Obwohl bereits eine rechtliche Prüfung läuft, übt Höchstadts Dekan Kilian Kemmer scharfe Kritik an der evangelischen Kirche. Sie soll Kindergartenbeiträge falsch abgerechnet haben.
Klare Worte hat Höchstadts Dekan Kilian Kemmer im Zusammenhang mit den evangelischen Kindergärten in Höchstadt gewählt. Er fordert von den Behörden, Konsequenzen zu ziehen, im Fall der mutmaßlich falsch abgerechneten Betreuungszeiten. "Das Bringen und Abholen der Kinder kann auf Grund der Finanzierungssituation nicht willkürlich geschehen", sagte Kemmer kürzlich auf der Dekanatskonferenz vor Vertretern von 17 Dekanaten.
Dem FT hat Kemmer zudem eine Stellungnahme zukommen lassen. Offiziell habe er seine Ausführungen in schriftlicher Form dem Landrat und dem Bürgermeister übergeben.
Konkret geht es darum, dass beim evangelischen Paul-Gerhardt-Kindergarten über Jahre hinweg die flexiblen Bring- und Holzeiten falsch berechnet worden sein sollen. Dies könnte bedeuten, dass es eine zu hohe Bezuschussung mit staatlichen Fördermitteln gegeben hat. Das Landratsamt hat den Fall geprüft, der momentan bei der Stadt Höchstadt liegt, die entscheiden muss, ob das Geld zurückgezahlt werden muss. Laut Bürgermeister Gerald Brehm (JL) geht es um einen sechsstelligen Betrag.
Fragt man sich, was hinter Kemmers Angriff steckt, muss man sich vergegenwärtigen, dass die beiden Kirchen - gelegentlich die Ökumene hochhaltend - nicht nur in Glaubensfragen konkurrieren, sondern auch bei der Kinderbetreuung. Katholik Kemmer greift den evangelischen Kindergartenträger an. Er wirft ihm Unprofessionalität vor. "Bei verantwortlicher Wahrnehmung der Trägerschaft durch die Kirchenverwaltung dürfte ein Umstand wie bei der Prüfung zweier Kitas in Höchstadt-Süd gar nicht vorkommen." Kemmer spricht weiter von einer "ungerechten Finanzierung", die er in seinem "Verantwortungsbereich nicht erleben" wolle.
Unmoral, Kalkül, Dummheit
Hintergrund ist, dass jeder Kindergartenplatz zu 80 Prozent vom Staat finanziert wird. Die restlichen 20 Prozent kommen in den allermeisten Fällen aus den Elternbeiträgen. Dies bedeutet, dass für jede Stunde, die der Kindergarten abrechnet, obwohl faktisch keine Betreuung geleistet wird, vom Staat unrechtmäßig Geld bezogen wird. "Wenn ein kirchlicher Träger mehr vom Staat und von den Eltern verlangt als ihm zusteht, handelt er illegal und unmoralisch", sagt Kemmer. Es gebe zwei Möglichkeiten: Entweder es sei Vorsatz gewesen, oder es war Unwissenheit. Kemmer spricht in seiner Stellungnahme wörtlich von "Kalkül oder Dummheit"
Pfarrer Hans-Friedrich Schäfer wollte dies nicht kommentieren. Es handle sich um ein laufendes Verfahren, zu dem er sich nicht erklären werde.
Auf Anfrage betont Kemmer, es gehe ihm "nicht um Schadenfreude, sondern um ein Stück Gerechtigkeit." Sein Motto sei immer "leben und leben lassen". Aber es müsse trotzdem "mit offenen Karten gespielt" werden.
Anlass für seine deutlichen Worte sei gewesen, dass Eltern auch in katholischen Kindergärten das Thema aufgeworfen hätten. Einerseits hätten sie auch gerne den "Service" der flexiblen Bring- und Holzeiten ohne mehr Stunden buchen zu müssen. Andererseits sei, so Kemmer, bei den Eltern der Eindruck entstanden, dass allgemein bei kirchlichen Trägern, also auch bei katholischen, öfter mal die Abrechnungen nicht stimmen. Am Samstag wurde mit der Kita Regenbogen eine städtische Einrichtung für Kinder verschiedener Altersstufen eingeweiht.
Immer mehr Betreuung nötig
Bürgermeister Brehm betont die Wichtigkeit, die einem breiten Betreuungsangebot zukommt. "Als Kommune haben wir eine Pflichtaufgabe zu erfüllen. Die Gesellschaft hat sich verändert. Krippe, Kindergarten, Mittagsbetreuung, Hort: Mittlerweile kann man sagen, dass ein Angebot zur Betreuung von null Jahren aufwärts benötigt wird", sagt Brehm.
Dass es in Zukunft übermäßige Konkurrenz unter den Höchstadter Einrichtungen geben könnte, sei nicht zu befürchten. Alle Träger seien wirtschaftlich so gut aufgestellt, dass sie gut belegt seien. Die neue städtische Kita habe noch Spielraum, mehr Kinder aufnehmen zu können, da mit neuen Baugebieten und mit den Flüchtlingen mehr Zulauf zu erwarten sei.
Kemmer versteht seine Kritik nach eigener Aussage als "notwendigen Beitrag zur Entscheidungsfindung des Bürgermeisters". Bei der Stadt liegt der Fall gerade. Sie muss entscheiden, ob die Summe, die im Raum steht von der evangelischen Kirche zurück gezahlt werden muss.
Der Bürgermeister wirkt jedoch nicht so, als ob er eine Stütze bei seiner Entscheidung bräuchte. Es werde gerade geprüft. Hier gelte der Gleichheitsgrundsatz.
Die Stadt habe den Kommunalen Prüfungsverband, den Gemeindetag und die Rechtsaufsicht um eine Einschätzung gebeten. Bis Jahresende werde man eine Stellungnahme abgeben. Dann könne entschieden werden, ob und wie viel gezahlt werden muss. "Es muss eine einheitliche Regelung für alle Träger her", sagt Brehm, der unparteiisch sein will. "Ich sehe es vollkommen konfessionsfrei." Er wünsche sich ein "konstruktives Miteinander, wie in den letzten Jahren auch."
Splitter im Auge des Bruders - Kommentar von Redakteur Christian Bauriedel:Mit Unfehlbarkeit kennt sich die katholische Kirche traditionell gut aus. Doch egal, ob unfehlbar oder nicht: Auf Missstände bei anderen hinzuweisen ist legitim. Vor allem, wenn diese mutmaßlich auf einen selbst zurückfallen könnten. Dekan Kemmers Stellungnahme allerdings, in der er die evangelische Kirche als Kindergartenträger scharf kritisiert und Konsequenzen fordert, verrät mehr.
Sie zeigt, in welchem Verhältnis die beiden Gemeinden zueinander stehen. Sie konkurrieren gegeneinander. Der Markt heißt Kinderbetreuung. Das Gut ist das Kind und die Währung sind die staatlichen Förderbeiträge. Sicherlich ist es manchmal gut, den Finger in die Wunde zu legen. Kemmer allerdings streut gleich noch ordentlich Salz hinterher. Unnötig. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls. Würden die Behörden angesichts der Falschabrechnungen einfach nichts tun, wären Kemmers harte Worte zu verstehen. Aber es gibt doch gerade eine rechtliche Prüfung, ob etwas falsch gelaufen ist. Und diese sollte schon abgewartet werden.
Dann weiß man überhaupt, ob und was falsch lief. Wenn ja, ist es selbstverständlich, dass die evangelische Kirche das Geld zurückzahlen muss. Fehler sind nun mal Fehler. Sie können aber bereinigt und letztlich auch verziehen werden. Zumal es um eine falsche Abrechnung geht und nicht etwa um Missstände in der Betreuung der Kinder. An der guten Arbeit der Kindergartenkräfte gibt es keinen Zweifel. In beiden Gemeinden! Es wäre wünschenswert, wenn zwischen den zwei Kirchengemeinden ein friedlicherer Ton herrschen würde. Denn beide haben doch ein gemeinsames Interesse: die bestmögliche Betreuung der Kinder. Wenn man sich mit Schadenfreude überzieht, wirft das kein gutes Licht auf die kirchlichen Träger. Schließlich können sich die Eltern ja auch eine andere Einrichtung aussuchen. Eine städtische zum Beispiel.
Leider scheinen dann, wenn Kirchen zu Dienstleistern werden, christliche Werte ab und an ins Hintertreffen zu geraten. Dafür muss man nicht besonders bibelfest sein. "Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?" Das sagt Matthäus. "Denn die Wurzel aller Übel ist die Habsucht." Das sagt Thimotheus. Was er allerdings zu Fehlbuchungen bei Kindergartenplätzen sagt, ist leider nicht überliefert. Das muss wohl doch die Rechtsaufsicht klären.
... den ersten Stein. Und Herr Kemmer hat einen gewaltigen Rundum-Steinschlag für richtig gehalten. Die Ökumene wird so zur Farce und unglaubwürdig. Gut, dass der Kommentator einiges ins Lot richtete. Ich hoffe, der Herr Denan hat gestern ab 22:45 h in der ARD die bedrückende Doku "Richter Gottes. Die geheimen Prozesse der Kirche" gesehen. Was da abgeht, ist mit Geld nicht wieder gut zu machen - im Gegensatz zum Thema. Man sollte daher mit dem Wort "Moral" sehr vorsichtig sein, wenn man selbst im Glashaus sitzt!
Hier ist der Mediathek-Link:
http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Story-im-Ersten-Richter-Gottes-Die/Das-Erste/Video?documentId=31942350&bcastId=799280
oder
eine Zusammenfassung auf Spiegel online:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/missbrauch-in-der-katholischen-kirche-geheime-paralleljustiz-a-1065203.html