Stefan Müller erhielt Einblicke in Nordkorea

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Der Erlanger Bundestagsabgeordnete Stefan Müller (CSU) hatte bei einer Delegationsreise der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe nicht nur die Gelegenheit Südkorea zu besuchen, sondern reiste auch in den Norden. Foto: Privat
Der Erlanger Bundestagsabgeordnete Stefan Müller (CSU) hatte bei einer Delegationsreise der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe nicht nur die Gelegenheit Südkorea zu besuchen, sondern reiste auch in den Norden. Foto: Privat

Nordkorea hält die Welt in Atem. Wie muss man sich das Land vorstellen? Was steckt hinter den Drohgebärden? Stefan Müller (CSU), Erlanger Bundestagsabgeordneter, ist Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe. Er reiste im letzten Herbst in das kommunistische Land.

Stefan Müller (CSU) ist Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Erlangen und Erlangen-Höchstadt. Seit 2009 ist er Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Bundestages. Im letzten Herbst reiste er mit einer Delegation nach Nordkorea. Im Interview erzählt er von seinen Eindrücken des autoritär geführten Landes und gibt eine Einschätzung zur aktuellen Zuspitzung des Konflikts.

infranken.de: Wann genau fand Ihre Reise nach Nordkorea statt und wie ist der Besuch abgelaufen?
Müller: Wir waren vom 5. bis 14. Oktober in Korea. Der erste Teil der Reise führte uns nach Nordkorea, ab
9. Oktober waren wir dann in Südkorea. Den Abschluss bildete ein Besuch in Busan und des dortigen "Busan Campus" der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In Nordkorea waren wir auch in ländlichen Gebieten abseits der Hauptstadt Pjöngjang.

Welche Eindrücke haben Sie von dem autoritär geführten Land mitgenommen?
Ich war 2012 bereits zum zweiten Mal in Nordkorea. Meine Eindrücke haben sich trotz des Führungswechsels nicht sonderlich verändert. Das Regime handelt nach wie vor nach den Maximen Abschottung, Autarkie und "Militär zuerst". Auch eine rege Bautätigkeit in Pjöngjang kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es "normalen" Menschen in Nordkorea an allem fehlt: Persönliche Freiheit, Energie, Nahrung.

Gab es einen speziellen Moment, an den Sie sich erinnern?
Einige. Ganz besonders berührt hat mich, als wir Teenager gesehen haben, die aussahen wie Kinder. Die Ernährungssituation ist wirklich miserabel. Man wird zwar nicht mehr von Hungersnöten sprechen können, wie es sie früher gab, aber das Regime ist nicht in der Lage, für eine auch nur annähernd ausreichende Lebensmittelversorgung im Land zu sorgen. In einer Region, die kurz vor unserem Besuch von einer größeren Überschwemmung heimgesucht worden war, haben wir später Menschen gesehen, die nach ihrer regulären Arbeit an der Wiederherstellung von Straßen arbeiteten. Zum großen Teil nur mit den bloßen Händen!

Wie kann man sich ein Treffen von Politikern einer Diktatur mit westlichen Abgeordneten vorstellen? Standen Sie und Ihre Kollegen unter Beobachtung oder konnten Sie sich frei bewegen?
Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass eine westliche Delegation in Nordkorea auch nur einen Moment lang aus den Augen gelassen wird. Außer ein paar Schritten rund um das Hotel gibt es da keine Bewegungsfreiheit.
Die politischen Gespräche laufen nach dem üblichen Muster ab: Es sind Gespräche, in denen Positionen deutlich gemacht werden, in ganz geringem Umfang Meinungsaustausch, aber keine Diskussionen. Auf kritische Anmerkungen unsererseits wurde wiederholt nicht eingegangen.

Haben Sie Kim Jong-Un persönlich gesehen?
Nein.

Wurde auch über schwierige Themen wie etwa über das Atomprogramm und die Menschenrechtssituation gesprochen?
Diese Themen sprechen wir immer klar und deutlich an, wenn wir die Gelegenheit dazu haben. So auch bei unserer Reise im vergangenen Oktober. Man darf aber nicht darauf hoffen, eine substantielle Antwort zu bekommen, die sich von der offiziellen Linie im Mindesten entfernt. Da gibt es auf nordkoreanischer Seite keinerlei Spielraum. Wir tun es trotzdem, um unsere Positionen deutlich zu machen.

Wie schätzen Sie den neuen Machthaber Kim Jong-Un ein? Wird er mittelfristig eine Öffnung des Landes einleiten oder doch die Linie des Vaters weiter führen?

Kim Jong-Un wird nichts tun, was die Machtposition seiner Familie und der sie umgebenden Elite in irgendeiner Weise gefährdet. Inwieweit dies noch Platz lässt für eine Art Öffnung, ist schwer zu sagen. Vermutlich sähe Kim Jong-Un dafür nur dann überhaupt eine Möglichkeit, wenn er vorher seine eigene Machtposition vollständig abgesichert hat. Ob er aber - als jemand, der als Schüler bekanntlich auch westlich beeinflusst wurde - überhaupt die Notwendigkeit für eine Öffnung sieht, kann ich nicht beurteilen.

Worum handelt es sich bei der Zuspitzung im Moment Ihrer Meinung nach? Wie ernst sind die Drohgebärden aus dem Norden zu nehmen?
Die aktuellen Ereignisse deuten darauf hin, dass Kim Jong-Un und seine Familie die Notwendigkeit sehen, sich nach innen als Hardliner zu profilieren. Wenn meine Einschätzung stimmt, dass letztlich alles dem Macht- und Systemerhalt untergeordnet wird, wäre eine tatsächliche militärische Eskalation töricht. Deshalb glaube ich eigentlich nicht daran, dass es dazu kommt.
Aber wir wissen auch, dass solche Zuspitzungen immer die Gefahr einer unkontrollierbaren Eigendynamik in sich tragen. Die einseitige Schließung des mit Südkorea gemeinsam eingerichteten Industrieparks Kaesong am Mittwoch hat in meinen Augen durchaus die Qualität eines Alarmsignals.

Welchen Beitrag können Sie im Rahmen der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe leisten, um zu einer dauerhaften Befriedung des Konflikts beizutragen? Stehen Sie momentan im Kontakt mit nordkoreanischen Vertretern?
Wir können nur insofern einen ganz kleinen Beitrag leisten, als wir Gelegenheiten zur Begegnung und zum möglichst offenen Gespräch immer suchen und wahrnehmen. In solchen Gesprächen haben wir dann immer die Chance, die Fenster minimal aufzustoßen und ein bisschen frische Luft in der Form klar artikulierter, abweichender Positionen nach Nordkorea zu bringen.
Zur Zeit verhindert die nordkoreanische Abschottungs- und Provokationspolitik aber Besuche und direkte Kontakte. Allerdings haben wir die Möglichkeit, unsere Kontakte in die USA und nach China zu nutzen, denen dort eine gemeinsame diplomatische Schlüsselrolle zukommt.


Fotos von der Reise nach Nordkorea finden Sie auf der Seite des Deutschen Bundestages.