Staatsarchivleiter Haslauer: Denkmalpflege ist Herzensangelegenheit

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Die Altstadtfreunde stellen am Mittwoch ihren Abrisskalender 2014 vor. Auf dem Juni-Blatt wird das ehemalige Verlagsgebäude des Coburger Tageblatts gezeigt - abgerissen 1972. Im Vorwort schreibt Michael Heinrich, Professor für Darstellen und Visuelle Kunst an der Hochschule Coburg: "In die Altstadt gehören zu allererst Klugheit, feine Wahrnehmung, Sorgfalt und Bedächtigkeit." Foto: Christiane Lehmann
Die Altstadtfreunde stellen am Mittwoch ihren Abrisskalender 2014 vor. Auf dem Juni-Blatt wird das ehemalige Verlagsgebäude des Coburger Tageblatts gezeigt - abgerissen 1972. Im Vorwort schreibt Michael Heinrich, Professor für Darstellen und Visuelle Kunst an der Hochschule Coburg: "In die Altstadt gehören zu allererst Klugheit, feine Wahrnehmung, Sorgfalt und Bedächtigkeit."  Foto: Christiane Lehmann
Heute steht an der Stelle in der Mohrenstraße der Kaufhof mit seiner umstrittenen Fassade. Foto: Oliver Schmidt
Heute steht an der Stelle in der Mohrenstraße der Kaufhof mit seiner umstrittenen Fassade. Foto: Oliver Schmidt
 
Johannes Haslauer
Johannes Haslauer
 

Johannes Haslauer weiß, warum Coburg von anderen so beneidet wird. Seine Meinung zur Rolle der Stadtplaner, der Architektur des Kaufhofs und warum er ein Netzwerk für Denkmalpflege gegründet hat, erklärt er im Interview.

Es ist eine Coburger Herzensangelegenheit: die Denkmalpflege. Bei kaum einem anderen Thema wird so viel gestritten und emotional diskutiert. Stadtbild Coburg, Altstadtfreunde, Stadt, Wohnbau und Hochschule, sie alle wollen nur das Beste für Coburg. Aber was ist das Beste?

Johannes Haslauer, Leiter des Coburger Staatsarchivs kämpft in seiner Freizeit bayernweit für den Erhalt historischer Bausubstanz. Am Mittwoch, 25. September, spricht er beim Kenner-und-Könner-Treff der Buchhandlung Riemann über "sein" Herzensthema.

Tageblatt: Herr Haslauer, Sie sind Mitbegründer des Denkmalnetzes Bayern, einem Bündnis von Bürgerinitiativen, Vereinen und Personen, die sich ehrenamtlich für die Denkmalpflege einsetzen.
Wie denkmalpflegerisch empfinden Sie Coburg?


Johannes Haslauer Als ich die Stadt für mich entdeckt habe, bin ich aus dem Staunen manchmal gar nicht mehr heraus gekommen. Verglichen mit manch anderem Ort in Bayern ist die Altstadt noch sehr geschlossen erhalten. Das ist ein Schatz, den es zu bewahren gilt.

Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass sich in Coburg die gesamtbayerische Situation der Denkmalpflege sehr gut widerspiegelt. Es gibt private Eigentümer, die ihre Denkmäler mit großem Engagement in Schuss halten oder sogar von Grund auf sanieren. Freilich gibt es aber auch die leerstehenden Gebäude, deren Zukunft ungewiss ist.

Wir erleben seit einigen Jahren überall in Bayern, dass solche Objekte wieder sehr stark vom Abriss bedroht sind. In Fürth genehmigte die Stadt kürzlich den Abbruch eines Festsaals der Jahrhundertwende, in Landshut fielen Häuser aus dem 13. und 14. Jahrhundert der Abrissbirne zum Opfer, um nur wenige aktuelle Beispiele zu nennen.

Hat man hier nicht aus den alten Bausünden und Abrisskatastrophen der 70er gelernt?

Die Kommunen müssen ihre Chance nützen, Vorbild zu sein und Initialzündungen zu geben. Dass die Stadt Coburg jetzt sanierungswillige Käufer für Denkmäler aus städtischem Besitz sucht, kann sicher zum Erfolg führen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Außergewöhnlich ist das Engagement der Stadtbildgemeinschaft Coburg, die durch ihre finanziellen Möglichkeiten sehr viel Positives anstößt. Das finde ich fantastisch, viele beneiden Coburg darum.

Ist es nicht auch mal wichtig, Mut zu Neuem zu haben? Michael Heinrich von den Altstadtfreunden spricht beim Kaufhof von konsequenter Ästhetik und kann sich vorstellen, dass das Gebäude in 50 Jahren vielleicht sogar auf der Schutzliste der Altstadtfreunde steht. Wie sehen Sie das?

Wahrscheinlich liegt er mit seiner Vorstellung nicht so falsch. Denkmalschutz ist keine Frage des persönlichen Geschmacks, sondern des historischen Zeugniswerts. Ein Gebäude wie der Coburger Kaufhof wird gerade deswegen aber sicher nicht nur aus ästhetischen Gründen schützenswert werden, sondern auch aus geschichtlichen.

Weil es Zeugnis ablegt von den städtebaulichen und funktionalen Vorstellungen der Nachkriegsmoderne. Man wollte sich von der überlieferten Formensprache absetzen und war überzeugt, man würde die als altmodisch empfundenen Architekturen und Strukturen durch Besseres ersetzen. Das war der Zeitgeist. Darin drückt sich eine Haltung aus, die die gestalterischen Leistungen vorangegangener Generationen nicht gerade hoch schätzte.

Auch wenn die Denkmalpflege sich für den Erhalt solcher unbequemen Zeugnisse entscheidet, macht sie sich nicht deren Positionen zu eigen. Und schon gar nicht schließt das Bewahren aus, dass weiterhin moderne Architektur entstehen kann, ganz im Gegenteil. Nur eben nicht auf Kosten des Erhaltenswerten, sondern in Ergänzung dazu, im Sinne eines Weiterbauens an geeigneter Stelle.

Wenn es um die Frage nach dem Mut oder dem Originalitätsbedürfnis des Architekten geht oder etwa die sensible Anpassung der Fassaden an die Umgebung: Muss immer auf das ein oder andere verzichtet werden oder gibt es das auch im Doppelpack?

Architekten und Bauherren haben zu allen Zeiten ihre unverwechselbaren Zeichen gesetzt, gerade das macht unsere Städte und Dörfer ja so abwechslungsreich und ermöglicht es, in ihnen zu lesen wie in einem architekturgeschichtlichen Buch. Wenn die Architekten darauf achten, keine bestehenden Seiten aus dem Buch zu zerstören, warum sollte es ihnen heute verwehrt sein, daran auf spannende und logische Art und Weise weiterzuschreiben?

Das setzt allerdings eine hohe ästhetische Kompetenz und eine intensive Beschäftigung mit der Bauaufgabe und dem Umfeld voraus. Denn es geht darum, das richtige Maß aus neuen Akzenten und Rücksichtnahme auf das Bestehende zu finden. Ich persönlich habe den Eindruck, dass zur Zeit sehr viel lieblose und zu schnell hingeworfene, und damit wenig inspirierende neue Architektur entsteht, obendrein viel zu oft auf Kosten des baukulturellen Erbes.

Welche Rolle und Gewichtung kommt Ihrer Meinung dabei dem Stadtbau- bzw. dem Stadtplanungsamt zu?

Um auf das Bild vom Buch zurückzukommen: die Stadtbauämter und die Denkmalschutzbehörden sind so etwas wie die Redaktion. Sie haben den Auftrag, das Interesse der Allgemeinheit an einer hochwertigen gebauten Umwelt sicher zu stellen und können mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, etwa Bebauungsplänen und gestalterischen Leitlinien, auf das Werk einwirken.

Zum Schluss, noch ganz persönlich: Was hat Sie bewogen, das Denkmalnetzwerk Bayern mitzugründen?

Die bauliche Überlieferung beschäftigt mich schon seit Anfang meines Studiums. In meinem Heimatort Puchheim habe ich mich dann als Sprecher der "Freunde des Alten Schulhauses" für den Erhalt eines typischen Heimatstilbaus der 1920er Jahre eingesetzt, der einem modernen Multifunktionszentrum weichen sollte. Nach über zweijähriger Überzeugungsarbeit konnten wir einen Ratsbeschluss für die Sanierung erreichen. Über die Jahre ist mir aufgefallen, dass überall im Land die Problemlagen ähnlich sind, und sich auch vielerorts Gruppierungen für Denkmäler einsetzen. Deswegen war es mir wichtig, zur Gründung eines Netzwerks beizutragen, in dem sich die bürgerschaftlich Engagierten austauschen und mit gemeinsamer Stimme sprechen können.

Auf welche Erfolge sind Sie dabei besonders stolz?

Zugegebenermaßen bin ich schon ein wenig stolz, dass wir so großen Zuspruch erleben. Inzwischen haben sich hundert Gruppierungen aus ganz Bayern angeschlossen und es kommen immer noch neue dazu. Ich freue mich sehr, dass wir es geschafft haben, eine ansprechende Internetseite ins Leben zu rufen, auf der die Aktiven ihre Tätigkeiten sowie ihre Denkmal-Schützlinge vorstellen können. Einer unserer Mitgliedsinitiativen ist es vor kurzem gelungen, die Behörden davon zu überzeugen, die Streichung eines Gebäudes von der Denkmalliste rückgängig zu machen und es damit vor dem Abriss zu bewahren.

Zusammen mit anderen Verbänden haben wir uns dafür stark gemacht, die drohende Streichung des Denkmalschutzes aus dem Landesentwicklungsprogramm abzuwenden - mit Erfolg!

Die Fragen stellte Christiane Lehmann.