Endlich hat die Pilzsaison wieder begonnen. Worauf beim Sammeln geachtet werden muss und wie giftige von genießbaren Sorten zu unterscheiden sind, verrät Pilzexperte Hans Krautblatter bei einem Spaziergang durch den Wald.
Wer sich mit Hans Krautblatter derzeit auf den Weg in den Wald macht, sollte vor allem eins dabei haben: einen Korb. Einen
großen Korb. Der dürfte nach einem ausgiebigen Spaziergang mit dem Biologen und Pilzexperten nämlich voller Reizkern, Täublingen, Zigeunern und vielen anderen Pilzen sein. Der frühere Gymnasiallehrer sammelt aber nicht nur für das nächste Mittagessen. Auch ungenießbare und giftige Pilze kommen zur genauen Analyse mit nach Hause. Von den rund 2500 verschiedenen Pilzen, die es in Mitteleuropa gibt, hat er in unseren Wäldern bereits 1500 gesehen. "Nur zehn Arten gelten als schwer giftig", weiß Krautblatter.
Dennoch ist gerade für Laien Vorsicht beim Pilzesammeln geboten: "Was man nicht kennt, sollte unbedingt stehen gelassen werden."
Scharfer Geschmack Oft hilft laut Krautblatter aber schon eine einfache Geruchs- und Geschmacksprobe, um festzustellen, ob ein Pilz giftig oder genießbar ist. Zum Beispiel beim Apfeltäubling. Riechen und schmecken die Lamellen angenehm und mild, darf der Pilz gegessen werden. Ist der Geruch dagegen eher unangenehm und der Geschmack sehr scharf, sollten unbedingt die Finger davon gelassen werden - dann könnte es sich vielleicht um einen Speitäubling handeln. Und der Name dürfte in dem Fall schon alles verraten.
Wer nach Pilzen sucht, sollte sich vor allem auf schattigen und bemoosten Waldböden aufhalten. Pfifferlinge werden Pilzliebhaber in unserer Region aber immer weniger finden.
Krautblatter zufolge hat das vor allem mit den veränderten Umwelteinflüssen zu tun: "Pfifferlinge brauchen einen nährstoffarmen Boden. Die gibt es aber immer weniger." Es gibt aber eine Art Pfifferling-Ersatz, nämlich den Gabelblättling oder auch "falscher Pfifferling" genannt. Der wächst vor allem auf humusreichen Böden und ist an den mehrfach gegabelten Lamellen zu erkennen. "Geschmacklich ist er nicht so intensiv wie der Pfifferling und hat einen eher neutralen Speisewert", findet Krautblatter, der im September und Oktober regelmäßig Führungen durch den Wald macht.
In der Grethelmark, in der wir uns mit dem Pilzkenner getroffen haben, kennt er jeden einzelnen Winkel, an dem Pilze wachsen. Und ist er noch so versteckt. An keinem einzigen Pilz kann Krautblatter einfach so vorbeilaufen. Stattdessen bleibt er stehen, begutachtet ihn, beschnuppert ihn, nimmt eine Kostprobe.
"Hier habe ich bisher die meisten Raritäten gefunden", schwärmt er. So zum Beispiel der parasitische Röhrling, der als Parasit nur an Kartoffelbovisten wächst. Oder auch den kegelhütigen, weißen Knollenblätterpilz, ein sehr seltener und sehr giftiger Pilz, dessen Verzehr tödlich sein kann. Die Gefahr: "Auf den ersten Blick kann er leicht mit Champignons verwechselt werden", erklärt Krautblatter. Der wesentliche Unterschied: Die Sporen des weißen Knollenblätterpilzes sind weiß, bei Champignons ist die Sporenfarbe dagegen braun.
Magen- und Darmbeschwerden Es gibt noch andere gefährliche Verwechslungsfallen: Dem essbaren Perlpilz beispielsweise sehen der graue Wurstling und der Pantherpilz sehr ähnlich. Zwei hochgiftige Exemplare. Nur geringe Mengen können zu einer tödlichen Pilzvergiftung führen.
Verwechselt werden können auch der Steinpilz und der Gallenröhrling. Letzterer führt nicht gleich zum Tod, kann aber erhebliche Magen- und Darmbeschwerden hervorrufen. Krautblatter hat zwei Tipps, wie sie doch zu unterscheiden sind: "Der Steinpilz hat auf dem oberen Stielende ein weißes Maschennetz, der Gallenröhrling dagegen langgezogene braune Maschen." Schneidet man zudem ein Stückchen ab und leckt darüber, können die Pilze erst recht nicht mehr verwechselt werden: "Der Steinpilz schmeckt mild, der Gallenröhrling markant bitter."
Zum Glück wachsen in unserer Region aber auch genügend verträgliche und genießbare Pilze. Krautblatter empfiehlt zum Beispiel den Zigeuner. Der semmelfarbene Reifpilz mit dem festen und fleischigen Stiel wächst vor allem in sandigen Kiefernwäldern und ist laut dem Experten gleichwertig mit dem Steinpilz.
"Früher wurde er noch nicht so gesammelt, weil ihn keiner gekannt hat", sagt er.
Wird man beim Sammeln fündig, sollte der Korb am besten mit feuchtem Moos ausgelegt sein. Dann trocknen die Pilze nicht aus und bewegen sich nicht unnötig hin und her. "Die Pilze auf keinen Fall in einer Plastiktüte, sondern immer offen sammeln. Sonst kommt es zu Zersetzungsvorgängen und damit eventuell zu Magen-Darm-Störungen", rät Krautblatter.
Verzehren sollten Pilzliebhaber ihre gefundenen Schätze innerhalb von 24 Stunden, am besten noch am selben Tag. Sonst gehen die Aromastoffe zunehmend verloren. Werden sie erst am nächsten Tag gegessen, sollten die Pilze bereits geputzt und geschnitten in einem offenen Gefäß im Kühlschrank gelagert werden. Gerade bei festfleischigen Pilzen wie Pfifferlingen sei das kein Problem.
"Beim Putzen sollte man übrigens am besten nur einen Pinsel und kein Wasser verwenden", rät Krautblatter.
Pilzsammler - und solche, die es werden möchten - dürfen sich laut dem Experten schon auf eine reichliche Ausbeute freuen. Die hohen Temperaturen im Juli und August und der starke Regen der vergangenen Woche haben optimale Voraussetzungen für den Pilzwuchs geschaffen: "Warmer Boden und viel Feuchtigkeit - das sind hervorragende Verhältnisse", sagt Krautblatter, der zur Zeit fast jeden Tag im Wald unterwegs ist und auf Pilzejagd geht. Da fehlt wohl nur noch eins zum großen Pilzeglück: ein ganz großer Korb.
Hilfe Wer Pilze gefunden hat und sich nicht sicher ist, ob sie gefährlich sind oder nicht, kann sich gerne direkt an Hans Krautblatter wenden. "Ein Anruf genügt", sagt der Pilzexperte.