Während ihrer Tour entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze bekamen die wandernden Redakteure so manche Geschichte und Anekdote erzählt.
Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer war zur Zeit des Mauerfalls Polizist beim Bundesgrenzschutz. Außer vielen beklemmenden Erfahrungen ist ihm auch noch eine Begegnung mit dem damaligen Bürgermeister von Poppenhausen im Dezember 1989 gut in Erinnerung. "Als er mir erzählte, dass sein Dorf nur 128 Einwohner hat, habe ich gesagt, dass er dann wohl bestimmt nur ehrenamtlicher Bürgermeister sei. Aber daraufhin erklärte er mir Folgendes: Eigentlich habe er ja Traktorist werden wollen. Doch er habe dann mitgeteilt bekommen, dass es bereits drei Traktoristen in Poppenhausen gebe und er deshalb lieber Bürgermeister zu werden habe." Gesagt, getan und Kopf geschüttelt - denn Tessmer ergänzt noch dieses: "Der Bürgermeister berichtete mir, dass es in diesem kleinen Dorf einen 21-köpfigen Gemeinderat gibt.
Bei 128 Einwohnern!" Im Brustton der Überzeugung habe der Bürgermeister dazu angemerkt: "Ja, und ihr sagt immer, wir haben keine Demokratie!"
Offizier auf der Flucht Auch Peter Ebertsch, der seit einem Jahr Bürgermeister von Tettau ist, hatte beim Treffen mit den Grenzwanderern von Coburger Tageblatt und Radio Eins eine Anekdote parat. Ebertsch arbeitete als Zollbeamter an der innerdeutschen Grenze, und eines Tages gelang einem DDR-Offizier die Flucht in den Westen. "Ich habe ihm ein Bier gegeben", erinnert sich Peter Ebertsch, allerdings sei es von einer Marke gewesen, die im Landkreis Kronach nicht unbedingt als besonders gut galt.
Doch was passierte? "Der Offizier meinte, das Bier würde vorzüglich schmecken." Ebertsch kombinierte trocken: "Da wusste ich, dass es den Menschen in der DDR nicht gut gehen kann."
Eine schöne Begegnung hatten die wandernden Redakteure in dem thüringischen Dorf Mogger: Eine ältere Frau hatte in Sonneberg eingekauft und stieg mitsamt ihrem Rollator aus dem Bus. Erst wollte sie nichts sagen über "damals". Aber dann kam sie doch ins Plaudern. Vor allem war sie erfreut, dass sich "junge Leut'" aus Coburg so sehr für die Geschichte interessieren. Am Ende des Gesprächs griff sie in den Korb des Rollators, holte eine Packung Studentenfutter heraus und schenkte sie ihnen: "Zur Stärkung für den weiteren Weg!"
Um eine Stärkung ging es eigentlich auch nur, als die Redakteure in Mupperg eine Bäckerei betraten.
Dort sollten sie aber auf Kristina Mertinatsch treffen - und es kam zu einem langen, bemerkenswerten Gespräch.
Zeitzeugin am Sonntag im Radio Kristinas Mertinatschs Bruder hatte 1972 einen Fluchtversuch unternommen und war dabei auf eine Mine getreten. Er verlor einen Arm und sein Augenlicht. Die Kollegen von Radio Eins haben Kristina Mertinatsch spontan in die Sendung "Menschen" eingeladen; sie ist an diesem Sonntag, 9. November, live von 10 bis 12 Uhr zu hören.
Und dann war da auch noch Willi Sommer: Der Metzger aus Lautertal war gerade zufällig in Neustadt bei Coburg unterwegs, als er auf die Grenzwanderer traf - und ihnen spontan aus dem Laderaum seines Autos belegte Brötchen reichte. Eine kulinarische "Grenzerfahrung" war hingegen die sehr ungewöhnlich anmutende Pizza, die es in einem Lokal in Streuf dorf gibt: belegt mit Dönerfleisch, Broccoli und Krabben. Ob da zusammen ist, was zusammengehört?
os