Berufsverbot, Kontaktbeschränkungen,  Sperrstunde: Der Staat greift tief in unsere Grundrechte ein. Wie steht es um die Demokratie in der Pandemie?  Der Fränkische Tag hat bei den Abgeordneten aus Erlangen-Höchstadt nachgefragt.
                           
          
           
   
          Politiker entscheiden, wen man wann, wo treffen darf, wer arbeiten kann, ob Konzerte stattfinden dürfen. 
 Eine "demokratische Zumutung", hat Angela Merkel die Pandemie genannt.   Manche Entscheidung wurde von Gerichten gekippt. Staatsrechtler mahnen, die tiefen Einschnitte in das freie Leben der Bürger stärker demokratisch zu verankern. Ist Corona gerade dabei, das System der parlamentarischen Demokratie zu infizieren? Wir haben bei den Abgeordneten  nachgefragt:   Britta Dassler, FDP-Bundestagsabgeordnete,  sagt: "Es ist jetzt an der Zeit dem Parlament seine Aufgaben zurückzugeben und nicht über die Kompetenzausweitung für die Bundeskanzlerin oder den Gesundheitsminister zu fabulieren. Es ist jetzt die Aufgabe des Parlaments in Berlin und München über Maß und Mittel zu streiten." 
Frage der Verhältnismäßigkeit
Ganz wesentliche Freiheitsbeschränkungen würden durch die Regierungen gemacht. "Und die Regierungen geben noch nicht einmal Begründungen für manche Maßnahmen ab", so Dassler.  Eingriffe in Grundrechte müssten aber stets verhältnismäßig sein. "Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung findet aktuell allerdings weder durch den Verordnungsministerpräsidenten Söder noch durch die Bundeskanzlerin statt. Das können wir laufend an gerichtlichen Entscheidungen zu Corona-Maßnahmen ablesen." 
 Stefan Müller, CSU-Bundestagsabgeordneter, erkennt keine fehlende demokratische Beteiligung: "Der Auffassung, das Parlament sei nicht beteiligt, widerspreche ich ausdrücklich." Seit März habe der Bundestag in rund 70 Debatten und Ausschusssitzungen über Maßnahmen gesprochen. 
"Wohlfeile Parteipolemik"
  Bei der Kritik der Opposition könne er sich "nur sehr wundern". Die Grünen würden in elf Landesregierungen mitwirken.  "Diese Kritik ist reine, wohlfeile Parteipolemik, die ich angesichts der immensen Herausforderung durch die Pandemie für völlig unangebracht halte." Auch das Konjunkturpaket sei regulär im Bundestag beschlossen  worden.  Ist der Föderalismus bei Corona an Grenzen gestoßen, wie  Markus Söder zuletzt sagte? Er habe ihn so verstanden, dass er bundesweit einheitliche Grundregeln  wolle, so Müller. Den "Wunsch vieler Bürger" nach  Regeln in ganz Deutschland könne er nachvollziehen. Aber es zeige sich, dass der Föderalismus "mit regional passgenauen Maßnahmen zu reagieren, einem zentralistischen Ansatz überlegen ist."   Sonderrechte für den Bundesgesundheitsminister  sollten nicht über den März verlängert oder verstetigt werden, findet Müller.  Martina Stamm-Fibich, SPD Bundestagsabgeordnete, betont, die aktuellen Grundrechtseingriffe seien nötig, um den steigenden Infektionszahlen entgegenzuwirken.   Aber sie müssten sofort aufgehoben werden, wenn die Gefahr gebannt ist und "immer wieder auf ihre Verhältnismäßigkeit”überprüft werden.  Dies müsse das Parlament tun.  Stamm-Fibich weist darauf hin, dass die Befugnisse der  Bundesregierung "auf einer klaren gesetzlichen Grundlage" basieren, die der Bundestag jederzeit widerrufen könne.  Problematisch sehe sie, dass die Abgeordneten nicht gegen einzelne Verordnungen vorgehen können.  Hier brauche es mehr Mitspracherechte. Man könnte Verordnungen  verbindlich an die Zustimmung im  Bundestag knüpfen.   Landtagsabgeordneter Christian Zwanziger (Grüne) kritisiert:"Die Söder-Regierung arbeitet weiterhin mit Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen, die alle zwei Wochen erneuert werden müssen. Das führt zu intransparenten Entscheidungsprozessen und teils unausgewogenen Ergebnissen." Er  wünsche sich mehr Selbstbewusstsein von den Regierungsfraktionen. "Wir dürfen uns nicht darauf verzwergen, das Regierungshandeln zu diskutieren." Das Parlament müsse  der Regierung  Leitplanken setzen.  Mehr Kompetenzen in Berlin brauche es nicht. "Wichtig ist eine gute Koordination - und da ist definitiv Luft nach oben." Einheitlichkeit im Bund wäre möglich gewesen, wenn  Söder geschickter gewesen wäre.   "Bedauerlicherweise war es ihm wohl wichtiger, ständig unabgesprochen nach vorne zu preschen, andere zu maßregeln und die Bühne für persönliche Profilierung zu nutzen."
 Sein Kollege  Walter Nussel (CSU) sieht die Sache anders: Der Landtag habe gestern erst die dritte Regierungserklärung des Ministerpräsidenten  zur Pandemie gehört und debattiert. "Ich empfinde es nicht so, dass wir Abgeordnete zu wenig Gelegenheit hätten, uns in Coronafragen einzubringen." Der Föderalismus stoße an Grenzen,  "insofern, als viele Bürger ein höheres Maß an Einheitlichkeit fordern, weil es tatsächlich schwierig ist, von Bundesland zu Bundesland den Überblick zu behalten", so Nussel.  Alexandra Hiersemann, für die SPD im Landtag, fände es grundfalsch, den Gesundheitsminister grundsätzlich und   weitreichender für Entscheidungen zu ermächtigen. "Es gibt Rechtsprofessoren, die  sprechen von einem neuen ,Hindenburggesetz'." Alleine beim Wort "Ermächtigung" zucke sie schon zusammen. Dass Söder zentrale Steuerung aus Berlin fordere, sei "bemerkenswert". "Er war der, der ständig eigene Regeln für Bayern reklamiert hat." Inhaltlich stehe sie voll hinter den Maßnahmen. Hiersemann erinnert aber an den Parlamentsvorbehalt. "Der Satz: ,Die Krise ist die Stunde der Exekutive' mag zu Beginn richtig gewesen sein. Aber nun sind wir nicht mehr am Beginn." Bei Söder habe sie den Eindruck, "er gefällt sich in der Rolle des großen Machers". Das Ergebnis sei  jedoch in Zahlen nicht zu sehen.