kopfnicker und Populisten braucht es Christen mit eigener Meinung und dem Mut, dazu konsequent zu stehen. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick schrieb in einem Grußwort zum Musical: "Aus eigener Erfahrung in den Ländern mit Christenverfolgungen, die ich als verantwortlicher Bischof für die Weltkirche besucht habe, kann ich bezeugen: Als Christ Farbe zu bekennen, kann lebensgefährlich sein. Ich könnte mir denken, dass sich die junge Generation von diesem Franz Reinisch anstecken lässt. Sein kritischer Geist tut gut."

Warum hat Pater Reinisch für die Schönstattbewegung eine so große Bedeutung?In Schönstatt wird Franz Reinisch wie ein Heiliger verehrt, weil er durch die Spiritualität Schönstatts und die Motivation durch Pater Kentenich zu einer Persönlichkeit herangereift ist, die einerseits tief religiös war und andererseits in höchstem Maße politisch. Nachdem er als Pallottinerpater von der Reformkraft Schönstatts für seine eigene Gemeinschaft überzeugt war, ist er als Brückenbauer zwischen beiden Gemeinschaften prädestiniert. Deshalb wurde sein Seligsprechungsverfahren 2013 in Trier von beiden Gemeinschaften gemeinsam eröffnet.

Viele kirchliche Würdenträger haben während der NS-Zeit nicht diesen Widerstand geleistet. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Pater Reinisch nicht so bekannt ist wie Dietrich Bonhoeffer?Beiden wurde vom Naziregime Predigtverbot erteilt. Bei Reinisch, diesem einfachen Pallottinerpater, lag es an seiner Regimekritik, die er im Rahmen eines Einkehrtages für Männer in einer kleinen schwäbischen Pfarrei gehalten hat. Und bei Bonhoeffer, dem exponierten Domprobst an der Hedwigs-Kathedrale der Landeshauptstadt Berlin, an seinen judenfreundlichen Predigten, die die Massen angezogen haben. Bonhoeffer war einfach prominenter und in Berlin gefährlicher. Bei Reinisch kommt hinzu, dass sich seine eigene Gemeinschaft und gehobene kirchliche Würdenträger schwer mit ihm getan haben, weil seine Eid-Verweigerung aus Gewissensgründen zugleich eine Anfrage an deren stillschweigendes und angepasstes Verhalten gewesen ist. Sein prophetischer Protest löste in Kirchenkreisen Ängste aus. Sich mit Reinisch zu beschäftigen, heißt auch, sich mit der Rolle der Kirche im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Und das kann durchaus unbequem sein.

Wie kamen Sie auf die Idee, zugleich eine Art Reisebuch daraus zu machen?Mit der wachsenden Faszination dieser Priesterpersönlichkeit entstand der Wunsch, seinem Leben an den Orten nachzuspüren, an denen er selbst gewirkt hat und wo er bis heute verehrt wird. Aus ersten Reiseskizzen mit biografischen Quellentexten und Stadtplänen entstanden erste Reinisch-Fahrten. Und aus der Sammlung von Kontaktadressen und Fotos entwickelten sich die ersten Flyer der Lebenswege, aus denen schließlich das ganze Werk entstanden ist. Das Anliegen des Buches ist es, Interessenten die nötige Hintergrundinfo und Kartenmaterial an die Hand zu geben, um sich eigenständig auf die Lebenswege mit Franz Reinisch begeben zu können.

Welche von Pater Reinisch Lebensstationen berührt Sie am meisten?Mich persönlich berühren jene Situationen am meisten, in denen sein Ringen um Klarheit sichtbar wird: Seine Trennung von seiner Freundin Ludovika in Innsbruck, weil er eine Berufung zum Priestertum in sich verspürte. Sein Kampf mit seiner Raucherleidenschaft in Untermerzbach, weil hier der Mensch Reinisch in seiner Schwachheit und Verführbarkeit sichtbar wird. Sein Ringen um die letzte Entscheidung im Gefängnis von Berlin-Tegel, weil er hier gegen massive Überredungsversuche das Bibelwort radikal umgesetzt hat: "Wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen." (Apg 5,29)

Wie lange haben Sie an dem Buch gearbeitet?Die ersten Skizzen sind inzwischen zwanzig Jahre alt. Die erste Textfassung war vor drei Jahren fertig. Und bis zur Fertigstellung im Sommer 2018 war ich bei der neunten Korrekturversion angekommen. Ist es das erste Buch, das Sie geschrieben haben?Nein. Zuletzt habe ich zusammen mit einem Wallfahrtspfarrer ein vierbändiges Standardwerk mit Modellen und Bausteinen für Marienfeiern herausgegeben.

Planen Sie weitere Bücher über herausragende Priesterpersönlichkeiten? Aktuell nicht. Momentan entsteht jedoch ein Wander- und Radführer auf dem Fränkischen Marienweg, an dem ich federführend mitbeteiligt bin.

Ihr Buch ist im Schönstatt-Verlag erschienen. War es schwierig, den Verlag davon zu überzeugen? Keineswegs. Dort bestand großes Interesse sowohl am Inhalt, weil es um eine bedeutende Persönlichkeit der Schönstatt-Bewegung geht, als auch an der besonderen Mischform zwischen Biografie, Fotobuch, Kartenwerk, Quellentexten und Sachinformationen.

Information

Titel: Martin Emge, "Über den Tod hinaus - Lebenswege mit Franz Reinisch", Schönstatt-Verlag, 96 Seiten, 9,80 Euro ISBN 978-3-935396-70-7. Erhältlich ist das Buch in jedem Buchladen und in Kürze auch im Internet.

Vortrag: Pfarrer Martin Emge wird am Dienstag, 6. November, beim Frauenbund St. Martin zum Thema "Pater Franz Reinisch - das Leben eines Aufrechten" referieren. Beginn der Veranstaltung ist um 19 Uhr im Pfarrheim St. Martin. Interessierte sind willkommen.