Qi Gong im Park hilft in Herzogenaurach bei der Gesundheitsvorsorge. Der ganze Körper profitiert von den Übungen.
Ist es möglich, sich zu bewegen und sich gleichzeitig dabei zu entspannen? Als Ralf Jakob vor 27 Jahren begann, sich mit dem chinesischen Qi Gong zu beschäftigen, hatte er das zunächst bezweifelt. Er hatte schon viele Methoden der Gesundheitsvorsorge und Persönlichkeitsentwicklung ausprobiert. Doch hier fand der Kommunikations- und Persönlichkeitstrainer das, was ihn so sehr überzeugte, dass er es zum Mittelpunkt seines Lernens und Lehrens machte.
Und heute steht er im Rahmen der bundesweiten Aktion "Qi Gong im Park" auf dem Festgelände am Weihersbach in Herzogenaurach, um das chinesische Lebensgefühl einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.
Qi, so erläutert er zunächst knapp, sei die Lebensenergie, die in so genannten Meridianen - längs und quer verlaufenden Energiebahnen - durch den menschlichen Körper fließe und die es zu aktivieren gelte.
Es sei das einzige ihm bekannte Wort, in dem auf den Buchstaben "Q" kein "u" folge und werde "tschi" gesprochen. "Gong" bedeute ständiges Üben oder Pflege.
Aufgrund der unbeständigen Wetterverhältnisse hat sich nur ein kleines Grüppchen Übungswilliger am Maibaum auf der Wiese am Festgelände versammelt, überwiegend handelt es sich dabei um treue Kursbesucherinnen. Über Jakobs Angebote in der Volkshochschule, bei einer Krankenkasse sowie in der Kirchengemeinde St. Otto sind sie längst auf das chinesische Naturheilverfahren eingeschworen.
Nur ein einziger Mann hat sich hierher verirrt. Doch Gelassenheit ist eine der wesentlichen Auswirkungen der Übungsmethoden.
Und so sind Jakob und die Teilnehmer weder von drohendem Unwetter noch von irritierten Spaziergängern und kichernden Teenagern zu erschüttern.
Und sogar ein mürrischer Radfahrer veranlasst sie nur zu einem heiteren Lachen, wenn er im Vorbeifahren über den ganzen Platz ruft: "Ihr macht doch jeden Blödsinn mit!" Denn was in China täglich tausende Menschen in den Parks gemeinsam tun, hat sich in Deutschland noch lange nicht durchgesetzt.
"Qi Gong müsste in allen Schulen und Universitäten eingeführt werden, aber darauf werden wir noch lange warten müssen", meint der Trainer. Lebendig werden, Körperbewusstsein entwickeln, beruhigen und anregen, so umschreibt Jakob die Übungen und ihren Effekt.
Und beim Aufwärmen geht es erst einmal um das Lockern.
"Am wichtigsten ist es, locker zu stehen, halten Sie Ihre Knie und Ihre Schultern locker", doziert Jakob mit unaufgeregter, beinah leiser, aber im freien Raum tragender Stimme. Das Qi Gong scheint sich in allen Fasern seiner Existenz bemerkbar zu machen.
Auch ein Quäntchen Humor gehört dazu, wenn er die Teilnehmer auffordert, sich wie auf einen Barhocker in die Luft zu setzen oder das angenehme Bitzeln der sich aufwärmenden Körperregionen wie Prosecco-Perlen wahrzunehmen.
"Alles ist leicht und locker, es geht nicht um harte Arbeit, da ist keine Schwere", wiederholt er immer wieder, während er die einzelnen Bewegungen erklärt. Und nach jeder Übung fordert er zum Nachspüren auf. "Jetzt müsste man schon etwas bemerken, jetzt könnten Sie schon etwas spüren", sensibilisiert er die Teilnehmer für das zunehmende Wohlbefinden und gesteigerte Energie, die sich nach und nach einstellen sollen.
Wenn es in den Händen prickelt, sei das keinesfalls besorgniserregend, beruhigt Jakob die Übenden. Es bedeute, dass die Energie in Fluss komme. Bei jeder Übung nennt Jakob die entsprechenden Energieleitbahnen: Lungenmeridian, Lebermeridian, Gallenmeridian, Magenmeridian, Dickdarmmeridian.
An Armen und Beinen wird auf- und abgeklopft, um die dort liegenden Akkupunkturpunkte zu stimulieren. Streichende Bewegungen an Bauch und Rücken haben wohltuende Wirkung. Die Tätigkeit von Herz und Gehirn werden beeinflusst, die Hirnhälften vernetzt, und die Venen kommen in Schwung.
Jakob bedient sich einer bei dieser der Traditionellen chinesischen Medizin zugehörigen Übungsform typischen Bildsprache. Die Teilnehmer sollen sich als Baum fühlen, der im Boden verwurzelt ist und sich im Wind biegt. Sie sollen als Wildgänse fliegen und die Arme "wie ein Kerwakarussell" um den Körper pendeln lassen.
Wenn sie "den Tiger umarmen" vermittelt ihnen das Geduld mit sich selbst. "Die bildhaften Bezeichnungen haften gut im Bewusstsein und man kann sie sich besser merken - im Gegensatz zur deutschen Gymnastik, bei der abstrakt ein Arm gedreht oder ein Bein gehoben wird und man am Ende nicht mehr weiß, was man gemacht hat", erläutert der Qi-Gong-Experte.
Bei den "Acht Wegen des Drachen" wird es schon komplizierter, da verschiedene Bewegungsabläufe so aneinander gereiht werden, dass eine elegante Gesamtchoreografie entsteht. Jakob hat sich im Verlauf der Übungsstunde einer steigernden Dramaturgie bedient.
Er selbst redet sich dabei zunehmend in Fahrt, seufzt genüsslich, schwelgt in Bildern.
Die Bewegungen werden immer ausladender, die Bilder immer greifbarer, die Blume entfaltet sich, gut gewässert, in ihrer großartigen Pracht, das Tor öffnet sich, endlich sind Ferien für drei Millionen Schüler, Tag und Nacht wechseln sich ab, zwischen Himmel und Erde stehe ich, der Mensch. Und das Feuer! "Ein tolles Feuer, ein Johannesfeuer, ein Sonnwendfeuer, ein Grillfeuer", regt Jakob seine Gruppe zu eigenen Phantasien an. Und bei all dem auch das Lächeln nicht vergessen!
Hans Hagen (64) und seine Frau Gudrun Hagen (54) haben im Verwandtenkreis von der heilsamen Wirkung des Qi Gong gehört und probieren es heute zum ersten Mal. Hans Hagen hat als Lehrer nicht nur mit dem Schuljahr abgeschlossen, sondern es ist auch der Beginn eines neuen Lebensabschnitts als Rentner für ihn.
An der chinesischen Übungsmethode reizt ihn vor allem: "Es ist kein Leistungsgedanke dabei, sondern es geht um Entspannung." Der ganzheitliche
Ansatz gefällt ihm gut und er und seine Frau beabsichtigen, die Übungen in den täglichen Lebensrhythmus aufzunehmen. Von "Qi Gong im Park" haben sie in der Zeitung gelesen und nutzen anschließend gleich die Gelegenheit, sich bei Jakob nach den Kursen zu erkundigen.