Mobilmachung kam für Höchstadt wie ein Blitz

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Johann Stromer, Vorsitzender des VdK Höchstadt (Mitte), legte an den Gedenksteinen der Opfer des Ersten Weltkriegs Rosen nieder. Foto: Evi Seeger
Johann Stromer, Vorsitzender des VdK Höchstadt (Mitte), legte an den Gedenksteinen der Opfer des Ersten Weltkriegs Rosen nieder. Foto: Evi Seeger
Landrat Alexander Tritthart (Mitte) sah den Ersten Weltkrieg als "kollektiven Albtraum".
Landrat Alexander Tritthart (Mitte) sah den Ersten Weltkrieg als "kollektiven Albtraum".
 
Teilnehmer der Feier legten Rosen nieder. Foto: Evi Seeger
Teilnehmer der Feier legten Rosen nieder. Foto: Evi Seeger
 

Auf dem Höchstadter Heldenfriedhof wurde hundert Jahre nach Kriegsbeginn der Opfer des Ersten Weltkriegs gedacht. Dekan Kemmer sieht die aktuelle Weltpolitik kritisch.

Die liturgische Farbe war Schwarz. Der Zug von der Sankt-Georgs-Kirche zum Heldenfriedhof war still und ergreifend. Jugendliche verlasen auf dem Weg die Paragrafen der Höchstadter Friedenserklärung. In einer Feier, die wohl keinen Teilnehmer unbeeindruckt ließ, erinnerte sich Höchstadt am Samstagabend an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor genau 100 Jahren.

84 Söhne der Stadt - die meisten in sehr jugendlichem Alter - ließen dabei ihr Leben. Ihrer und der Gefallenen aller Kriege auf der ganzen Welt wurde im Gottesdienst und in der Gedenkstätte am Heldenfriedhof gedacht.
Die Feier war aber auch ein eindringlicher Appell für den Frieden. "Only peace will do” sang Michael Ulbrich im Gottesdienst sein Friedenslied, das er bereits zur Höchstadter Friedenserklärung im Jahr 2008 geschrieben hat. "Here and now a new generation is born", heißt es in dem Lied weiter.
Eine Hoffnung, aber auch nur eine Hoffnung, angesichts des Kriegs in Syrien, der Auseinandersetzungen in Israel und der Ukraine.

Die Geschichte lehre uns, wie schnell aus einem Konflikt ein Flächenbrand werden könne, mahnte Landrat Alexander Tritthart (CSU). Es gelte, die politische Lage zu beobachten, die Menschen zu sensibilisieren.


Bedrückte Gesichter in der Stadt

Für Stadtpfarrer Dekan Kilian Kemmer war es "Auftrag und Verpflichtung, zu diesem Gedenktag einzuladen".
Im Gottesdienst wurde verlesen, was der Höchstadter Chronist Anton Wölker (Jahrgang 1906) über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs niedergeschrieben hat: Die Nachricht von der Mobilmachung sei in Höchstadt "wie ein Blitz" am späten Abend des 31. Juli 1914 eingetroffen. Allerorten sei man auf "Menschen mit bedrückten Gesichtern" gestoßen. Den 2. August 1914 beschrieb Wölker als den ersten Mobilmachungstag. Die ersten Einberufenen hätten sich auf dem Marktplatz versammelt. Die Stadtkapelle habe das Deutschlandlied und die "Wacht am Rhein" gespielt.

Dann wurden die Soldaten zum Bahnhof geleitet. Dort hätten sich ergreifende Szenen abgespielt: Eltern nahmen Abschied von ihren Söhnen, Frauen von ihren Männern, Kinder von ihren Vätern. "Muss i denn zum Städtele hinaus", spielte man zum Abschied.

Zu Ehren der 84 Höchstadter, die diesen Krieg mit dem Leben bezahlten, sei der Heldenfriedhof angelegt worden. In 79 Steine gemeißelt, die Namen der Söhne Höchstadts. Fünf von ihnen fanden unter dem Altar der Kapelle ihre letzte Ruhestätte. Das Ende waren 17 Millionen Tote weltweit, darunter zwei Millionen deutsche Soldaten, die Opfer in der Zivilbevölkerung nicht eingerechnet.


Israel-Kritiker sind keine Antisemiten

"Wenn wir uns heute dieser unheilvollen Geschichte erinnern, wollen wir für die Gegenwart lernen", sagte Pfarrer Kilian Kemmer. Deutliche Worte fand Kemmer zur aktuellen Weltpolitik: "Wer Israel wegen seines Vorgehens kritisiert, ist kein Antisemit. Wer Palästina wegen seiner Verbundenheit zur Hamas richtet, verletzt nicht den Islam, sondern verachtet den Missbrauch von Religion. Wenn wir heute der Geschichte und ihrer Opfer gedenken, protestieren wir gegen die Doppelzüngigkeit der Russen, gegen die Scheinheiligkeit der USA und gegen die Undurchschaubarkeit Chinas. Wer die Christenverfolgungen im Irak und in Syrien geißelt, vergisst nicht die unheilvolle Geschichte, in der Christen Andersgläubige verfolgten und töteten."

Höchstadts Ehrenbürger Sebastian Schmidt, der wie Ehrenbürger Alois Schell der Feier beiwohnte, hat nach Kemmers Meinung in seiner Ausstellung zum Beginn des Ersten Weltkriegs die richtigen Worte gefunden: "Verführt, verheizt, vergessen!"

Auf dem Heldenfriedhof, der 1922/23 für die gefallenen Söhne der Stadt angelegt wurde, sprachen die Vertreter des öffentlichen Lebens Grußworte.
Höchstadts Zweiter Bürgermeister Günther Schulz sprach von einem "Krieg, wie man ihn zuvor noch nie erlebt hatte". Sein Appell richtete sich an jeden und jede, an ihrem jeweiligen Platz mitzuwirken, dass ein solcher Krieg nie mehr möglich werde.

Landrat Alexander Tritthart sprach von einem "kollektiven Alptraum". Zum ersten Mal seien industrialisierte Waffen, Panzer, Flugzeuge und U-Boote zum Einsatz gekommen. Der Krieg habe das Leben der Menschen verändert - auch im Landkreis. Es genüge daher nicht, den heutigen Frieden als gelungen zu achten und sich selbstzufrieden zu sagen: Wir sind Fußballweltmeister. "Jeder sollte die Geschichte im Hinterkopf haben."

Landtagsabgeordneter Walter Nussel (CSU) rief dazu auf, "der Jugend mit auf den Weg zu geben, dass so etwas nie wieder passieren darf". Bezirksrätin Ute Salzner (CSU) hatte vor allem die Frauen ins Auge gefasst. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs hätten sie die Aufgaben der Männer in damals völlig ungewohnten Berufen als Schaffnerinnen, Kraftfahrerinnen oder Straßenarbeiterinnen übernehmen müssen. Daneben hätten sie ihre Familien versorgt und unentwegt auf Feldpost von ihren Lieben gewartet.

Im Jahr des Kriegsendes, im November 1918 sei dann in Deutschland das Wahlrecht für Frauen eingeführt worden.