Wolfgang Herrndorfs "Tschick" erstmals in Coburg

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Ingo Paulick (links) und Oliver Baesler begeistern in Wolfgang Herrndorfs "Tschick" in der Coburger Reithalle. Foto: Henning Rosenbusch
Ingo Paulick (links) und Oliver Baesler begeistern in Wolfgang Herrndorfs "Tschick" in der Coburger Reithalle. Foto: Henning Rosenbusch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Wolfgang Herrndorfs "Tschick" erlebt seine Coburger Erstaufführung. Die Premiere in der Reithalle ist zugleich das Regiedebüt von Frederik Leberle.

Maik und Tschick brechen auf ins Ungewisse. Eigentlich haben die beiden Vierzehnjährigen wenig gemeinsam. Zwar sind sie beide Außenseiter in ihrer Klasse, aber doch Außenseiter aus ganz unterschiedlichen Gründen. Maik kommt aus einer scheinbar gut situierten Familie, die in einer Villa mit Pool wohnt.

Seine Klassenkameraden aber haben ihm dem Spitznamen Psycho verpasst, seit er in einem Deutsch-Aufsatz ganz ungeschminkt darüber geschrieben hat, dass seine Mutter eine Alkoholikerin ist, deren Besuch einer Wellnessklinik in Wahrheit eine Entziehungskur ist. Und Tschick, der eigentlich Andrej Tschichatschow heißt, kommt aus dem Heim und stammt aus einer russischen Spätaussiedlerfamilie. Tschick verleitet Maik dazu, mit ihm in einem gestohlenen alten Lada einfach loszufahren.
Wohin? "In die Walachei", sagt Tschick.

Aufbruch ins Abenteuer, Aufbruch in die unbekannte Ferne - ohne Handy, ohne Landkarten, nur getrieben von der Sehnsucht nach einem Glück, das die beiden 14-Jährigen noch gar nicht benennen können. Mit Wolfgang Herrndorfs "Tschick" gibt Frederik Leberle jetzt in der Coburger Reithalle sein Debüt als Regisseur. In ruhigen Bildern und mit feinem Gespür für die leise Poesie des Textes bringt Frederik Leberle diese Geschichte auf die Bühne. Seine Regie schielt nicht auf äußere Originalität, sondern vertraut auf die Kraft der Geschichte, die mit feinem Stilgefühl entfaltet wird.

Udo Herbster hat dazu die perfekt passende Ausstattung entworfen. Einige verschiebbare, halb mannshohe Podien, ein gutes halbes Dutzend ausrangierter Autoreifen, dazu einige Requisiten - mehr braucht Herbster nicht, um den Rahmen für ein Road Movie auf der Theaterbühne zu schaffen. Herbsters Ausstattung eröffnet Räume für Assoziationen, die Leberles Regie geschickt nutzt, um innere Bilder entstehen zu lassen.

Vor allem aber beweist Leberle, der seit vier Jahren dem Schauspielensemble des Landestheaters angehört, sein Geschick in der Personenführung. Oliver Baesler als Maik und Ingo Paulick in der Titelrolle als Tschick beeindrucken das Premierenpublikum in der Reithalle durch ihr intensives, aber dennoch nie übertriebenes Spiel. In pausenlosen eineinhalb Stunden erfüllen sie die in der Rückblende erzählte Geschichte dieser zwei jungen Ausreißer mit packendem Leben.

Eine wichtige Rolle in dieser Coburger Erstaufführung spielt die Musik. In der Rolle des Eddie spielt Boris Stark an der Gitarre den musikalischen Stichwortgeber des Abends, der den Soundtrack dieser Ausreißergeschichte liefert. Am Ende gibt es ebenso lautstarken wie ausdauernden Beifall des begeisterten Premierenpublikums für die Darsteller wie für das souveräne Regie-Debüt.


Sie bringen Wolfgang Herrndorfs "Tschick" auf die Bühne der Coburger Reithalle


Theater-Tipp "Tschick" - Schauspiel nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf - 9., 14., 15., 16., 18. November, 20 Uhr, 27. November, 11 und 20 Uhr, 29. November, 3., 4., Dezember, 20 Uhr, 16. Dezember, 11 Uhr, 17. Dezember, 20 Uhr, 18. Januar, 18 Uhr, 30., 31. Januar, 20 UhrTheater in der Reithalle

Produktionsteam Inszenierung: Frederik Leberle; Bühnenbild und Kostüme: Udo Herbster
Dramaturgie: Dirk Olaf Hanke

Darsteller Maik: Oliver Baesler
Tschick: Ingo Paulick
Eddie: Boris Stark

Darum geht's "Psycho", so nennen die Klassenkameraden den 14-jährigen Maik. Ansonsten beachten sie ihn überhaupt nicht. Am ersten Ferientag fühlt Maik sich wie ein Schiffbrüchiger, schier endlos liegen die anstehenden Wochen vor ihm. Die Ferien, das bedeutet, die Zeit alleine am Pool der elterlichen Villa verbringen, denn die Mutter ist in der "Wellnessklinik" - die eigentlich eine Entzugsklinik ist -, sein Vater mit seiner jungen Assistentin auf Geschäftsreise unterwegs. Doch dann kreuzt Tschick in Maiks Klasse auf. Was Maik mit Tschick in diesen Sommerwochen erlebt, stellt jede Party in den Schatten: ein geklauter schrottreifer Lada, keine Handys, keine Landkarte und ab in die Walachei. Plötzlich riecht alles nach Abenteuer und die Freiheit scheint grenzenlos. Wolfgang Herrndorf, der im Sommer 2013 aus dem Leben schied, wurde im Jahr 2011 für "Tschick" mit dem Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg ausgezeichnet.