Zur Aufregung ums diesjährige Abitur am Casimirianum.
Ein Punkt rauf oder runter. Lohnt da die Aufregung überhaupt? Burkhard Spachmann hat es doch gut gemeint. Welch ein Aufschrei wäre zu erwarten gewesen, wenn die Noten nach unten korrigiert worden wären? Aber so?! Ich bitte Sie.
Immerhin: Ein Punkt nach oben entscheidet vielleicht über Nachprüfung ja oder nein, über die Drei oder die Vier, über den Schnitt der Einser- und Zweierabiturienten insgesamt, ob einer durchfällt oder nicht. Ein Punkt mehr heißt auch, sich über 186 Korrekturen aus dem werten Kollegenkreis hinwegzusetzen - ohne darüber noch einmal gesprochen zu haben. Ein Punkt mehr bedeutet in diesem Fall, die Schulordnung außer Kraft zu setzen und eigenmächtig zu handeln. Ein Punkt mehr - und ein persönliches Risiko ist in Kauf genommen.
Warum?
"Vor dem Hintergrund, der zu dem Zeitpunkt gegebenen Fakten und der fachlich-pädagogischen Notwendigkeit musste OstD Spachmann zur Wahrung der Rechte der Abiturienten als Abiturprüfungsvorsitzender in Abwägung aller weiteren Folgen, etwa auch für sich persönlich, diesen, auch hier an der Schule ungewöhnlichen Schritt in Anwendung des Instruments des Drittentscheids wählen", heißt es in der Stellungnahme des Casimirianums. Mit seinen ganz eigenen Worten hat gestern Burkhard Spachmann auf die Überprüfungsergebnisse durch das Kultusministerium reagiert. Der Direktor des Casimirianums fühlt sich - trotz seines Handelns, das "schulrechtlich so nicht vorgesehen ist" - rehabilitiert.
Dass er lediglich im Fach Deutsch eingegriffen habe und es in keinem anderen Fach eine Veränderung der Ergebnisse des Erst- und Zweitkorrektors gab, bestätigt für ihn die Ausnahmesituation "und die für das Casimirianum stets geltende hohe Qualität der Arbeit an dieser Schule - und das seit gut 408 Jahren".
So kann man es natürlich auch sehen. Aber braucht es dazu eine Notenaufbesserung von 14 auf 15 Punkte, wenn Erst- und Zweitkorrektor sich doch einig waren? Über die Bewertungspraxis und -kriterien insbesondere im Fach Deutsch werden künftig externen Berater und Experten mitdiskutieren. Das verriet uns gestern der Pressesprecher des Kultusministeriums.
Selbst von 1993 bis 1998 im Kultusministerium als Mitarbeiter in der Gymnasialabteilung tätig, weiß Spachmann sehr wohl, wie man das schwarze Fleckchen auf der sonst so weißen Weste wegbügelt: Die "wertvollen Erkenntnisse" aus der Überprüfung bilden die Grundlage für die weitere Arbeit im Fach Deutsch am Casimirianum - immer mit Blick auf die Schüler und deren Wertschätzung im Rahmen unserer verantwortungsbewussten Bildungs- und Erziehungsaufgaben." Dies sei schließlich die zentrale Aufgabe einer jeden Lehrkraft, "eines Pädagogen im griechischen Wortsinn".
Wo wir beim eigentlichen entscheidenden Punkt wären: den Bildungs- und Erziehungsaufgaben.
Die ganze Debatte um die "Schönung der Abiturnoten" hat nämlich gezeigt, dass - Punkt rauf oder runter - das bayerische Schulsystem als solches auf dem Prüfstand steht. Es fehlt das Vertrauen.
Vertrauen in die Entscheidungen des Kultusministeriums. Was hat denn G8 gebracht? Höhere Durchfallraten an den Gymnasien. Wo sonst nahezu alljährlich das Casiglöckchen läutete, klingelt heuer die Zahl von 6,5 Prozent der Abiturienten, die es nicht geschafft haben, in Coburgs Ohren. Auch die Hochschulen klagen. Immer mehr Studienabbrecher nach dem ersten Jahr, weil die Anforderungen nicht erfüllt werden können. Zu viel Stoff in viel zu kurzer Zeit soll in die Köpfe unserer Kinder, die sich kaum noch konzentrieren können, die von der dritten Klasse an unter Leistungsdruck stehen - von Schule und Eltern! Wieder fehlt das Vertrauen. Vertrauen, dass unsere Kinder ihren Weg gehen werden - auch ohne Abitur in der Tasche.
Das Vertrauen in die Lehrer, die unsere Kinder einzuschätzen vermögen und ihnen den Weg weisen, ist pauschal leider nicht auszusprechen.
Schule ist nun mal lehrerabhängig.
Wie übrigens die Noten im Fach Deutsch schon immer - von der Grundschule bis in die Qualifikationsstufe (früher Oberstufe).
Gute Lehrer motivieren ihre Schüler, da stehen Authentizität und Pädagogik neben einander. Der gute Lehrer traut dem Schüler zu, seine Leistung abzurufen. Dem guten Lehrer vertraut der Schüler. Leider gibt es aber eben auch eine ganze Reihe anderer Lehrkräfte, die dann zum Leidwesen und Schaden aller, ein Leben lang unkündbar sind und deren Waffen letztendlich immer die spitzen Rotstifte sind.
Burkhard Spachmann hat nach oben korrigiert. Er sah darin "eine fachlich-pädagogische Notwendigkeit". Was auch immer das bedeutet. Das Kultusministerium gibt ihm recht. Letztlich konnten so mögliche 93 rechtliche Auseinandersetzungen von Schülern und Eltern gegenüber der Schule und dem Freistaat
Bayern abgewendet werden. Punkt für Spachmann. Rauf oder runter.
mit welchen Leistungen man an welchem Gymnasium welche Bewertung erzielen kann.
Mit schönen Worten lässt sich die Sache nicht mehr aus der Welt schaffen:
Man denke nur an die Benachteiligung derjenigen Abiturienten, die sich wie die bevorzugten Casi-Schüler einem NC-Verfahren stellen müssen und denen kein zusätzlicher Punkt "geschenkt" wurde.
Ich kann die Empörung von Schülern, Eltern und Lehrern in ganz Bayern über dieses Vorgehen des Schulleiters gut verstehen!