Die örtlichen Bundestagsabgeordneten Stefan Müller (CSU) und Martina Stamm-Fibich (SPD) stellen die Interessen des Wahlkreises vor ihre Parteiausrichtung. Bei einer möglichen Großen Koalition sehen sie Vor- und Nachteile.
Der Wahlkreis Erlangen ist in der kommenden Legislaturperiode mit zwei Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten. Stefan Müller aus Großenseebach errang für die CSU das Direktmandat. Über die Landesliste der SPD zog Martina Stamm-Fibich aus Möhrendorf ins Parlament ein. Wie sehen die beiden die aktuelle politische Lage vor der Regierungsbildung? Welche Vorstellungen haben sie, wo sie den Wahlkreis in Berlin vertreten können?
Die ersten Schritte zur Regierungsbildung laufen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führt Gespräche der SPD und den Grünen. Wie stehen Sie zu einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD und mit einer Opposition, die zu klein ist, um beispielsweise einen Untersuchungsausschuss zu fordern? Welche Positionen Ihrer Partei dürften dabei im Koalitionsvertrag nicht untergehen? Wo, glauben Sie, gibt es Spielraum für Verhandlungen und Kompromisse?
Stefan Müller: Das Wahlergebnis ist eine klare Richtungsentscheidung. Jetzt erwarten die Menschen zu Recht, dass wir eine stabile Regierung bilden. Für uns ist dabei zentral, dass die Bürger nicht zusätzlich belastet werden. Gleichzeitig wollen wir mehr Geld in Familien, Bildung und Infrastruktur investieren. Die ersten Gespräche mit den Sozialdemokraten waren gut, sachlich und konstruktiv. Die Gemeinsamkeiten standen im Mittelpunkt und nicht die Unterschiede. Eine der Gemeinsamkeiten ist beispielsweise, dass Sozialdemokraten wie Union der Meinung sind, dass jeder, der Vollzeit arbeitet, von seinem Einkommen leben können muss. Ein anderes wichtiges Thema, bei dem die Sozialdemokraten ebenso wie wir Handlungsbedarf sehen, ist die Pflege. Sollte es zu einer Koalition mit der SPD kommen, mache ich mir keine Sorgen um die Minderheitenrechte. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist in den vergangenen Jahren immer mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossen worden.
Martina Stamm-Fibich: Wie ich bereits am Abend der Bundestagswahl gesagt habe, stehe ich einer Großen Koalition skeptisch gegenüber. Diese Haltung ist in meinen Augen absolut verständlich, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, wie die SPD bei der Bundestagswahl 2009 mit dem schlechtesten Ergebnis der Nachkriegszeit abgewatscht wurde. Der Wahl vorausgegangen waren vier Jahre Große Koalition unter Angela Merkel.
Allerdings muss ich auch sagen, dass wir nach der Schlappe von 2009 nun genug Zeit hatten, unsere Narben zu lecken und nach vier Jahren intensiver und ausgezeichneter Oppositionsarbeit gestärkt in die Koalitionsverhandlungen gehen. Ziel der Verhandlungen muss es sein, unsere Themen wie beispielsweise soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn und Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker zu platzieren. Wenn uns das gelingt und uns auch von der Basis der Rücken gestärkt wird, freue ich mich darauf, mich als neu gewählte Abgeordnete auch in einer Großen Koalition für die Belange der Menschen, die in meinem Wahlkreis leben, einzusetzen.
Die Größe der Opposition bei einer Großen Koalition ist aus der Sicht der parlamentarischen Demokratie durchaus als problematisch anzusehen. Die Regierungsmehrheit läge dann deutlich über der Zweidrittelmehrheit. Auf der anderen Seite braucht es mit Blick auf die anstehenden Aufgaben eine breite Mehrheit. Ich denke hier beispielsweise an die ausstehende Pflegereform und die dringend notwendige Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. Auch die Eurokrise ist noch lange nicht ausgestanden. Große parlamentarische Mehrheiten sind da sicher nicht von Nachteil.
Zwei Vertreter aus einem Wahlkreis könnte man als "Große Koalition für den Kreis" bezeichnen. Trotz unterschiedlicher Parteiausrichtung erwarten viele Wähler von ihren Abgeordneten einen besonderen Einsatz für die Belange der Region. Wo sehen Sie solche Punkte, an denen Sie die regionalen Interessen besonders vertreten können oder sogar müssen? Gibt es Ihrer Meinung nach lokale Sachverhalte, die in Berlin besonderes Gehör finden müssen?
Müller: Bereits seit 2002 setze ich mich in Berlin als Bundestagsabgeordneter für die Interessen meiner Heimatregion ein. Diese steht im bundesweiten Vergleich hervorragend dar.
Ein besonderes Anliegen der Bürger in meinem Wahlkreis ist die Verkehrsproblematik. Auch die Realisierung von Umgehungen an Bundesstraßen wie zum Beispiel in Gremsdorf werde ich auch weiterhin entschieden in Berlin zur Sprache bringen.
Stamm-Fibich: Grundsätzlich kann ich allen Wählern versichern, dass mir sehr viel an einer engen Zusammenarbeit und Kooperation mit Herrn Müller zum Wohle des Wahlkreises liegt. Parteiausrichtungen stehen hier nicht an erster Stelle, was zählt ist das Wohl und der Nutzen für den Wahlkreis. Auf meiner Prioritätenliste ganz oben steht der Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen. Außerdem muss Wohnen im Landkreis Erlangen-Höchstadt und vor allem in der Stadt Erlangen weiter bezahlbar bleiben. All das sind Themen, die sich schneller und vor allem besser lösen lassen, wenn man an einem Strang zieht.
Ein viel diskutiertes Problem ist der Verkehr. Die Autobahn A3 und auch die A 73 sind stark befahren. Halten Sie es für geboten, auf einen sechsspurigen Ausbau zu drängen? Sehen Sie Möglichkeiten, den Pendlerverkehr auf den Straßen durch eine Stadt-Umland-Bahn zu entlasten?
Müller: Die Autobahnen A3 und A73 müssen dringend an die gestiegenen Verkehrsbelastungen der vergangenen Jahrzehnte angepasst werden. Daher befürworte ich einen sechsstreifigen Ausbau ausdrücklich. Allerdings darf dieser nicht ohne entsprechende Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner erfolgen. Ich stehe in regem Kontakt mit dem Bundesverkehrsminister, um auf eine möglichst zügige Realisierung dieser Maßnahmen zu drängen.
Ebenfalls befürworte ich eine bessere Anbindung des Landkreises Erlangen-Höchstadt an die Metropolregion Nürnberg. Dies kann zum Beispiel eine Stadt-Umland-Bahn sein. Aber auch andere denkbare Alternativen müssen sorgfältig und ohne Aktionismus geprüft werden. Denn eines ist klar: Wir dürfen und wollen die Gemeinden nicht auf Jahrzehnte mit so einem immensen Infrastrukturprojekt finanziell überfordern.
Stamm-Fibich: Für mich und die SPD ist klar: Die StUB ist die richtige Antwort auf den täglichen Verkehrskollaps und stellt die Weichen für eine gesunde ökonomische und ökologische Weiterentwicklung des Wahlkreises. Die Bahn verbindet die großen Arbeitgeber der Region mit den Wohngebieten, schafft eine attraktive Verbindung für die Studierenden in Nürnberg und Erlangen, verlagert den Autoverkehr auf die Schiene und entlastet so die Bürger vom Verkehr und nutzt zudem Klimaschutz und Energiewende.