Norbert Wenzel hat sein Hobby zum Hauptberuf gemacht. Das Leinöl presst er vor den Augen seiner Kunden auf dem Maxplatz.
Gertrud Glössner-MöschkSonnenblume, Sesam, Lein, Schwarzkümmel, Aprikosenkern, Kürbiskern, Kokosnuss - und davon nur beste Qualität - kommt bei Norbert Wenzel in die Mühle. Aus diesen und anderen ölhaltigen Samen macht er seine Rohkost-Öle.
Das wäre nichts Besonderes, hätte Wenzel sich nicht eine ganz besondere Produktions- und Verkaufsstätte ausgesucht: einen mobilen Verkaufsstand, mit dem er jeden Dienstag in der Bamberger Innenstadt steht. Dort presst er Leinöl vor den Augen der Kunden, füllt es ab und bietet Öl-Kostproben auf Teelöffeln an. Dazu gibt es jede Menge Informationen und gute Ratschläge, beispielsweise den Tipp, Obstsalat mit einigen Tropfen Leinöl zu verfeinern und eine Stunde ziehen zu lassen - "mein Lieblingsfrühstück".
Leicht verderbliche Ware
"Wie lange hält denn das Leinöl, wenn die Flasche offen
ist?" will eine Kundin wissen, als wir Wenzel auf dem Maxplatz besuchen. "Nur drei, höchstens vier Wochen. Danach können sie es zu nichts mehr gebrauchen, außer zum Einölen Ihrer Gartenmöbel!"
Was für unbedarfte Verbraucher wie ein Mangel klingt, ist für Wenzel ein Zeichen für Qualität, für die der schonende Herstellungsprozess die entscheidende Rolle spielt: Bei Leinöl zerfallen die Omega-3-Säuren sehr viel schneller als bei den meisten anderen Ölen.
Wenzel presst seine Öle kalt. Im Vergleich zu herkömmlichen Ölen sogar "eiskalt". Während die Lebensmittelgesetze für eine "Kaltpressung" bis zu 160(!) Grad Celsius erlauben - in Mühlen wird es schnell sehr heiß - und Standardpressen zwischen 60 und 90 Grad erreichen, verlassen Wenzels Öle das Mahlwerk mit "Körpertemperatur" von unter 37 Grad.
Damit das klappt, wird das Mahlwerk kontinuierlich mit Wasser gekühlt.
Womit wir schon beim Beginn dieser ungewöhnlichen Geschäftsidee wären. Ein Bekannter von Wenzel hat vor Jahren eine solche Ölmühle mit Kühlung entwickelt und dafür bei dem Bamberger mehr als nur großes Interesse hervorgerufen: "Phänomenal" fand Wenzel die Mühle und wollte selbst eine haben, nur für den Eigengebrauch. Als das gute Stück im Hause war, interessierten sich Freunde, Verwandte und Nachbarn für das, was er in braune Fläschchen abfüllte. Der Verkäufer von hochklassiger Elektronik fand sich im Nu in seiner Freizeit in einem Nebenjob wieder.
Als die neue Tätigkeit mehr und mehr Zeit beanspruchte, entschloss er sich, komplett umzusatteln und das Pressen von Öl zu seinem Hauptberuf zu machen.
Das Geschäft ruht auf drei stabilen Säulen: dem Stand auf dem regionalen Markt, die Teilnahme an überregionalen Veranstaltungen wie Gourmetmessen oder Gartenmärkten sowie dem Online-Shop. Immer dienstags ist "Wenzels Ölmühle" auf dem Maxplatz zu finden. Anders als die Gemüse- und Obsthändler hadert er mit diesem Standort nicht, ringt aber mit dem Problem, während der großen Märkte wie dem Weihnachtsmarkt umziehen zu müssen: "Kunden mögen keine Schnitzeljagd!"
Ein anderer Geschmack
Die Kundschaft, die sich am vergangenen Dienstag bei Wenzel am Stand eingefunden hat, war bunt gemischt: Männer und Frauen, Stammkunden und Touristen halbe-halbe.
Eine Dame schwärmte: "Das Haselnussöl kann ich nur empfehlen." Eine andere wunderte sich über den ungewohnt milden Geschmack des Kürbiskernöls. Wenzel erläuterte dazu, dass die von ihm gepressten Samen und Nüsse nicht geröstet werden bevor sie in die Mühle kommen. "Durch die Kaltpressung entsteht der besonders intensive Geschmack meiner Öle, denn dadurch wird gewährleistet, dass die essenziellen Fettsäuren und weitere wichtige Bestandteile des Öls weitgehend erhalten bleiben." Folgerichtig sollte man die Öle nicht zum Braten benutzen, sondern zum "Finalisieren" direkt aus der Flasche auf die Speisen geben, die dann allerdings auch warm sein können wie zum Beispiel eine Kürbissuppe. Bei der Rohware legt Wenzel Wert auf Bio-Standard und verwendet wann immer es möglich ist, Körner und Nüsse aus Franken.
Für den Anbau von Leinsamen leistet er in der Region "Überzeugungsarbeit".