"Es ist viel Neues entstanden"

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Das Thema des Kulturfestivals von 2020 hat Judith Jochmann (r.) in dieses Jahr verschoben. Mit Kollege Helmut Biehler und Bürgermeister German Hacker (SPD) präsentierte sie den Flyer.Bernhard Panzer
Das Thema des Kulturfestivals von 2020 hat Judith Jochmann (r.)  in dieses Jahr verschoben. Mit Kollege Helmut Biehler und  Bürgermeister German Hacker (SPD) präsentierte sie den Flyer.Bernhard Panzer

Die Pandemie setzt Kulturschaffenden weiter schwer zu. Judith Jochmann kämpft dafür, dass in Herzogenaurach das stattfindet, was möglich ist. Ein Gespräch über Großveranstaltungen, Spontaneität und darüber, wie der Sommer sein könnte.

Eigentlich könnte Judith Jochmann zufrieden sein. Schließlich gab es im vergangenen Jahr trotz der Corona-Pandemie zahlreiche kulturelle Höhepunkte in Herzogenaurach. Wer mit der Leiterin des Amts für Stadtmarketing und Kultur, das sie seit 2011 führt, telefoniert, merkt jedoch schnell, dass es Jochmann nicht darum geht, die Beine hochzulegen. Im Gegenteil. Längst arbeitet sie mit ihrem Team an neuen Veranstaltungen für die Stadt.

Frau Jochmann, worauf freuen Sie sich dieses Jahr am meisten?

Jochmann: Hauptsächlich aufs gemeinsame Kulturerlebnis. Wir haben ja nie aufgehört, Veranstaltungen zu planen, alles lief im Hintergrund ständig weiter und wurde für die kommenden Monate vorbereitet. Das sind Lichtblicke, auf die ich mich in diesem Jahr nun sehr freue.

Das bedeutet konkret?

Natürlich fallen die meisten Veranstaltungen im Januar und Februar wegen des Lockdowns aus, manches findet digital statt. Richtig starten wollen wir mit dem Open-Air Kino im Mai, mit dem wir schon im Vorjahr gute Erfahrungen gesammelt haben. Ich wüsste nicht, wieso das dieses Jahr nicht genauso gut klappen sollte. Grundsätzlich kann wohl alles, was voriges Jahr im Sommer lief, auch heuer stattfinden. So hoffen wir zumindest.

Auch Großveranstaltungen?

Das glaube ich nicht. Grundsätzlich werden Großveranstaltungen im ersten Halbjahr wohl nicht oder nur in angepasster Form möglich sein. Aber alles andere sollte stattfinden können.

Inwiefern ist der Kulturbetrieb aus Ihrer Sicht systemrelevant?

Man hat ja gesehen, was passiert, wenn das Kulturangebot plötzlich wegbricht: Das Leben steht still. Kultur ist in egal welcher Form systemrelevant. Die Gesellschaft braucht die Kultur, sie ist ihre Seele, ihr Herz, ohne das viele nicht sein können.

So, wie die Kultur auch nicht ohne die Gesellschaft sein kann?

Genau. Kulturschaffende brauchen das Publikum und sie brauchen Sicherheit in der Planung. Auch für uns als Veranstalter ist das ja immer wichtig. Aber unser Leben hängt nicht daran. Ohne die Planungssicherheit können Künstler nicht leben.

Wie ist die Situation gerade jetzt für Kulturschaffende in der Stadt?

Vor kurzem hat mich eine Straßenkünstlerin angerufen und gesagt, dass sie vergangenes Jahr schon irgendwie überbrücken konnte. Aber wie sieht es dieses Jahr aus, hat sie mich dann gefragt. Bei vielen geht es jetzt an die Substanz. Unsere Aufgabe als Veranstalter ist es, Perspektiven für Künstler zu schaffen.

Ist die Situation mit vergangenem Frühjahr zu vergleichen?

Vergangenes Jahr war der Atem der Künstler länger. Jetzt erleben wir eine Zuspitzung der Lage, weil viele ihre Reserven aufgebraucht haben. Man sieht das nicht nur im Kulturbereich. Auch in der Gastronomie oder im Einzelhandel. Das ist schon anders als im Frühjahr, in dem viele in Schockstarre fielen. Wir sehen jetzt, dass der Marathon noch nicht zu Ende ist.

Sind die staatlichen Hilfen bei den Künstlern angekommen?

Das kann ich nicht genau sagen. Ich kenne viele Soloselbststände, Musiker, Kleinkünstler, die es in der Krise gerade in Herzogenaurach schwer haben. Ob diese Leute auch Staatshilfen bekommen haben, weiß ich aber nicht.

Können Sie der Pandemie trotz der vielen negativen Aspekte etwas Positives abgewinnen?

Für uns als Team im Amt für Stadtmarketing und Kultur auf jeden Fall, gerade was die Organisation von Veranstaltungen betrifft. Im Sommer haben wir innerhalb kürzester Zeit eine Veranstaltungsreihe aus dem Boden gestampft, die viele nicht für möglich gehalten haben.

Und auf die Kultur bezogen? Wie wichtig waren die neuen Kunstformate für die Stadt?

Da war zum Beispiel die Schaufensteraktion, die der Künstler der Stadt für ihre Werke nutzten. Oder die Fotoausstellung im Freien von Florian Lang, die wir nun in den März hinein verlängert haben, weil sie so gut ankam. Die Notsituation hat Kreativität und Offenheit angeregt. Nicht nur bei den Künstlern, die neue Ideen entwickelt haben, sondern auch bei den Ladeninhabern, die ihre Räume zur Verfügung stellten, ganz unproblematisch. Es ist viel Neues entstanden, das in Herzogenaurach gut angenommen wurde. Wir haben viel Dankbarkeit und Lob für unsere Aktionen bekommen, so viel, wie lange nicht mehr.

Also liegt hinter Ihnen ein anstrengendes Jahr.

Ich denke, das kann man so sagen. Es gab keine Bequemlichkeiten und das Jahr hat viel Kraft gekostet. Aber nichts ist so schön wie Neues zu schaffen. Das hat auch in der Krise vielen Menschen sehr gut getan: Mal kein Standard eben.

Rechnen Sie im Sommer mit einem ,normalen' Kulturbetrieb?

Was verstehen Sie unter normal? Wenn sie damit meinen, dass es so wird wie vor zwei Jahren, das glaube ich nicht. Ob es je wieder so wird wie früher, weiß keiner. Will der Mensch in Zukunft überhaupt noch auf Großveranstaltungen gehen? Oder lieber kleine Konzerte sehen? Das ist alles unklar. Trotzdem denke ich, ein Sommer wie im vergangenen Jahr sollte auch heuer möglich sein. Die Menschen können dann kleine Konzerte genießen und wieder draußen sein, wenn alles gut geht.

Interview von Andreas Scheuerer