Das Neujahrskonzert im Coburger Musentempel lockt in diesem Jahr viele auswärtige Besucher an. Sie erleben ein Programm, dass keine aufgesetzte Fröhlichkeit braucht, um das Publikum dennoch zu begeistern.
Die Silvesterraketen sind längst verglüht, die letzten Silvesterkracher sind gezündet. Am Neujahrsabend darf es deshalb durchaus ein wenig ruhiger, ein wenig besinnlicher klingen. "Neujahrskonzerte müssen ja nicht immer so knallbunt sein wie in Wien", versichert jedenfalls Coburgs Generalmusikdirektor Roland Kluttig und serviert den zahlreichen Zuhörern im Landestheater eine Programmfolge, die im ersten Teil viel Raum für leise Töne bietet.
Dvoráks "Legenden" zum Auftakt Bewusst verzichtet Kluttig im ersten Teil auf lautstarke Polka-Fröhlichkeit oder lärmenden Schwung. Von Antonin Dvorák gibt es deshalb zum Auftakt keine Auswahl der effektvollen "Slawischen Tänze", sondern zwei der Legenden aus Opus 59 - ruhige, gesangliche Stücke, die ursprünglich in einer Fassung für Klavier zu vier Händen entstanden.
"Biblische Lieder" Die 1882 vorgelegte Orchesterfassung bietet eine Fülle von Klangfarben, die das Philharmonische Orchester mit feinen abgestuften Nuancen aufblühen lässt. Ruhige, bisweilen gar melancholische Töne dominieren in Dvoráks Zyklus "Biblische Lieder". Mit sieben der insgesamt zehn Lieder stellt sich der junge tschechische Bariton Jiri Rajnis als Konzertsänger vor. Rajnis, der erst seit Herbst dem Ensemble des Landestheaters angehört, zieht das Publikum gleichermaßen durch seine Gestaltungskraft wie durch den Wohlklang seiner stets sicher geführten, warm timbrierten Stimme in Bann.
"Beten muss man diese Lieder" Der verinnerlichte Gestus seiner Interpretation passt genau zum innigen Gestus dieser Lieder, über die der Komponist einst schrieb: "Nicht nur singen, beten muss man
diese Lieder".
Enescos "Rumänische Rhapsodie" Dass sich Melancholie und rhythmischer Elan sehr wohl vertragen können, beweist dann der zweite Teil. Zum Auftakt nach der Pause: die erste "Rumänische Rhapsodie" von George Enescu. Das Werk gilt als veritabler Reißer, hat dem Komponisten mit seiner schier unverwüstlichen Popularität freilich nicht nur Freude bereitet.
Denn das übrige Schaffen Enescus geriet im Schatten dieser Rhapsodie weitgehend in Vergessenheit.
Virtuos Dass sich in dieser rhythmisch schwungvollen Rhapsodie freilich auch "packender Witz" entdecken lässt, beweist Kluttig mit seiner Deutung.
Unter seiner Leitung spielt sich das Philharmonische Orchester in einen Rausch und verlockt das Publikum mit seiner virtuosen Darbietung zum verfrühten Applaus.
Morbider Walzer-Charme Die Suite aus der Bühnenmusik zu "Maskerade" von Aram Chatschaturjan bildet den Abschluss. Mit feinem Stilgefühl und Gespür für das jeweils richtige Tempo lässt Roland Kluttig den zwischen Melancholie und Ironie pendelnden Facettenreichtum der fünf Sätze entfalten - vom morbiden Walzer-Charme des ersten Satzes bis zum turbulenten Galopp als Finale. Das Publikum ist verständlicherweise restlos begeistert und erklatscht sich schließlich noch zwei Wiederholungen als Zugabe - zunächst den furiosen Galopp und dann den Walzer.