Am liebsten würde Reinhard Tischer am Meer leben. Über seine Leidenschaft zur Seefahrt hat der Streitberger ein Buch geschrieben.
In einem verwaisten Tanzsaal fühlte Reinhard Tischer zum ersten Mal, was Fernweh ist. Das war Mitte der 50er Jahre. Im Saal des Mistelbacher Gasthauses Goldfuß war ein Kino eröffnet worden und Tischer sah den Streifen "Wildes Afrika". Die Bilder von Wüsten und Urwaldflüssen führten dem jungen Mann vor Augen, wie beschränkt doch die Welt rings um Bayreuth war und wie sehr ihm seine Tätigkeit in einer Polster-Werkstatt schon aufs Gemüt geschlagen hatte.
"Meine Reiselust war nicht mehr aufzuhalten", schreibt der heute 74-Jährige in seinem Erinnerungsbuch über die "Jahre zur See". Der 1937 nahe Breslau geborene und nach der Flucht in Oberfranken gelandete Reinhard Tischer war 19 Jahre alt, als er in Bremen sein erstes Seefahrtsbuch in Händen hielt.
Die "erlösende Nachricht" erreichte ihn am 21. März 1960: "Die DS Möwe von der Argo-Reederei in Bremen machte um 15.30 Uhr am Europahafen fest.
Sie stellten einen Messjungen im Servicebereich ein." Der 19-Jährige aus Mistelgau begann seine Karriere als " Moses" - so heißen die Azubis zur See. Fünf Jahre lang dauerte Tischers Karriere. "Von Abenteuern und Romantik vergangener Tage" - so lautet der Untertitel seines Buches, das er über jene fünf Jahre verfasste, die ihn ab 1960 um die Welt touren ließen.
Die Unruhe ist dem 74-Jährigen bis heute anzumerken. "Am liebsten würde ich am Meer leben." Dass er stattdessen unter einem Ölbild auf einem Sofa in seiner geräumigen Streitberger Wohnung sitzt, das hat mit seiner Frau Irmgard zu tun, mit der er mittlerweile über 40 Jahre verheiratet ist.
"Die Liebe hat gesiegt", sagt Reinhold Tischer.
Helle und düstere Seiten Nachdem er sich bei einem Heimaturlaub verliebt, und ein Jahr lang eine Fernbeziehung geführt hatte, hängte Tischer 1965 seine Karriere als Seemann an den Nagel. Er hatte sich vom Teller waschenden Schiffsjungen zum Salon-Steward hochgearbeitet und betrieb eine eigene Pantry. Sein Freiheitsdrang hatte ihm "große Fahrten", so manche Liebesgeschichte und ungezählte Atlantik-Überquerungen beschert.
Doch auch die düsteren Seiten der Seefahrt lernte Steward Tischer kennen. In dem Kapitel "Auf großer Fahrt mit
Georg Russ" erinnert er sich: "Vom Innern mancher Länder, die ich bereiste, habe ich so gut wie nichts gesehen. Selten kam es vor, dass sich ein Teil der Crew einmal zusammengetan hat, einen Ausflug zu machen oder eine Sehenswürdigkeit zu besichtigen.
Alles, was über Saufen, Huren und Fressen hinausging, interessierte sie nicht im Geringsten."
Wenn Reinhard Tischer heute einen Hafen besucht, ist er ernüchtert. Als "Monster wie Hochhäuser" erscheinen ihm die bis zu 13-stöckigen Container-Schiffe. "Die Romantik ist auf der Strecke geblieben", sagt der 74-Jährige. Und genau dieser romantische Aspekt der Seefahrt scheint die Menschen zu interessieren, die ihn immer wieder ansprechen: "Erzähle mal was von früher."
"Festhalten" beruhigt Auf knapp 200 Seiten hat Reinhard Tischer erzählt. Drei Jahre und mehrere tausend Euro hat er in das Buch investiert. Aufgeschrieben habe er seine Erlebnisse aber nicht nur, damit seine Enkel nachlesen können, "was Opa erlebt hat"; sondern auch deshalb, weil er es "einfach festhalten" wollte.
"Ich habe es geschrieben - das beruhigt mich."
Wirklich abgeschlossen ist das Kapitel "Seefahrt" für den abenteuerhungrigen Streitberger damit aber nicht. "Ich fahre jetzt wieder zur See - ab und zu", erzählt er und deutet auf die Wand über dem Wohnzimmer-Schränkchen: Dort hängt ein Bild der aufgetakelten "Alexander von Humboldt".
Wiederholt hat Reinhard Tischer einen Törn auf dem Segelschulschiff gebucht. Jeder kann auf der "Alexander von Humboldt" unter Anleitung erfahrener Matrosen in See stechen. Einzige Bedingung: Wer anheuert, muss mindestens 15 und darf höchstens 75 Jahre alt sein. "Ich werde dieses Jahr 75 ", sagt Reinhard Tischer und lacht das Bild an.
Hintergrund Der 1939 in Zindel (Kreis Breslau) geborene Reinhard Tischer schrieb 2011 "Der Lagerjunge", ein Buch über seine Kindheit im Lager Mistelbach.
"Meine Jahre zur See" ist nun Tischers zweites Erinnerungsbuch. Der Autor ist verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne und lebt in Streitberg.
Reinhard Tischers Buch "Meine Jahre zur See 1960 - 1965. Von Abenteuern und der Romantik vergangener Tage" ist in der Edition Fischer erschienen. Das Buch umfasst 198 Seiten und kann im Buchhandel für 14,80 Euro erworben werden.