Beim "Projekt Grenzerfahrung" sprachen die wandernden Redakteure von Coburger Tageblatt/Fränkischer Tag und Radio Eins in einem Gasthaus gleich mit mehreren Zeitzeugen.
Jeder hat so seine eigenen Erinnerungen an den Mauerfall vor 25 Jahren. Am Stammtisch "beim Klemm" im Tettauer Ortsteil Langenau gibt es die Besonderheit, dass da zwar "Ur-Langenauer" zusammensitzen - doch am 9. November 1989 waren die meisten gerade ganz woanders unterwegs.
"Wir wohnten damals in Frankfurt", erinnert sich Gottfried Döbrich, "als mich meine Frau plötzlich im Büro anrief und mir erzählte, dass die DDR die Grenze geöffnet hat". Der heute fast 80-Jährige weiß es noch genau: "Wir wollten sofort nach Tettau!" Gesagt, getan. Aber: "Schon ab Lichtenfels konnten wir nicht mehr atmen", sagt Gottfried Döbrich und muss schmunzeln: "So viele Trabis überall!"
Besonders ergreifend war für Gottfried Döbrich auch, dass damals alle Kirchenglocken rund um Tettau läuteten.
"Ich hatte nicht mehr daran geglaubt, dass es zur deutschen Einheit kommt", gibt er ganz offen zu und nennt den Mauerfall, der noch dazu friedlich vonstatten ging, "ein Wunder".
Ein sehr lauter Schrei Auch Reinhardt Krauß war an jenem 9. November 1989 nicht in Tettau. "Ich war in Oberbayern", erzählt er. Und als er von der Grenzöffnung erfuhr, habe er einen lauten Schrei losgelassen. Einen sehr lauten Schrei. So laut sogar, dass sein freundlicher Nachbar, der sonst immer erst höflich an der Tür geklopft habe, sofort zu ihm hereingestürmt kam. Auf dessen Frage, was denn passiert sei, habe er gerufen: "Die Grenze ist offen!" Die erstaunte Reaktion des Oberbayern: "Ach, ist das was Besonderes?" Womit bewiesen wäre: Je näher die Menschen zur ehemaligen Grenze wohnten, desto intensiver litten sie unter der Teilung - und desto euphorischer erlebten sie den Mauerfall.
Damit zu
Werner Müller: "Meine halbe Verwandtschaft hat in Thüringen gewohnt!" Als die Mauer fiel, habe er beruflich in Eichstätt zu tun gehabt. Aber die Nachricht verbreite sich schnell. "Wir haben geheult", sagt Werner Müller und spricht von einem "sehr bewegenden Moment". Einziger Wermutstropfen im Nachhinein: "Die blühenden Landschaften, die uns versprochen wurden, gab es zunächst eigentlich nur für die westdeutsche Industrie."
Auch Hermann Bischof hatte Verwandtschaft im Osten. Seine Oma wohnte gleich neben Langenau, in Neuenbau. Doch Neuenbau lag im Sperrgebiet, weshalb dort keine Verwandtschaftsbesuche erlaubt waren.
Im Bus geschmuggelt "Aber einmal hatten wir Glück", erzählt Hermann Bischoff.
"Da hat uns ein Busfahrer nach Neuenbau geschmuggelt!" Versteckt unter den Sitzen gelang die Fahrt zur Großmutter - und drei Stunden später ging es genauso wieder zurück. Der Oma war es leider nicht mehr vergönnt, den Mauerfall mitzuerleben. Aber Hermann Bischoff kann sich noch genau erinnern, wie freudig er und seine Familie beim ersten Ost-Trip in Thüringen empfangen wurden: "Sie hatten für uns jede Menge Bier und Bratwürste!"