Die Stadt ist vielerorts durch Engagement der Eigentümer in ein "Schatzkästchen" verwandelt worden. Das beweist ein Rundgang, initiiert vom CHW.
Oft wird die historische Altstadt von Seßlach als "oberfränkisches Rothenburg" bezeichnet. Martin Brandl vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLFD) drehte den Vergleich um: "Rothenburg ist das mittelfränkische Seßlach!" Anhand von drei Praxisbeispielen im "Schatzkästchen" Seßlach zeigte der Kunsthistoriker auf Einladung des Geschichtsvereins CHW (Colloquium Historicum Wirsbergense), welche Chancen angewandte Denkmalpflege bietet.
Ein offensichtlich spannendes Thema: Rund 100 Interessierte waren in die Seßlacher Altstadt gekommen. "Dr. Brandl lebt vor, dass das Landesamt der Freund der Eigentümer ist - und nicht ihr Feind", lobte Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold zu Beginn des Rundgangs.
Glückliche Denkmaleigentümer
"So sehen glückliche Denkmaleigentümer aus!", stellte Brandl zunächst das Ehepaar Manuela und Peter Hofmann
mit den Töchtern Lilly und Leni vor. Für die gelungene Sanierung eines Anwesens in der Pfarrgasse 112 haben die Hofmanns die bayerische Denkmalschutzmedaille 2015 bekommen. Nach Ersteigerung des Grundstücks mit zwei Wohnhäusern und einer Scheune musste die junge Familie 2012 erst einmal Tonnen von Müll beseitigen. Aus dem Wohnhaus von 1688 habe der "solide Mehrhandwerker" mit viel Geschick und Verstand wieder etwas Ansehnliches gemacht. "Es ist ein Traum", kommentierte Brandl, "so schön können Sie mit und hinter einem Denkmal leben."
Besonders auffällig an dem Wohnhaus ist das schöne Fachwerk. "Fachwerk ist fränkisch, man soll es zeigen", meinte Brandl. Der Denkmalexperte erinnerte an den Seßlacher Heimatpfleger Hans Reiser, den Mitbegründer des Frankenbundes, der sich um Zuschüsse für die Freilegung dieses "für Franken typische Phänomens" bemühte.
"Hans Reiser wollte ein schönes Stadtbild, das hat er auch bekommen", sagte der Kutzenberger. Allerdings sei dies oft mit nicht denkmalgerechten Materialien wie Dispersionsfarbe und Zementputz geschehen. Weil dann der Luftaustausch fehle oder der Putz für das arbeitende Holz zu hart sei, komme es zu Hausschwamm und Würfelbruch. "Das war's dann mit dem Fachwerk", so Brandl. Er fügte hinzu: "Wir wollen und können Leute nicht mit Gewalt zu etwas zwingen. Stattdessen setzen wir auf den guten Willen und die Einsicht der Eigentümer."
Die Geschmäcker sind verschieden
Wie die Meinungen über Maßnahmen auseinandergehen können, zeigt das Beispiel des Pfarrhofs mit dem modernen Pfarrzentrum. Eine Lösung, die Brandl wie Dippold für gelungen halten.
Beim benachbarten Hattersdorfer Tor, das nach seiner Zerstörung durch einen Autofahrer ersetzt werden musste, habe sich die Stadt große Mühe gegeben, den authentischen Charakter zu bewahren, lobte der Denkmalpfleger. "Was zu retten war, wurde wiederverwendet. Das neue Tor blieb unbehandelt, um es in Würde altern zu lassen", sagte er. Ein "graues Entlein" (Brandl) ließ Ingo Rickhaus in der Pfarrgasse 106 in ein stattliches Gästehaus für den Pörtnerhof umbauen. "Hier können Sie unter echtem Seßlacher Stuck schlafen", warb der Referent. Wie die von der Bauaufsicht verlangte Fluchttreppe in den kleinen Hof eingepasst wurde, nötigte ihm Respekt ab: "Wenn sich Bauvorschriften gegenseitig behindern, ist Kreativität gefragt." Und Knowhow: Ein komplizierter Dachstuhl, schmale Fachwerkwände und die Wärmedämmung und vieles mehr stellten Herausforderungen dar.
Umbau gefordert
Stark umstritten waren das villenähnliche Haus in der Flenderstraße 40 und die angrenzenden Neubauten, die nach dem Großbrand 1905 entstanden. Noch 1936 plädierte eine Heimatzeitschrift für den Umbau dieser Häuserzeile, berichtete Brandl, weil sie "das Stadtbild verschandelte". Er präsentierte die damaligen Alternativvorschläge, die "diese Fachwerkorgie beseitigt hätten".
Das Fachwerkhaus in der Flenderstraße 90, in dessen Sanierung Bauingenieur Martin Burgsmüller fast 5000 Arbeitsstunden gesteckt hat, ist ein gutes Beispiel für spätmittelalterliche Architektur. Dendrochronologische Untersuchungen datieren das Wohnhaus auf 1543. Außergewöhnlich sei auch die Bohlenstube im ersten Stock, auch "gute Stube" genannt.
Burgsmüller: "So etwas sieht man heute nur noch in Museen."
Professor Dippold wies am Ende darauf hin, dass, wer saniere, auch etwas für die Allgemeinheit tue. Er sagte: "Am Stadtbild Seßlachs lässt sich ablesen, dass man sich hier mit den Eigentümern und der Pflege von Denkmälern identifiziert."