Die AOK pocht darauf, die Regeln bei der "Mindestmengenvorgabe" umzusetzen. So soll die Qualität von Behandlungen erhöht werden.
Wer ein neues Kniegelenk braucht, kann sich mit Hilfe des AOK-Krankenhausnavigators informieren. Zum Thema "Verschleiß (Arthrose) des Kniegelenkes" findet der Klient dann im Umfeld von 25 Kilometer rund um
Forchheim acht Vergleichsangebote. Mit 107 Behandlungen (im Jahr 2015) erzielt Forchheim bei diesem Eingriff eine "durchschnittliche" Quote. Laut Navigator liegt die Weiterempfehlungsquote für diese Operation bei 80 Prozent und damit annähernd im Bundesschnitt (82 Prozent).
Mit dem Krankenhausnavigator beflügelt die AOK die Auseinandersetzungen um die sogenannten Mindestmengenvorgaben. "Je häufiger eine Operation oder Behandlung von einem Krankenhaus erbracht wird, desto besser sind die Behandlungsergebnisse für die Patienten", meint Vedrana Romanovic, die Pressereferentin der AOK Bayern.
Wissenschaftliche Untersuchungen hätten diesen Zusammenhang belegt. Deshalb, so Romanovic, habe der Gesetzgeber Regeln zu Mindestmengen bei bestimmten Krankenhausbehandlungen erlassen. "Sie geben vor, wie oft eine bestimmte Behandlung in einer Klinik durchgeführt werden muss."
Heinrich Wölfel kann sich bei diesem Thema entspannt zurücklehnen. Über Mindestmengen bei Operationen muss sich der Verwaltungsleiter der Klinik Fränkische Schweiz in Ebermannstadt keine Gedanken machen. "Wir erbringen keine Leistung, die da reinfällt", sagt Heinrich Wölfel.
Der Krankenhaus-Report 2017 hat sieben Bereiche kategorisiert, wo Mindestmengen zum Qualitätsmaßstab bei der Versorgung der Patienten erhoben werden. Die Gesundheitskasse pocht auf die Einhaltung, denn sie ist der Auffassung: Hat eine Klinik bei bestimmten Operationen zu wenig Routine, dann gehe dies zu Lasten der Patienten.
Fragwürdige Schlussfolgerung
Es sei natürlich sinnvoll, auf die Qualität von Eingriffen zu achten, bestätigt Heinrich Wölfel: "Jedoch über Mindestmengen auf die Qualität zu schließen, das halte ich für fragwürdig."
Auch sein Forchheimer Kollege, Klinikchef Sven Oelkers, sieht die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA, Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen) definierte Mindestmengen bei bestimmten Eingriffen kritisch. Beispielsweise gelte bei Knie- und Hüftoperationen bundeseinheitlich, dass es in einer Klinik 50 OPs pro Jahr sein sollten. "Bei uns ist das kein Thema, weil wir die Mengen ohne Probleme erreichen", sagt Oelkers; jedoch stellt er die Logik der Richtlinie in Frage: Wenn ein großes Haus viele Eingriffe macht, die sich auf viele Ärzte verteilen, sei dadurch ja nicht unbedingt mehr Qualität garantiert als beispielsweise in einem kleinen Haus, wo ein einzelner Spezialist alle Eingriffe macht. Auch die Geburtenstationen der Kliniken sind im GBA-Fokus. Allerdings geht es nicht um die Zahl der Geburten, sagt Sven Oelkers. Sondern um das Thema Frühgeburten. Genauer: Um die Versorgung von Frühchen, die weniger als 1200 Gramm wiegen. "Doch wir haben in Forchheim Entbindungen erst ab der 36. Woche", sagt Oelkers. Daher gebe es hier keine Abteilung für Neonatologie.
Folgt man der AOK-Report-Logik, dann ist statistisch ein Zusammenhang zwischen Häufigkeit eines speziellen Eingriffs und der Qualität der Behandlungsergebnisse nachweisbar. Der AOK-Report nennt beispielsweise Schilddrüsenoperationen: Das Risiko, eine Stimmbandlähmung zu erleiden, sei in Häusern mit weniger als 50 Eingriffen doppelt so hoch wie in Kliniken, die jährlich über 380 Schilddrüsen operieren.
Mit solchen Argumenten "sollen hochkomplexe Leistungen in Zentren erbracht werden, die darauf spezialisiert sind", sagt Oelkers. "Es gibt verschiedene Versorgungsstufen der Häuser und manchmal sind kleinere Häuser gezwungen, in größere zu überweisen."
Das Ziel hinter der Forderung von Mindestmengen könne man erkennen, sagt Wölfel - "aber ob es der richtige Weg ist?" Oelkers bezweifel, dass das Pochen auf Mindestzahlen entscheidende Aussagen über die Qualität liefert: "Medizinische Qualität zu messen, ist extrem kompliziert. Es gibt neben den Leitlinien immer auch die individuelle Einschätzung des Patienten."