Macht der zwischenmenschlichen Beziehungen

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Avi Primor bei seinem Besuch in Gremsdorf Fotos: Johanna Blum
Avi Primor bei seinem Besuch in Gremsdorf  Fotos: Johanna Blum
Eintrag ins Goldene Buch des Landkreises, von links Dekan Peter Huschke, Avi Primor, Josef Motz und Landrat Eberhard Irlinger
Eintrag ins Goldene Buch des Landkreises,  von links Dekan Peter Huschke, Avi Primor, Josef Motz und Landrat Eberhard Irlinger
 
Ein Blick in den Saal
Ein Blick in den Saal
 
Das Duo Sax-Müller und Co. (Jutta Wachs-Müller, Saxophon, und Andreas Engel, Piano)
Das Duo Sax-Müller und Co. (Jutta Wachs-Müller, Saxophon, und Andreas Engel, Piano)
 

Avi Primor, der Präsident der israelischen Gesellschaft für Auswärtige Politik und ehemaliger israelischer Botschafter, war Gastredner am Montagabend im Gremsdorfer Forum.

Mit einer bekannten Episode aus dem Ersten Weltkrieg führte Avi Primor in das Thema "Zwischenmenschliche Beziehungen mächtiger als Politik und Diplomatie" ein. Wer kennt nicht die Geschichte von Weihnachten 1914, als mit dem Lied "Stille Nacht" spontan auf beiden Seiten für zwei Tage Waffenstillstand herrschte?
Der Landkreis Erlangen-Höchstadt hatte Primor in Kooperation mit den kirchlichen Bildungseinrichtungen "Bildung Evangelisch" und "Katholische Erwachsenenbildung" eingeladen. "Ein sehr sympathischer Mensch", meinte Waldemar Kleetz (CSU), Gremsdorfs Bürgermeister beim Buffet, das sich an den geistigen Teil des Abends anschloss.
Avi Primor wurde 1935 in Tel Aviv geboren. Von 1993 bis 1999 war er israelischer Botschafter in Deutschland. Während dieser Zeit wurde er als eine der wichtigsten Stimmen des deutsch-israelischen Dialogs bekannt. Von 1952 bis 55 studierte Primor Politikwissenschaft und Internationale Beziehung an der Hebräischen Universität in Jerusalem. 1961 trat er in den diplomatischen Dienst ein.
Primor ist Gründer und Direktor des Zentrums für Europäische Studien an der Privatuniversität Interdisciplinary Center Herzlya und Präsident der Israelisch-Deutschen Gesellschaft (IDG). Neben Vorträgen schrieb er auch Bücher wie "An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld".
Avi Primor berichtete anhand von Beispielen. Als 1948 der jüdische Staat ausgerufen wurde, stand bei allen Israelis im Reisepass: Für Deutschland nicht gültig.
"Jeder von uns wusste, dass es kein Nazideutschland mehr gab, und trotzdem vergaß man den Holocaust und die Naziverbrechen nicht", erzählte der Redner. Die Deutschen hätten ihre Vergangenheit verschleiert, hatten von all den Verbrechen angeblich nichts gehört. "Mit dieser Heuchelei konnten die Israelis nicht umgehen. Mit Heuchlern kann man keinen Dialog führen", erzählte Avi Primor.
Ganz still war es im Saal. Erst durch die Beziehung Ben Gurion - Adenauer sei es langsam aufwärts gegangen. Es war natürlich unmöglich, das geraubte Vermögen wieder zurück zu erstatten und die Menschen wieder lebendig zu machen, so der Redner. Aber eine Wiedergutmachung war zur moralischen Pflicht geworden. Das hieß nicht, Geld zu überweisen, das sowieso nicht da war. Man investierte und half, die Volkswirtschaft aufzubauen. Es wurden Schiffe, Maschinen, Ersatzteile und mehr nach Israel geschickt, führte Primor aus. Aber wie macht man sich damit vertraut, wenn beide Seiten nicht miteinander sprechen wollen? Mutige Handwerker und Ingenieure machten sich auf den Weg nach Israel und später auch nach Deutschland. Man kam zwangsläufig ins Gespräch. Beide Seiten erkannten auf einmal, dass der andere auch ein normaler Menschen ist. Unerwartet hatten sich zwischenmenschliche Beziehungen entwickelt. Kennt man sich erst, schwinden Vorurteile und Abneigung.
Erst mit den wachsenden zwischenmenschlichen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg sei alles besser geworden - und die Beziehung Deutschland Israel sei sehr intensiv, was man am Jugendaustausch und den Städtepartnerschaften deutlich erkenne.
Avi Primors Mutter war mit 19 Jahren gegen den Willen der Eltern von Frankfurt nach Israel ausgewandert - der Liebe wegen. Im Krieg wurde dann ihre ganze Familie ein Opfer des Holocaust und bis 1980 wollte sie deshalb absolut nichts mehr von Deutschland wissen. Dann wurde sie nach Frankfurt eingeladen. Nur einen Tag wollte sie bleiben. Daraus wurden zwei Wochen. Seitdem verbrachte sie alle Urlaube in Deutschland - dank zwischenmenschlicher Beziehungen. Abschließend trug sich der Gast ins Goldene Buch des Landkreises ein. Die musikalische Umrahmung des Abends übernahmen Jutta Wachs-Müller, Saxophon, und Andreas Engel am E-Piano.