Die Zahl der Unfallfluchten bleibt weiter hoch. Erlanger Spezial-Ermittler versuchen, diese Täter zu überführen.
Es ist ärgerlich und teuer zugleich. Das eigene Auto steht auf dem Parkplatz und man selbst will nur kurz zum Einkaufen ums Eck. Dann der Schock: Kratzer und Dellen im Wagen und niemand in Sicht, der den Schaden verursacht hat. 1000 Euro für Reparatur oder das Lackieren sind keine Seltenheit.
Solche Fälle sind für die Ermittler Norbert Wirth und Gerhard Wolfschmitt von der Polizei
Erlangen tägliche Routine. Die beiden Beamten sind Unfallflucht-Fahnder und versuchen, die Täter zu fassen. Fakt ist: Mittlerweile flüchten mehr als 25 Prozent aller Unfallverursacher. Eine Entwicklung, die nicht nur für die Universitätsstadt Erlangen gilt, sondern auch für die Franken-Metropole Nürnberg.
Wirth erklärt: "Üblicherweise handelt es sich in der Masse der Fälle, um die wir uns kümmern, um kleinere Rempler beim Aus- oder Einparken."
Der Fahnder bezeichnet die Ermittlungen auch gerne als "die Suche nach der Nadel im Heuhaufen". Mit einem Metermaß untersucht er am demolierten Auto die Höhe der Schäden, versucht so Rückschlüsse auf das Fahrzeug zu ziehen, das die Kollision verursacht hat. Mit einer kleinen Spachtel kratzt er zudem Lack ab, sichert so auch Farbreste vom Fahrzeug, das den Unfall verursacht hat. Die Spuren prüft Wirth unter dem Mikroskop und kann so die Art des Lackes erkennen sowie im Idealfall sogar das Fabrikat dces Wagens.
"Doch mittlerweile verwenden verschiedene Autohersteller gleichartige Lacke, was unsere Arbeit sehr erschwert."
775 Unfallfluchten
Allein in Erlangen gab es im vergangenen Jahr 775 Unfallfluchten - fast sechs Prozent mehr als 2014. Nur 263 konnten davon aufgeklärt werden, was einer Aufklärungsrate von etwa 34 Prozent entspricht. In Mittelfranken verzeichnet die Polizeistatistik 9085 Fälle dieses Vergehens und im Stadtgebiet Bamberg 650.
Oliver Dotterweich, Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizeiinspektion Erlangen: "Viele wissen gar nicht, dass eine Unfallflucht eine Straftat darstellt, die zu drastischen Konsequenzen führen kann." Das können Geldstrafen sein oder auch der Entzug der Fahrerlaubnis. Ab 50 Euro Schaden ermittelt die Polizei in diesem Straftatbestand.
Bei der Überführung von unfallflüchtigen Autofahrern setzen die Ermittler vor allem auch auf Zeugenaussagen.
"Diese Beobachtungen spielen eine wichtige Rolle. Hilfreich sind daneben ebenfalls Auswertungen von Videokameras, wie es sie etwa auf einigen Parkplätzen von Einkaufsmärkten gibt", so Fahnder Wirth. Bei den Vernehmungen der Unfallverursacher hören die Beamten immer die gleichen Ausreden: "Ich habe nichts bemerkt, sonst wäre ich doch nicht weitergefahren. Ich bin ja schließlich versichert."
Derzeit versucht Wirth einen Autofahrer zu überführen, der mit seinem Wagen einen Radfahrer übersehen und von der Straße gerammt hatte.
Ein weißer Turnschuh in einem Plastikbeutel spielt dabei eine wichtige Rolle. "Diesen Schuh trug der Radfahrer und bei der Kollision mit dem Auto blieben daran Lackspuren haften, die ich nun auswerte", so Wirth. Zudem hat er vom leicht verletzten Radfahrer eine Beschreibung des Wagens bekommen. Mit Hilfe dieser Infos muss er nun versuchen, den Fall zu klären.
Aber wie sollen sich Verkehrsteilnehmer verhalten, die an einem anderen Fahrzeug einen Schaden verursacht haben? Reicht nicht auch ein Zettel an der Windschutzscheibe des anderen Wagens mit den eigenen Daten darauf? "Das genügt nicht. Wer so handelt und dann weiterfährt, begeht trotzdem eine Unfallflucht", sagt Ingo Lieb, stellvertretender Leiter der Polizei Erlangen. Am besten: Nach einem Unfall die Polizei verständigen, die dann alles aufnimmt.
Kritik von Automobil-Club
Laut dem Automobil Club Europa (ACE) hat die Zahl der Fahrerfluchten in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der ACE kritisiert, dass "ein öffentliches Bewusstsein für die dramatische Entwicklung bei Unfallfluchten mit Sachschäden" fehle. Eine offizielle Statistik hingegen würde das Bild verfälschen, da diese nur das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nach einem Personenschaden oder schwerem Sachschaden erfasst.
Während die Zahl der Beteiligten an einer Unfallflucht nach einem Personenschaden zwischen 2009 und 2013 um 5,3 Prozent sank, stieg die Zahl der Fluchten insgesamt im gleichen Zeitraum etwa in Bayern um 13,5 Prozent, in Berlin um 8,7 Prozent und in Nordrhein-Westfalen um 6,0 Prozent an. Die Aufklärungsquote sei gering und könne nach Ansicht des ACE den Negativtrend noch verstärken.
14 Prozent weniger Verletzte
Während die Unfallfluchten nach oben gehen, haben die Beamten für Erlangen auch gute Nachrichten parat: So ging im letzten Jahr die Zahl der Unfälle um 1,22 Prozent auf 3063 zurück. Dabei wurden 454 Personen verletzt (14 Prozent weniger als 2014) und zwei kamen ums Leben.
Insgesamt erwischten die Beamten in der Stadt 303 alkoholisierte Verkehrsteilnehmer - 220 von ihnen waren auf dem Rad unterwegs. Generell spielen Radfahrer eine wichtige Rolle in der Uni-Stadt. So kam es zu 290 Unfällen mit Radfahrer-Beteiligung, 45 weniger als ein Jahr zuvor. Dabei wurden 253 Personen verletzt, einer starb nach einem Zusammenstoß mit einem Pkw. "Die häufigsten Unfallursachen sind ungenügender Abstand und Fehler beim Abbiegen", so Ingo Lieb.