Die Veranstaltungen, mit denen die Volksparteien am Aschermittwoch den Wahlkampf in Coburg einläuteten, verdienen eine Nachbetrachtung.
SPD: Inhalt gesucht
Man muss nicht immer alles so machen wie immer. Damit hat Doris Aschenbrenner schon recht: Wenn sie Wahlkampf machen will, muss sich ihre Persönlichkeit darin spiegeln. Und wenn Aschermittwochreden nicht ihr Ding sind, dann muss sie auch keine halten. Sie hat durchaus Argumente dafür: Politiker dreschen aufeinander ein, aber keiner nimmt das ernst, und hinterher haben sich alle wieder lieb. Wirkt nicht sehr glaubwürdig, vor allem, weil es inzwischen ganzjährig so zugeht und nicht nur am Aschermittwoch.
Also etwas anderes. Man hätte sich also am Mittwochabend bei der SPD eine Rede von Patrick Dahlemann anhören können. Der junge Mann (gerade mal 28) ist immerhin schon Staatssekretär in der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern. Er hätte erzählen können, wie man sich gegen Rechtspopulisten behauptet, er hätte etwas darüber erzählen können, wie ein Land damit umgeht, wenn die Bevölkerung in manchen Regionen so sehr zurückgeht, dass die Infrastruktur kaum noch aufrecht zu erhalten ist. Gut möglich, dass solche Themen im Wahlkreis
Coburg/Kronach auch mal anstehen, mit Blick auf den Frankenwald.
Aber die Kandidatin für den Bundestag muss ja auch etwas sagen. Also traten sie beide auf die Bühne, sprachen abwechselnd. Das hatte zwar einige unterhaltsame Momente, Dahlemann zeigte sich im Umgang mit dem Publikum als spontan und schlagfertig, aber insgesamt geriet dieser Dialog zu lang. Mit Horst Seehofer als "Diktatorenbeschmuser" und Julia Klöckner (Rheinland-Pfalz) als "dauergescheiterte Stänkerliese" enthielt er überdies die üblichen Aschermittwochsschmähungen. Inhalt? Ja, ein bisschen: Die beiden Jungpolitiker bekannten sich zu den Traditionen der SPD, zum freiheitlichen Europa, warnten vor Rechtsextremismus. Aber es kam nichts zu Stromtrassen, Internet-Ausbau, Verkehrsanbindung, Zukunftsweisendes für die Region.
Jung, weiblich, kompetent (ja, an einigen Stellen blitzte Aschenbrenners Kompetenz in Sachen IT durch) reicht nicht als Wahlprogramm. Da werden nicht nur die Genossen im Raum Coburg/Kronach mehr sehen wollen, vor allem, wenn sich Hans Michelbach von der CSU als angreifbar erweist. Doris Aschenbrenner muss sich bewusst machen, dass sie nicht irgendwo kandidiert, sondern hier. Und hier gewählt werden muss und das Direktmandat braucht. "Jetzt ist Schulz" mag nach Jahren kalter Hoffnungslosigkeit ein wärmender Spruch sein für die SPD. In den Bundestag bringt er niemanden. Da muss die Kandidatin selber liefern.
Simone Bastian
CSU: Basis gesucht
Liebe Coburger CSU, mit Verlaub, aber was war denn das? Zum Politischen Aschermittwoch kamen gerade mal rund 20 der insgesamt mehr als 300 Mitglieder. Eine motivierte Basis zu Beginn eines Wahlkampfjahres sieht anders aus. Naja, immerhin hat Jürgen Oehm versucht, die wenigen Anwesenden mit einer launigen Rede zu unterhalten. Launig?
Man könnte auch sagen: Die Rede war frech. An einem Politischen Aschermittwoch wäre das sogar okay. Die Rede ging aber auch unter die Gürtellinie und enthielt schräge Aussagen. Oehm warf seinem ehemaligen Parteifreund Gerhard Amend (heute CSB) vor, "OB-Souffleur" zu sein. Oehm schilderte, dass, wer beim Oberbürgermeister nichts erreiche, einfach zu Amend gehe - und dann bewege sich der OB. Indirekt räumte Oehm damit ein, dass die CSU/JC-Fraktion, die für sich stolz reklamiert, die größte Gruppe im Stadtrat zu sein, weniger Durchsetzungsvermögen im Rathaus hat als ein einzelnes Mitglied der gerade mal vierköpfigen CSB-Fraktion.
Aber Oehm sagte noch mehr seltsame Dinge. Etwa, dass die CSU-Chefin und Zweite Bürgermeisterin Birgit Weber den Tourismus in Coburg "beflügele". Nur mal zur Erinnerung: Das aktuelle Tourismus-Konstrukt in der Vestestadt funktioniert mehr schlecht als recht. Eine Umstrukturierung ist dringend erforderlich. Ein konkreter Vorschlag liegt auch schon auf dem Tisch. Und wer hat den unterbreitet? Nein, nicht Birgit Weber, sondern der IHK-Präsident (und CSU-Stadtrat) Friedrich Herdan und ein Stadtrat namens - ja, Sie lesen richtig - Gerhard Amend.
Auch die neue SPD-Fraktionsvorsitzende Petra Schneider knöpfte sich Oehm vor. Er verglich sie mit einer Beißzange und meinte, dass man mit Schneiders Vorgängerin "besser und intellektueller" habe zusammenarbeiten können. Mag sein, dass dies die derben Töne sind, die zu einem Politischen Aschermittwoch gehören. Zu einer konstruktiven Zusammenarbeit in der Stadtpolitik gehören sie nicht.
Nein, die Coburger CSU hat am Politischen Aschermittwoch kein gutes Bild abgegeben. Weder inhaltlich (Hans Michelbachs Grundsatzrede mal ausgenommen) noch gruppendynamisch (oder haben die Grundsatzrede schon zu viele Mitglieder zu oft gehört?). Aber in wenigen Monaten müssen wieder fleißig Plakate geklebt und Infostände besetzt werden. Bis dahin wäre eine motivierte Basis wichtig. Nächste Gelegenheit, es zu versuchen, besteht bereits in wenigen Wochen bei der Hauptversammlung des Kreisverbands. Ob Birgit Weber bei den turnusmäßigen Neuwahlen wieder als Vorsitzende kandidiert, ist noch offen.
Oliver Schmidt