Mysteriöser Doppelmord beschäftigt Erlangen auch noch nach 35 Jahren

2 Min
Innenminister Joachim Herrmann erklärte, dass der Erlanger Doppelmord im Zusammenhang mit dem Oktoberfest-Attentat neu untersucht wird. Foto: Nikolas Pelke
Innenminister Joachim Herrmann erklärte, dass der Erlanger Doppelmord im Zusammenhang mit dem Oktoberfest-Attentat neu untersucht wird. Foto: Nikolas Pelke
Foto: Nikolas Pelke
Foto: Nikolas Pelke
 
Esther Klaus von der jüdischen Gemeinde Foto: Nikolas Pelke
Esther Klaus von der jüdischen Gemeinde Foto: Nikolas Pelke
 
Foto: Nikolas Pelke
Foto: Nikolas Pelke
 
Eine neue Gedenktafel erinnert an das Verbrechen. Foto: Nikolas Pelke
Eine neue Gedenktafel erinnert an das Verbrechen. Foto: Nikolas Pelke
 

Erlangen hat am Sonntag an den gewaltsamen Tod von Frieda Poeschke (57) und Shlomo Lewin (69) erinnert. Der jüdische Rabbiner und seine christliche Lebensgefährtin sind am 19. Dezember 1980 durch Schüsse ermordet worden. 35 Jahre nach der Tat könnte der Fall neu aufgerollt werden.

Zwei Kirschbäume sind kürzlich an der Schwabach gepflanzt worden, um an den Mord an dem Rabbiner und seiner Lebensgefährtin zu erinnern. Nur wenige Meter entfernt hat Lewin mit Poeschke gewohnt. In ihrem Haus in der Ebrardstraße ist das Paar mit je vier Schüssen ermordet worden. Wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat, das fragen sich viele Erlanger heute noch immer.

Lewin wurde 1911 als Sohn eines Rabbiners in Jerusalem geboren. In der 30er-Jahren war Lewin in Deutschland als Lehrer tätig. Während der Zweiten Weltkrieges floh er vor den Nationalsozialisten über Frankreich nach Palästina. Zunächst schloss er sich der britischen Armee an. Später unterstützte er die Gründung des Staates Israel in einer zionistischen Einheit von Paramilitärs.

1960 kehrte Lewin nach Deutschland zurück und leitete zunächst einen jüdischen Verlag. Später wurde er Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg. In dieser Zeit lernte Lewin die Witwe des ehemaligen Erlanger Oberbürgermeisters Michael Poeschke kennen. Beide wurden ein Paar und wohnten gemeinsam in dem Haus mit dem schönen Ausblick auf die nahe Schwabach.

Der Mordfall von 1980 könnte bald neu aufgerollt werden. Im Kontext der Wiederaufnahme des Verfahrens zum Oktoberfest-Attentat würden auch Zusammenhänge zum Erlanger Doppelmord überprüft, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Rand der Veranstaltung. Die Parallelen liegen schließlich auf der Hand.

Die Schüsse in Erlangen fielen nur drei Monate nach der Explosion auf der Wiesn. Wie in dem Fall des Münchner Attentats gilt auch beim Erlanger Doppelmord ein Mitglied der "Wehrsportgruppe Hoffmann" als mutmaßlicher Täter. Uwe Berendt soll die insgesamt acht Schüsse auf die beiden Opfer in der Hugenottenstadt abgegeben haben. Der mutmaßliche Schütze entzog sich dem Zugriff der Sicherheitsbehörden durch Flucht in den Libanon, wo er 1981 Selbstmord begangen haben soll.


Hoffmann unter Verdacht

Der Anführer und Gründer der Wehrsportgruppe, Karl-Heinz Hoffmann, stand wegen Beihilfe an dem Doppelmord vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Hoffmann wurde in diesem Prozess jedoch nicht verurteilt. Herrmann betonte am Sonntag, Hoffmann sei in dem Prozess nicht freigesprochen worden von den Vorwürfen. Lediglich hätten die Richter die mögliche Tatbeteiligung von Hoffmann für nicht zwingend bewiesen befunden. Herrmann ärgert sich, dass "dieser Hoffmann jetzt erneut in der rechtsextremen Szene unterwegs" ist. Deswegen sei es gut, dass der Generalbundesanwalt das Attentat auf das Oktoberfest neu aufrollt und dabei auch mögliche Zusammenhänge zum Erlanger Doppelmord untersucht.

Esther Klaus, die Vorsitzende des israelitischen Kultusgemeinde in Erlangen, erinnerte daran, dass Shlomo Lewin vor seinem Tod Angst gehabt habe. Ein damaliger Weggefährte des späteren Mordopfers habe ihr das erzählt. Dass es an der damaligen Spitze der jüdischen Gemeinde zu Spannungen gekommen ist, berichtet Rose Wanninger, die ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde. Die Polizei ermittelte nach dem Doppelmord auch in der jüdischen Gemeinde. Es gab Gerüchte, Lewin habe für den israelischen Geheimdienst gearbeitet.

Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) warf der damaligen CSU-Regierung in Bayern und Ministerpräsident Franz-Josef Strauß vor, die Wehrsportgruppe Hoffmann und damit die Gefahr von Rechts verharmlost zu haben. "Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass der Doppelmord keine Einzeltat gewesen ist. Rechtsextreme Netzwerke sind bis heute in unserer Gesellschaft aktiv und begehen bis heute Verbrechen in unserer Gesellschaft", sagte Janik. Darin erinnern die Mordfälle des NSU fatal an den Doppelmord von 1980 in Erlangen.