Kindermädchen und Nothelfer: Ausgaben für Jugendhilfe steigen

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Symbolbild: Barbara Herbst
Symbolbild: Barbara Herbst

Der Landkreis muss nächstes Jahr für die Jugendhilfe tiefer in die Tasche greifen. Die Gründe sind verschieden. Oft ist das Elternhaus Quell der Probleme.

Wer den Beleg sucht, dass unsere Gesellschaft komplizierter wird, der sollte sich in den Ausschuss für Jugendhilfe des Landkreises Erlangen-Höchstadt setzen. Denn hier schlägt der Puls des Lebens.

Spätestens hier kommen alle sozialen Probleme, die es da draußen gibt, auf den Tisch - als Finanzbedarf. Zwar sind die Unterlagen, mit denen sich die Kreisräte in ihrer gestrigen Sitzung befassten, voller abstrakter Zahlenkolonnen. Doch hinter jeder Zahl steckt ein Schicksal, ein Problem in einer Familie, das es zu lösen gilt.

Mehr Fälle, mehr Personalbedarf im Jugendamt: Landrat Alexander Tritthart (CSU) meldete in seiner Haushaltsrede zum Jugendhilfeetat 2018 daher eine voraussichtliche Erhöhung um knapp eine halbe Million Euro auf ein Gesamtvolumen von 11,1 Millionen Euro an.


Vom Elternhaus in die Schule

Scheidung der Eltern, allgemeine Verwahrlosung des Elternhauses, Drogen, Schulprobleme: So unterschiedlich die Konfliktfelder, so unterschiedlich die Kostensteigerungen bei den Hilfsangeboten.

Beispiel Schulen: An mittlerweile fast allen Mittelschulen im Landkreis, an Förderschulen sowie an der Realschule Höchstadt gibt es den Bedarf von Jugendsozialarbeit. Insgesamt werden vom Kreis fast sechs Vollzeitstellen dafür finanziert. Zuletzt bewilligte der Ausschuss der Mittelschule in Baiersdorf eine solche Sozialarbeit.


Wo Sozialarbeit gefragt ist

Im Antrag der Baiersdorfer Schule werden die Gründe genannt. So etwa unter dem Punkt "Allgemeine schwierige häusliche und schulische Situationen": Es gebe immer mehr Kinder mit "Auffälligkeiten". So säßen "nahezu in jeder Klasse" ein bis mehrere Kinder, "die sich auffällig verhalten, teilweise extrem unruhig, unkonzentriert, wenig motivierbar und in Einzelfällen nicht gruppenfähig sind."

Es ist die Rede von "Überlastung und Unfähigkeit mancher Eltern", die nun Sozialarbeiter in der Schule ausgleichen sollen.

Auch der steigende Migrationshintergrund der Schüler wird von der Schule angeführt. Der Sprachstand an der Mittelschule sei unterschiedlich. Es gebe auch Schüler, die sich nicht richtig ausdrücken können. Teilweise müssten "parallel zum Klassenunterricht Alphabetisierungskurse gefahren werden", so die Schule im Antrag.

Neben diesen Problemen wird oft die Situation im Elternhaus genannt: psychische Probleme der Eltern, Sterbefälle, Geldnot. Ein Kind zeige häufig aggressives Verhalten, mehrere Schulwechsel lägen deshalb hinter ihm.

Beispiel Inklusion: Auch Kinder mit autistischen Zügen, ab kommendem Schuljahr auch mit Aspergersyndrom, säßen im Unterricht - aber nur teilweise mit Schulbegleitern. "Dies führt immer wieder einmal zu Missverständnissen oder Konflikten in der Klassengemeinschaft", so die Schulleitung der Baiersdorfer Mittelschule.

Inklusion, also die Teilnahme von behinderten Kindern am Regelunterricht - seit 2009 in Deutschland verankert - ist für den Landkreis ebenfalls ein steigender Kostenfaktor. Die Eingliederungshilfen für seelisch Behinderte umfassen für 2018 mit rund 2,7 Millionen Euro nahezu ein Viertel des Gesamtetats der Jugendhilfe Erlangen-Höchstadt.

Allein die Kosten zur Umsetzung des gesetzlichen Inklusionsauftrages würden voraussichtlich um rund 300.000 Euro auf rund eine Million Euro steigen, wie Landrat Tritthart ausführte. Besonderen Finanzbedarf gebe es für Integrationshelfer oder Schulbegleiter sowie für Therapien für anerkannte Lese- und Rechenschwächen.

Beispiel Kinderkrippen: Hier steigen durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ebenfalls die Zahlen. Eltern, die finanziell schlecht dran sind und die Kitagebühren nicht aufbringen können - auch das gibt es in der Boomregion Erlangen-Höchstadt - können einen Antrag beim Kreis stellen. Davon betroffen waren 447 Kinder im Jahr 2016. Im Vorjahr waren es noch 385, vor zehn Jahren waren es nur 328.

Durchschnittlich 1200 Euro im Jahr wendet der Kreis für jedes dieser Kinder auf, wie Heike Krahmer, Leiterin des Jugendamts, und Jugendhilfeplaner Markus Hladik in einem Bericht vor den Kreisräten ausführen.

Sie betonen: Wie viel Geld im kommenden Jahr für die Jugendhilfe eingeplant werden muss, sei extrem schwer vorauszuplanen. Denn auch wenn für 2018 die Ausgaben steigen: Es handelt sich nicht um einen Trend. Denn die Zuschusshöhe schwankt von Jahr zu Jahr teilweise um ein Fünftel. Das heißt: Sollten für 2018 tatsächlich 500.000 Euro mehr benötigt werden, kann es 2019 schon wieder ganz anders aussehen.

Ein Beispiel, das zeigt, wie wechselhaft der Finanzbedarf sein kann, wählte die Verwaltung in der Vorlage für die Kreisräte. So gab es den Fall, in dem eine siebenköpfige Familie aus Forchheim nach Erlangen-Höchstadt zugezogen war. Es handelte sich um ein schwieriges, mittelloses Milieu. Die Familie sei nur "mit zwei Einkaufstüten" gekommen und untergebracht worden. Es habe bei den Zuständigen im Amt einen "monatelang massiven Mehraufwand", auch wegen "drohender Kindeswohlgefährdung", gegeben. Die fünf Kinder zwischen drei und acht Jahren mussten wegen der Zustände ins Heim oder in eine Pflegefamilie. Kosten für den Landkreis: fast 300.000 Euro. Ein Extremfall, der jedoch zeigt, wie schnell eine Finanzplanung schon wieder Makulatur sein kann.