Probleme sind auch eine Chance

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Ein Leerstand, der dem Innenstadtbesucher lange ins Auge fiel: Der Laden des Altstadtbäckers steht lange leer, aber es gibt zumindest einen neuen Eigentümer.
Ein Leerstand, der dem Innenstadtbesucher lange ins Auge fiel: Der Laden des Altstadtbäckers steht lange leer, aber es gibt zumindest einen neuen Eigentümer.
Die Herzogenauracher Altstadt, die schwarzen Flecken kennzeichnen den Leerstand. (ISEK-Studie, Stand Nov.2018)
Die Herzogenauracher Altstadt, die schwarzen Flecken kennzeichnen den Leerstand. (ISEK-Studie, Stand Nov.2018)
 

Sterben die Innenstädte aus? Diese Sorge treibt den Handelsverband Deutschland um. Mit einem Brandbrief schlägt der Verband Alarm.

Wer aufmerksam durch die Altstadt Herzogenaurachs schlendert, sieht immer wieder mal die Schilder "Zu verpachten", "Geschäftsaufgabe" oder "Nachmieter gesucht". Leerstand in der Altstadt - ein Thema, das den Handel, nicht nur in der hiesigen Region beunruhigt. "Viele Innenstädte in Deutschland sind in höchster Not. Früher attraktive und vitale Zentren verlieren an Zugkraft, vielerorts finden nur noch wenige Menschen den Weg in die Fußgängerzonen und Ladenzeilen", warnt Stefan Genth. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) sieht die Verödung vieler Einkaufsstraßen in diesem Lande nicht nur kritisch, er ist äußerst beunruhigt.

Brandbrief an Seehofer

In einem Brandbrief an Innenminister Horst Seehofer schlägt er Alarm. Es brauche Sofortmaßnahmen, um die Entwicklung abzufedern. Auch in Herzogenaurach? Stadt- und Marketingexpertin Judith Jochmann erklärt: "Die Innenstädte haben unterschiedliche Rahmenbedingungen. Sie durchleben Veränderungsprozesse, das trifft auch auf Herzogenaurach zu." Sie gibt aber zu: "Uns trifft es nicht ganz so dramatisch, weil wir eine gute Ausgangslage haben." Es gibt hier eine gute Kaufkraft, der Fachhandel ist vorhanden und das in einer guten Qualität. Ebenso sei die Baulichkeit gut, etwas, das in anderen Städten so nicht wirklich gegeben sei.

Letztlich sei es aber auch ein enges Zusammenspiel der Stadt und der Geschäfte. Rahmenbedingungen, die erlauben, sich entfalten zu können. "Belebung der Innenstadt, Veranstaltungen und Events", zählt Jochmann auf. Das allerdings auch innerhalb von Grenzen, da "wir ja auch eine Innenstadt mit Anwohnern sind - es geht also auch um Aufenthaltsqualität."

Stefan Genth warnt weiterhin: "In etlichen Kommunen werden bald nicht mehr genug Verbraucher leben, um den Einzelhandel im bisherigen Umfang weiterhin zu ermöglichen." In diesen Städten müsse die Stadtplanung auch die bewusste Schrumpfung der Einkaufsstraßen in Erwägung ziehen.

Eine Möglichkeit, die durch die Herzogenauracher Infrastruktur schon nicht wirklich gegeben ist. Sicher sei es richtig, dass Marktmechanismen auch in Herzogenaurach greifen. Doch hier stehe man tatsächlich gut da. "Es gibt vergleichbare Städte, da gibt es einen Leerstand von 60 Prozent, da sind wir weit von entfernt." Was aber laut Jochmann nicht heiße, die Hände in den Schoß zu legen. Die Stadt sehe sich durchaus als Vermittler zwischen Vermittler und potenziellen Kunden. "Doch die kommen halt nicht immer zusammen", gibt die Fachfrau zu. Dennoch kein Grund zur Besorgnis, eher die Aufforderung frühzeitig dem entgegenzuwirken.

Chancen für den Handel

Immerhin befinden sich in der Herzogenauracher Altstadt 2400 Arbeitsplätze, wobei hier die Verwaltung im Rathaus mit eingerechnet ist, aber auch die öffentlichen und privaten Dienstleistungen. Was aber sicher eine Rolle spielt, ist der Hinweis Genths darauf, dass besonders Mittelstädte im direkten Einzugsbereich von Großstädten bedroht seien, da die Kunden infolge des umfassenden Onlineangebotes immer weniger bereit seien, Kompromisse bei der Warenauswahl und -verfügbarkeit zu akzeptieren. Generell macht Genth den Onlinehandel als Übeltäter dieser Entwicklung aus. "Gründe für die Verödung vieler Innenstädte ist nicht zuletzt die Umsatzverschiebung in den Onlinehandel sowie die prognostizierte Schrumpfung der Bevölkerung." Jochmann meint: "Klar ist der Onlinehandel eine Herausforderung, aber er ist nicht unbedingt eine Bedrohung, sondern auch eine Chance für den Handel." Es bedürfe neuer Strategien, die es umzusetzen gelte. Ladenkonzepte verändern, von der Ausstellungsfläche zum Showroom, Eventcharakter statt passiver "Mal-schauen-was-es-gibt-Haltung. "Wir haben einige Beispiele bei uns in der Stadt, wo genau das realisiert wurde", erklärt Jochmann optimistisch.

Nach Schätzungen des HDE hat sich die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland zwischen 2012 und 2017 um 11 000 verringert. "Die Politik darf diesem Erosionsprozess nicht länger nur zuschauen."

Vielleicht sollte Genth mal in Herzogenaurach vorbeischauen, hier gibt es bei allen negativen Entwicklungen die Chance, wie man diesen entgegentreten kann.