Auch im Raum Höchstadt haben sich im vergangenen Jahr Menschen dazu entschlossen, aus der Kirche auszutreten. Der Grund ist häufig die Kirchensteuer - aber nicht allein.
"Wir hätten das den Leuten auch selbst erklären müssen", ist sich Hans-Friedrich Schäfer, evangelischer Pfarrer in Höchstadt, sicher. Doch statt der Kirche haben die Banken die Gemeindemitglieder über die neue Steuerregelung informiert. Eine kleine Änderung, die große Wellen geschlagen hat. Denn obwohl sie keine Kirchensteuerhöhung bedeutet, hat sie dennoch die Zahl der Kirchenaustritte nach oben katapultiert. Die evangelische Landeskirche zählte im vergangenen Jahr 30 600 Austritte, 2013 waren es lediglich 20 063.
Die Kirchensteuer auf Kapitalerträge oberhalb des Steuerfreibetrags von 801 Euro bei Ledigen oder 1602 Euro bei Verheirateten gibt es schon lange. Kapitalerträge waren schon früher als Einkommen in der Steuererklärung anzugeben und zu versteuern - inklusive Kirchensteuerzuschlag. Neu ist lediglich, dass diese Erhebung seit Anfang des Jahres von den Banken automatisch vorgenommen wird. Die Höhe der Kirchensteuer bleibt in Bayern unverändert bei acht Prozent der Einkommenssteuer. Dennoch führte diese neue Regelung bei vielen Christen zu Verunsicherungen. "Einem Austritt aus der Kirche geht immer zunächst eine Entfremdung voraus. Die finanziellen Gründe kommen dann eben noch dazu", sagt Schäfer.
Viele würden sich nicht mehr mit ihrem Glauben beschäftigen, nehmen nicht am Gottesdienst teil und haben so jahrelang nichts mit der Kirche zu tun. Gerade Zugezogene würden sich zwar schnell in der Nachbarschaft oder im Sportverein integrieren, in der Kirche aber nie wirklich heimisch werden. Eine Verbindung am neuen Heimatort fehlt. "Die Kirche kommt bei vielen erst ganz am Schluss. Sie haben sich innerlich schon von ihr verabschiedet", bedauert der Pfarrer.
Mehr Austritte - weniger Pfarrer Im Raum Höchstadt ist der Schwund der rund 3000 Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Höchstadt dennoch nicht so gravierend. Im vergangenen Jahr sind 20 Menschen ausgetreten. 2013 waren es 25. Sorgen um die weitere Entwicklung macht sich Schäfer dennoch: "Jeder, der austritt, demontiert die Kirche. Irgendwann könnten Stellen gestrichen werden, so dass ein einziger Pfarrer für ein riesiges Gebiet zuständig ist", befürchtet er die langfristigen Konsequenzen.
Kilian Kemmer, Dekan des katholischen Dekanates Höchstadt, sieht das "große Dilemma" beim deutschen Kirchensteuersystem. Er würde ein Modell favorisieren, wie es in Italien Praxis hat: "Dort können die Menschen beim Finanzamt selbst angeben, wer das Geld bekommen soll, die Kirche oder direkt ein sozialer Verband ihrer Wahl."
Viele Kirchenmitglieder treten Kemmer zufolge aus finanziellen Gründen aus, aber auch, weil sie keine Berührungspunkte zur Kirche haben oder in einem nichtreligiösen Umfeld aufwachsen. "Da ist es ja ganz normal, dass man sich fragt, ob man den Betrag auch weiterhin auf sich nehmen möchte", findet Kemmer. Es ist also mehr ein Austritt aus der Steuer als aus der Kirche selbst. "Die Mitgliedschaft zur Kirche darf nicht vom Geld abhängen. Sie hängt von der Taufe ab. Sie ist ein unlöschbares Prägemerkmal", betont Kemmer eindringlich.
Jugend an den Glauben binden Im katholischen Dekanat Höchstadt gab es vergangenes Jahr 35 Austritte - bei insgesamt 10 000 Mitgliedern. 2013 waren es nur 21. "Das geht schon an die seelsorgerische Substanz. Mit den Austretern versuche ich immer Kontakt aufzunehmen", sagt Kemmer. Auch Schäfer schreibt die Austreter direkt an: "Wir wollen natürlich den Grund erfahren und mit den Menschen darüber reden."
Und was könnte die Lösung sein, dass es gar nicht zu Austritten kommt? "Zum Beispiel, dass sich schon Eltern und Paten überlegen, wie man das Kind an den Glauben heranführen kann", empfiehlt Schäfer. Er möchte noch mehr Jugendarbeit leisten, sieht aber auch, dass das nicht so leicht ist: "Jugendliche treffen sich nicht mehr an einem Ort. Da läuft heute vieles übers Handy."
Als Religionslehrer am Gymnasium erlebt Kemmer die Jugend dagegen als "unglaublich religiös". Zudem gebe es derzeit 90 Ministranten und jährlich über hundert Sternsinger. "Die Sehnsucht nach Glaube ist da. Aber die feste Bindung lässt nach. Das ist ein grundsätzliches Problem fürs Ehrenamt."
Meinungen Auf Facebook ( www.facebook.com/erhft ) wollten wir wissen, wer aus der Kirche ausgetreten ist und was die Gründe dafür waren.
Sonya W.: Ausgetreten wegen Kirchensteuer!
Mona D.: Weil ich für meinen Glauben keine Kirche brauche und nicht einsehe, das auch noch zu bezahlen. Glauben ist kostenlos.
Daniel G.: Seit 1998 für damals 50 Mark ausgetreten. "Chef" da oben gefragt, ob das in Ordnung geht. Jopp, läuft kein Ding.
Bernd H.: Ich sehe es einfach nicht ein, die Kirchensteuer zu bezahlen!
Marcel K.: Ich kenne viel Leute, die sind ausgetreten wegen der Kirchensteuer und weil sie daheim in Ruhe auch beten können. Mit ihrem Buch dazu braucht man keine Kirche und ich glaube, das sehen viele auch so.
Thomas P.: Für viele Austritte sind Schreiben von Geldinstituten verantwortlich, die den Eindruck erweckten, es werde auf einmal mehr Kirchensteuer fällig (was aber nicht stimmt).