Stimmkreis Coburg: Ina Sinterhauf will das Direktmandat für die Grünen

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Ina Sinterhauf ist in Coburg angekommen. Seit 2002 lebt sie hier und kann sich inzwischen gut vorstellen, hier Wurzeln zu schlagen. Foto: Ulrike Nauer
Ina Sinterhauf ist in Coburg angekommen. Seit 2002 lebt sie hier und kann sich inzwischen gut vorstellen, hier Wurzeln zu schlagen.  Foto: Ulrike Nauer

Dass Ina Sinterhauf den Weg in die Politik fand, ist zu einem großen Teil ihrem Elternhaus zu verdanken, wo immer viel und gerne diskutiert wurde.

In den 1980er Jahren starb der europäische Wald am sauren Regen, der Rhein war nach einem Chemieunfall bei der Schweizer Firma Sandoz verseucht und in der ukrainischen Stadt Tschernobyl explodierte am 26. April 1986 ein Reaktor im Kernkraftwerk. "Ich bin Jahrgang 1976, das heißt meine Kindheit war in meiner Wahrnehmung geprägt von ganz vielen Umweltskandalen", erinnert sich Ina Sinterhauf.

Für die 42-Jährige, die am 14. Oktober für die Grünen in den Bayerischen Landtag einziehen will, waren das prägende Momente ihrer Kindheit. "Dadurch habe ich das Gefühl entwickelt, diese Natur ist verletzlich und zerstörbar. Man hat ganz konkret gesehen, was verloren gegangen ist." Dass damals ganz allgemein viel über politische Themen gesprochen wurde, habe schließlich auch sie "politisiert". Aber auch ihr Elternhaus war mit verantwortlich dafür, dass die gebürtige Mittelfränkin irgendwann den Weg in die aktive Politik einschlug.

Volljährig im Superwahljahr '94

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"Politik war ein Thema bei uns. Meine Eltern haben uns immer erklärt, was sie wählen, und warum", erzählt Ina Sinterhauf. Dass sich ihre Eltern dabei nicht immer einig waren und - je nach Thema - zum Beispiel bei Landtagswahlen anders abstimmten als bei Bundestagswahlen, habe ihr letztlich deutlich gemacht, dass Politik etwas mit dem Alltag der Menschen zu tun habe. "Das ist nichts Abstraktes, was irgendwo anders passiert, sondern etwas, das sich auswirkt, und deshalb ist es wichtig, sich Gedanken zu machen, wem man seine Stimme gibt."

1994 wurde Ina Sinterhauf volljährig und durfte zum ersten Mal ihre Stimme abgeben - nicht nur einmal, sondern gleich viermal, denn im "Superwahljahr" 1994 standen Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und auch noch Europawahlen an. Die damals 18-Jährige nahm ihre neue Entscheidungsfreiheit sehr ernst und sah sich die Wahlprogramme verschiedener Parteien ganz genau an. "Dann war klar, dass es für mich die Grünen sind", sagt sie. Bis sie der Partei beitrat, vergingen allerdings noch weitere 17 Jahre. Es sei zwar immer wieder einmal Thema für sie gewesen, habe aber wegen der Lebensumstände erst 2011 so richtig gepasst.

Seit 2002 lebt Ina Sinterhauf in Coburg. Nach ihrem Architektur-Studium in Dresden hatte sie sich deutschlandweit beworben und hier eine Stelle gefunden. Zwar sei ihre Beschäftigung im öffentlichen Dienst noch immer befristet, aber inzwischen könne sie sich vorstellen, in Coburg Wurzeln zu schlagen, erzählt sie. "Dieses Heimatgefühl hatte ich bis dahin nicht, das ist etwas, was ich aus meiner Kindheit nicht kannte."

Weil ihr Vater mehrmals den Job wechselte, zog Ina Sinterhaufs Familie oft um. Geboren ist sie in Treuchtlingen, eine echte Fränkin also. Danach wohnte die Familie am Rhein und lange in Hessen. Bis zur 7. Klasse besuchte sie die Schule in Eschwege. "Als ich 13 war, sind wir nach Schweinfurt gezogen." Schweinfurt beziehungsweise Franken sei für sie heute durchaus Heimat.

Die Grenze zwischen Heimatliebe und ungesundem Nationalstolz verschwimmt zunehmend, wie man an Beispielen wie Chemnitz sieht, doch solche gesellschaftlichen Entwicklungen machen Ina Sinterhauf keine Angst. "Man muss sich darauf einstellen", sagt die 42-Jährige. "Es ist wichtig, zu wissen, wie die Welt strukturiert ist. Wenn ich Politik mache, muss ich zwangsläufig in die Öffentlichkeit, sonst erreiche ich ja niemanden mit meinen Ideen. Dazu muss ich auch wissen, wie ich die Öffentlichkeit ansprechen kann oder worauf ich achten muss."

Aber schüttelt sie nicht manchmal den Kopf über ihre Mitbürger? "Ich habe eine sehr positive Haltung zu Menschen", betont sie - "selbst wenn Menschen manchmal Dinge tun, die selbstzerstörerisch sind, die ihnen nicht weiterhelfen. Aber ich glaube, es gibt immer gute Beweggründe - die ich von außen vielleicht manchmal nicht verstehen kann."

Dass inzwischen so viel mehr Parteien die Chance auf den Einzug ins Parlament haben wie noch vor ein, zwei Legislaturperioden, mache es den Bürgern eher schwerer, sich zu entscheiden, glaubt Ina Sinterhauf. Eine hundertprozentige Übereinstimmung von Bürgerwunsch und Parteiprogramm gebe es sowieso nicht - selbst bei ihr und ihren Grünen nicht. "Es gibt auch Dinge, wo ich anderer Meinung bin. Wir kommen vielleicht auf 90 Prozent", sagt sie lachend, aber: "Ich überprüfe es jedesmal beim Wahl-O-Mat, das ist immer sehr eindeutig!"

Eine Wahl, fünf Themenfelder - und was sagt Ina Sinterhauf dazu?

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Welche Ideen haben Sie, um Wohnen für alle in Bayern bezahlbar zu machen? - Wir sehen, dass die Mietpreisbremse in der jetzigen Form nicht funktioniert. Die Mieten sind vielerorts weiter gestiegen, sogar stärker als vorher. Wir müssen deshalb nachsteuern, etwa bei den Ausnahmen für Neubauten und Modernisierungen. Ein zweites Thema ist die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Hier muss sich der Freistaat wieder deutlich mehr engagieren.

Wie wollen Sie Eltern bei der Kinderbetreuung unterstützen/entlasten? - Ich finde das Wort "entlasten" schwierig, das klingt, als wären Kinder vor allem eine Belastung. Was Eltern brauchen, ist eine Möglichkeit, die verschiedenen Anforderungen, die das Leben stellt, zusammenzubringen. Wir brauchen deshalb mehr Kinderbetreuungsplätze, vor allem für unter Dreijährige, und eine zeitlich flexiblere Kinderbetreuung. Außerdem müssen wir in die Qualität investieren: Ich sehe Kinderbetreuung nicht nur als Betreuung, sondern als Bildungschance, und zwar für die Persönlichkeits- und die Kompetenzentwicklung, und da gibt es noch große Unterschiede zwischen den Kindertagesstätten. Welche Maßnahmen können Sie sich gegen die zunehmenden Flächenversiegelung in Bayern vorstellen? Ich sehe eine vernünftige Begrenzung des Flächenverbrauchs auf fünf Hektar täglich (statt aktuell 13 Hektar) wie im Bürgerbegehren "Betonflut eindämmen" gefordert, als sinnvoll an. Dies lässt genügend Raum lassen für neue Entwicklungen und Bauvorhaben, setzt aber auch Anreize, anders mit den vorhandenen Flächen umzugehen und zum Beispiel innerorts nachzuverdichten. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf, um das Coburger Land als Wirtschaftsregion zu stärken? Wenn es gezielt ums Coburger Land geht, würde ich sagen, wir müssen schauen, dass wir weiterhin gute Bildungsangebote haben - auch für die duale Bildung. Ich glaube, die Nachwuchssicherung ist ein großes Thema für die Unternehmen hier vor Ort. Dann ist es weniger die Ansiedlung von neuen Unternehmen, denn die haben auch Nachwuchsbedarf, den sie nicht decken können. Also sollten wir uns eher der Frage widmen, wie Fachkräftenachwuchs hier in der Region gewonnen werden kann. Der Ton in der Politik ist rauer geworden: Was wollen Sie für mehr "Anstand" unternehmen?

Vor allem mich selbst anständig verhalten. Wenn ich will, dass die Welt auf eine bestimmte Art funktioniert, muss ich selber dazu beitragen.