Ülkü ist Muslimin. Trotz ihrer Religion hat sie immer am Schwimmunterricht am Höchstadter Gymnasium teilgenommen. Wie die anderen Mädchen im Badeanzug oder im Bikini. Einen Ganzkörperanzug hat sie noch nie getragen.
Der Gang ins Hallenbad ist für sie selbstverständlich. Schwimmen im Bikini. Mit Jungs zusammen in einem Becken. Für Ülkü ist das völlig normal. Nichts außergewöhnliches. Einen Burkini hat sie noch nie getragen. Und hat es auch nicht vor. Gesicht, Mund und Hände - mehr wäre darin nicht von ihr zu sehen. Der Schwimmanzug mit Kopfbedeckung käme für sie überhaupt nicht in Frage. Trotz ihrer Religion. Denn Ülkü ist Muslimin. "In der Türkei verschleiern sich die Frauen, um sich im Hintergrund zu halten. Hier würde man damit aber eher das Gegenteil erreichen", findet die 17-Jährige.
Gankörperanzug nie verlangt Ülküs Vater ist Türke, ihre Mutter Deutsche. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vor zwei Wochen
(siehe Infokasten), dass muslimischen Mädchen das Schwimmen im Ganzkörperanzug zugemutet werden kann und sie auch den Anblick von Jungen in Badehosen hinnehmen müssen, finden sie alle gut. Ülküs Vater hat nie von ihr verlangt, nicht am Schwimmunterricht teilzunehmen. Und schon gar nicht im Burkini. "Mein Papa ist schon gläubig, aber bei uns war das nie Thema. Er fand es sogar gut, dass es überhaupt einen Schwimmunterricht gibt", erinnert sich die Elftklässlerin.
Deswegen hat sie teilgenommen. Wie alle anderen auch. Schulpflicht und Religionsfreiheit sind für sie vereinbar, bilden keinen Gegensatz. "Den Koran kann man unterschiedlich interpretieren. Manche tun das extremer, andere weniger."
Mit Ülkü besuchen fünf muslimische Schülerinnen das Gymnasium in Höchstadt. Der Schwimm- und Sportunterricht gehört für sie alle dazu. Ohne Ausnahme. Den Wunsch, aus religiösen Gründen nicht teilzunehmen, hat noch kein Mädchen muslimischer Herkunft geäußert. "Ich habe bisher auch noch nie einen Burkini gesehen", sagt Christiane May-David, Fachbetreuerin für Sport.
Dennoch fallen muslimische Mädchen im Sport ihr zufolge hin und wieder auf. Allerdings durch etwas ganz anderes: "Viele muslimische Schülerinnen haben eine geringe Affinität zum Sport. Sie entwickeln oft nicht den Ehrgeiz, haben wenig Vorbildung, sind in keinem Verein", erzählt May-David. Mädchen muslimischer Herkunft müssten nicht sportlich sein, ihre Eltern würden es nicht von ihnen erwarten.
Auch an der Realschule ist der Schwimmunterricht für muslimische Schülerinnen überhaupt kein Problem. "Die machen alle mit", weiß Direktor Reinhard Bum. Und das soll auch so bleiben: "Schwimmen ist Teil der Ausbildung und des Lehrplans. Wenn sie sich dabei lieber verhüllen wollen, hätte ich damit kein Problem", sagt Bum.
Auch Michael Ulbrich, Leiter der Ritter-von-Spix-Schule, hält das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für sinnvoll: "Schwimmen ist für alle unsere Kinder Pflichtunterricht." Bisher hat es auch bei ihm noch nie eine Schülerin gegeben, die vom Schwimmunterricht ausgeschlossen werden wollte.
Doch was würde passieren, wenn es da doch einmal ein Mädchen gäbe, die ihre Religionsfreiheit ausleben möchte und eben nicht gemeinsam mit Jungs in einem Becken schwimmen möchte? Zudem noch leicht bekleidet. "Grundsätzlich müssen alle am Schwimmunterricht teilnehmen", betont Bernd Lohneiß, Direktor des Gymnasiums. Auch May-David schließt sich dem an: "Es geht nicht, dass jemand nicht mitmacht. Ich kann sie zwar nicht ins Wasser stoßen, aber ich würde ihnen klarmachen, wie wichtig der Schwimmunterricht ist." Möglich wäre es ihr zufolge außerdem, die Klasse nach Jungen und Mädchen aufzuteilen, so dass die Schüler zumindest nicht in derselben Bahn schwimmen müssten.
Für Ülkü war das nie ein Problem. Nie Thema. In der Schule hat sie jetzt dennoch lieber Handball belegt, nicht den Schwimmunterricht. "Da kann ich eindeutig mehr Punkte machen", scherzt sie. Und auch privat zieht es sie nicht unbedingt freiwillig ins Schwimmbad. Aber nicht wegen ihrer Religion: "Auf diese Fleisch-Show habe ich einfach keine Lust."
Das Urteil: Eine 13 Jahre alte Gymnasiastin aus Frankfurt am Main hatte geklagt, weil sie aus religiösen Gründen eine Befreiung vom gemeinsamen Schwimmunterricht von Jungen und Mädchen erreichen wollte. Die Eltern marokkanischer Abstammung beantragten zuvor bei der Schule, dass ihre Tochter vom sogenannten "koeduktiven Schwimmunterricht" befreit werden sollte - diese lehnte dies jedoch ab. Genauso wie das Bundesverwaltungsgericht.