Horrorhaus im Freizeitland Geiselwind: Menschen erschrecken ist ihr Job

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Ungewöhnlicher Arbeitsplatz: Andreas Jahnel, Frank Hösl und Tina Jahnel vor dem Horrorhaus im Freizeitland Geiselwind. Fotos: Ralf Dieter
Ungewöhnlicher Arbeitsplatz: Andreas Jahnel, Frank Hösl und Tina Jahnel vor dem Horrorhaus im Freizeitland Geiselwind. Fotos: Ralf Dieter
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Im Angesicht des Erschreckens: Bis aus der friedfertigen Tina Jahnel ein furchterregendes Wesen geworden ist, dauert es nur rund 20 Minuten. Ralf Dieter
Im Angesicht des Erschreckens: Bis aus der friedfertigen Tina Jahnel ein furchterregendes Wesen geworden ist, dauert es nur rund 20 Minuten. Ralf Dieter
 
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Tina Jahnel aus Wachenroth in Mittelfranken ist eigentlich ein friedliebender Mensch. Außer am Arbeitsplatz. Sie ist Mitglied der "Scare Crew". Der Job: professionell Menschen erschrecken. Wir wird man eigentlich Profi-Erschrecker?

Früher mussten Tina und Andreas Jahnel bis nach Hamburg fahren, um Menschen professionell zu erschrecken. Jetzt haben sie lediglich 15 Kilometer bis zu ihrem Einsatzort. Im Freizeitland Geiselwind verdient Tina ihren Lebensunterhalt damit, anderen Menschen einen möglichst großen Schrecken einzujagen. Ihr Mann hilft an den Wochenenden aus.

Ein kleiner Container, etwas abseits des Eingangsbereiches. Auf den Tischen Unmengen von Tuben, Pinseln und Cremes. Hier treffen sich die Mitglieder der "Scare Crew" an ihren Arbeitstagen. An den Wochenenden geht es bereits um 7.30 Uhr los. Erst mal gemeinsam frühstücken und den kommenden Tag besprechen. Wer ist im Kinderhaus als Hexe oder Vogelscheuche im Einsatz? Wer lehrt den Besuchern des Horrorhauses das Fürchten?

Verena Ruppert ist erst zum zweiten Mal dabei. Ihr Patenkind Celine hat sie überredet, es doch einmal zu versuchen. Jetzt sitzt sie am Tisch und lässt sich von Tina Jahnel künstliches Blut ins Gesicht schmieren. "Ich hatte mir das selbst nie zugetraut, andere Menschen zu erschrecken", gesteht sie und erinnert sich mit Schrecken an ihren ersten Auftritt. "Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte und habe mehr gezittert als mein Gegenüber." Nach den ersten fünf oder sechs Gästen, denen sie als Leiche im Horrorhaus gegenübergetreten ist, schwand die Scheu. Jetzt macht es ihr richtig Spaß, fremden Menschen einen ordentlichen Schrecken einzujagen.

Tina Jahnel weiß, wie sich ihre neuen Kollegen fühlen. "Es braucht schon ein wenig Zeit, aber dann wächst das Selbstbewusstsein, das für diesen Job notwendig ist", sagt sie. Ihre Erfahrung: "Wer selbst am meisten Schiss hat, der taugt am besten zum Erschrecker." Ihre eigene Karriere begann vor fast genau sieben Jahren. Initialzündung war die Hochzeitsreise in die USA. Zur Halloween-Zeit waren dort fast alle Häuser geschmückt, überall freuten sich die die Menschen, von Gespenstern und Mumien ordentlich erschreckt zu werden.

Daheim in Wachenroth stand der Entschluss schnell fest: Das eigene Haus wird jedes Jahr Ende Oktober ebenfalls zum Gruselhaus umdekoriert. "Den Leuten hat's von Anfang an gefallen", erinnert sich Tina Jahnel. Ihr Ehrgeiz war geweckt. Über's Internet bekam sie mit, dass es in Norddeutschland eine regelrechte Szene für Live-Erschrecker gibt. In Geisterbahnen, bei gruseligen Lesungen in Büchereien oder bei Wanderungen im Maislabyrinth werden sie eingesetzt. Auch Schulen buchen professionelle Erschrecker, beispielsweise wenn es zum Zelten geht. Fünf Jahre lang sind Tina und Andreas Jahnel immer wieder Richtung Norddeutschland gefahren, um zu erschrecken. Im Mai des letzten Jahres fuhren sie auf dem Rückweg wieder mal an Geiselwind vorbei. "Ich habe dem Betreiber ganz spontan eine Mail geschrieben." Zehn Minuten später kam die Antwort: Einladung zum Probe-Erschrecken.

Seither gehört Tina Jahnel zum Team des Freizeitlandes. Mehr noch: Sie hat den ersten bayerischen Erschrecker-Club gegründet, will ihn als Verein eintragen lassen. 38 Mitglieder hat die Scarecrew Geiselwind bereits, die meisten kommen aus der näheren Umgebung, einer reist für seine Einsätze aus Frankfurt an. "Rund um Halloween ist natürlich Großkampfzeit", sagt Tina Jahnel. Neun Mitglieder der Crew sind alleine im Horrorhaus im Einsatz, jagen den Gästen einen Schrecken nach dem anderen ein. "Manche mit der Stimme", sagt Tina Jahnel, die früher Sopran gesungen hat und am Ende eines Arbeitstages zumeist heißer ist. Andere lassen einen Baseballschläger über den Boden schleifen oder knallen ihn im richtigen Moment ans Geländer. Hauptsache, der Besucher bekommt einen Mords-Schreck.

Die Optik spielt bei professionellen Erschreckern natürlich eine große Rolle. Nach dem gemeinsamen Frühstück und der Besprechung am Morgen geht es ans Schminken. Innerhalb von 20 Minuten verwandeln sich freundliche Menschen in furchteinflößende Gestalten. Die Kostüme näht Tina Jahnel zum größten Teil selbst, die Utensilien wie Kettensägen oder unechte Maschinenpistolen stellt der Freizeitparkbetreiber.

Natürlich gibt es auch für professionelle Erschrecker Grenzen des Gewerbes. Die kleinsten Parkbesucher sollen keinesfalls erschreckt werden. Sie dürfen in einer eigenen Show hinter die Kulissen schauen, dürfen die gruseligen Gestalten anfassen und können sich selbst schminken lassen. Die älteren Besucher müssen sich im Horrorhaus und im Wald allerdings auf so manche Schrecksekunde einstellen.

Mit der Zeit erkennt Tina Jahnel schon im Eingangsbereich, wer zu den Mutigen und wer zu den Ängstlichen gehört. Etwa 80 Prozent der Besucher des Horrorhauses bekommen im Lauf der Führung zumindest einen gehörigen Schreck. "Die anderen sind schon abgestumpft."

Tina Jahnel schiebt sich Kontaktlinsen in die Augen, die ihr einen vampirartigen Blick verleihen, malt sich ein herunterhängendes Augenlid ins Gesicht. "Ich selbst kann mich leider nicht mehr erschrecken", sagt sie. Horrorfilme schaut sie sich mit ihrem Mann immer noch gerne an, allerdings hat sich der Blickwinkel verändert. "Wir analysieren mehr und überlegen, was wir selbst in unsere Arbeit einbauen können", erklärt Andrea

s Jahnel, während er eine Maschinenpistole für seinen Auftritt aus dem Schrank holt.

Noch ein paar Tage, dann macht das Freizeitland bis Ostern 2019 zu. Ein erschreckender Ausblick für eine professionelle Erschreckerin. Tina Jahnel will die Zeit nutzen, um sich in der Gegend bekannter zu machen. Sie will Schulen und Büchereien anschreiben, um ein paar Aufritte zu bekommen. Am liebsten würde sie noch mal in die USA reisen. "Dort ist der Beruf des Scare-Actors längst anerkannt", sagt sie. Dort sind die Kostüme und die Special Effects viel ausgereifter. Ein paar Monate in den USA arbeiten ist für Tina Jahnel alles andere als ein erschreckender Gedanke.

Erschrecker werden? Wer Lust hat, sich selbst mal als Erschrecker zu versuchen, der schreibt unerschrocken eine Mail an info@scarecrew.de.