Die Verjährungsfrist ist gestoppt: Nach zehn Jahren und mehreren Strafanzeigen wird jetzt die Justiz tätig. Hat Guru Gerhard Schutzbefohlene misshandelt?
Telefonisch ist Guru Gerhard nicht zu erreichen. Es klingelt nur. Kein Anrufbeantworter, nichts. Aber er ist daheim, öffnet wenig später. Ein stattlicher Mann, grauer Bart, weißes Gewand. Guru Gerhard ist freundlich und schaut überrascht. Vom Vorwurf der Misshandlung von Schutzbefohlenen wisse er nichts. Bei den beiden Fällen, die zehn Jahre zurück liegen, schüttelt er den Kopf. Und zum Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth jetzt, zehn Jahre später gegen Guru Gerhard und seine Lebensgefährtin eingeleitet hat, sagt er: "Das ist alles pure Verleumdung."
Der Verdacht: Misshandlung von Schutzbefohlenen
Der Strafrahmen für den Tatbestand Misshandlung von Schuztbefohlenen liegt bei bis zu zehn Jahre - in schweren Fällen. Und es soll um schwere Fälle gehen: Einem an Mukoviszidose erkrankten Jungen sollen der Guru und seine Lebensgefährtin Medikamente vorenthalten haben. Der Bruder des Jungen soll nach einem Fahrradsturz nicht ärztlich versorgt worden sein. Nur Barbara, die Schwester, ließ der Guru in Ruhe. Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagt: "Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ein Ergebnis ist momentan noch nicht absehbar." Das heißt: alles ist möglich, von Einstellung bis Verurteilung. Gabriels-Gorsolke sagt: "Das Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet aufgrund mehrerer Strafanzeigen." Im Dezember 2012 war das. Ein paar Tage später wären die Fälle verjährt gewesen, aber diese Verjährungsfrist ist jetzt unterbrochen.
Polizei hat Guru und Lebensgefährtin schon geladen
"Wir haben vor 14 Tagen bei der Polizei in Erlangen ausgesagt und unseren Standpunkt dargelegt. Von der Staatsanwaltschaft haben wir noch nichts gehört", sagt der Guru vor seiner Haustür. Guru Gerhard spricht ruhig, freundlich, die Fensterläden und Blumenkästen leuchten und lassen den grauen Januartag bunter erscheinen. Nach Sekte schaut hier auf den ersten Blick nichts aus. Ein normales Haus in einem normalen Ort: Ailsbach. Und trotzdem: Guru Gerhard ist der Gründer der "Neuen Gruppe der Weltdiener": Eine Gruppe, die Krankheit als Reinigungsprozess sieht, bei der als Schädling gilt, wer die Zusammenarbeit verletzt.
Kritiker sagen, die Gruppe sei eine Sekte
Kritiker wie Christina Plank. Sie organisiert die Mahnwachen vor dem Haus des Gurus. Sie sagt: "Wir warten jetzt auf das Gutachten." Zu einem aktuellen Fall: ein Ehepaar, drei Kinder, wieder Guru Gerhard und wieder der Vorwurf: vernachlässigte Kinder. Landratsamt und Schulamt haben schon vor Monaten mitgeteilt: Das Kindeswohl ist nicht gefährdet und damit ein Einschreiten der Behörden nicht möglich. Ein Gutachten sollte das überprüfen. Ein Psychiater sollte mit den Kindern sprechen. Darauf wartet Christina Plank: "Danach entscheiden wir, ob die Mahnwachen weitergehen."
In Ailsbach schüttelt der Guru vor seinem Haus den Kopf. Es sei absurd, was ihm und seiner Lebensgefährtin da vorgeworfen werde. Er habe die Kinder nie schlecht behandelt: "Sie sind damals ganz normal ausgezogen. Sie waren gesund und wir haben bis heute ein gutes Verhältnis mit ihnen." Das betont das Paar. Immer wieder: "Sie schreiben Briefe und kommen auch immer wieder mal zu Besuch", sagt Guru Gerhard.
Als Barbara das hört, lacht sie am Telefon auf. Hell. Spitz. Verächtlich. Barbara ist eines der drei Kinder, die damals beim Guru lebten. Sie sagt, der letzte Besuch bei Gerhard und ihrer Mutter sei im vergangenen April gewesen, zusammen mit einem Filmteam. Und sie sagt: "Ich wüsste nicht, wer aus unserer Familie noch Kontakt zu ihm hat." Dass jetzt endlich ermittelt werde, begrüße die heute 24-Jährige.
In Ailsbach faltet Guru Gerhard einen Zettel auf, liest vor: Das Jugendamt Erlangen habe auf Nachfrage geäußert, dass es "noch heute dazu steht, dass damals das Herausnehmen der Kinder nicht notwendig war". Diesen Satz hat sich der Guru extra notiert.
Guru Gerhard und seine Lebensgefährtin erwarten jetzt die Vorladung der Staatsanwaltschaft. "Dann gehen wir halt dorthin und erzählen denen unsere Sicht der Dinge", sagt er. Die beiden fühlen sich im Recht.