20:26-Niederlage in Stuttgart: Weltmeister lässt HSC verzweifeln

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Gegen "Jogi" Bitter war für Steffen Coßbau und den HSC am Samstagabend in Stuttgart nicht viel zu holen. Foto: CT-Archiv
Gegen "Jogi" Bitter war für Steffen Coßbau und den HSC am Samstagabend in Stuttgart nicht viel zu holen.  Foto: CT-Archiv

Der Ex-Nationalkeeper "Jogi" Bitter brachte Stuttgart mit seinen Paraden früh auf die Siegerstraße. Ohne vier Rückraumspieler drohte Coburg eine Klatsche.

15 Mal ist der HSC 2000 Coburg inzwischen gegen den TVB 1898 Stuttgart angetreten, davon sieben Mal in fremder Halle, zuletzt am Samstagabend erstmals in der Porsche Arena, die mit 6211 Zuschauern ausverkauft war. Das Ergebnis auf fremden Parkett war immer das Gleiche: Coburg musste die Heimreise nach der 20:26-Niederlage auch diesmal ohne Zählbares antreten.

Der Substanzverlust nach einer englischen Woche mit den Spielen in Kiel und der Aufholjagd gegen Hannover mit jeweils nur zwei Tagen Regeneration dazwischen und der langen Verletztenliste war einfach zu groß. Einmal mehr musste HSC-Coach Jan Gorr aufgrund zahlreicher Ausfälle improvisieren. Neben Adnan Harmandic, Romas Kirveliavicius und Girts Lilienfelds musste er noch kurzfristig auf Tom Wetzel verzichten, der über Adduktorenprobleme klagte.

Dafür liefen Andreas Wolf und Kenny Schramm aus der 2. Mannschaft mit auf, auch Steffen Coßbau war wieder mit dabei. "Wir hatten uns vorgenommen, das Beste aus der Situation zu machen und die Fehlenden durch einen Tick mehr an Einsatz und raffinierte Taktiken zu ersetzen. Allerdings hat uns der Gegner relativ schnell den Schneid abgekauft. Bis zur 40. Minute haben wir keinen Zugriff gefunden", so Gorr nach der Partie.


HSC zeigt in Hälfte 2 Moral

Die Abstimmung in der Abwehr passte aufgrund der personellen Situation nicht. Markus Hagelin musste immer wieder versuchen, Löcher zu stopfen. Dazu machte der Weltmeister von 2007, Torhüter "Jogi" Bitter, den HSC-Angreifern zu schaffen. Der 34-Jährige kam am Ende auf eine Top-Quote von 46 Prozent parierter Bälle. "Aber die Stuttgarter Abwehr agierte ebenfalls sehr ordentlich", sagte Gorr. Dadurch sah es nach 42 Minuten sogar nach einem Debakel für die Coburger aus, denn da betrug der Rückstand elf Tore. "Was dann kam, war ein Spiegelbild der Saison. Mein Team hat dann wahnsinnig viel Moral gezeigt und sich ins Spiel zurückgekämpft", lobte Gorr seine Mannschaft.

Bis auf vier Tore kam sie wieder heran und machte die Partie noch relativ eng, in der es für die Stuttgarter auch hinsichtlich der Tordifferenz um viel ging. Denn von den abstiegsgefährdeten Mannschaften hatten die Schwaben vor dem Spieltag da die schlechteste Bilanz.

Im letzten Erstliga-Auswärtsspiel für den HSC vernagelten zunächst die Torhüter Oliver Krechel und Johannes Bitter für fast drei Minuten jeweils ihren Kasten. Bis die Coburger ihren ersten Treffer setzen konnten, vergingen über sechs Minuten, ehe Stefan Lex den Ex-Nationaltorwart mit einem Schlagwurf überwand. Wenig später scheiterte Steffen Coßbau mit einem Konter, machte es dann aber im nächsten Angriff von seiner angestammten Außenposition besser
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Doch nach zehn Minuten hatte der HSC Bitter so richtig warm geworfen. Die erste Zwei-Tore-Führung war dann einem Coburger Handballgewächs (TV Ketschendorf) vorbehalten: Felix Lobedank traf erst zum 4:2 und drei Minuten später zum 6:2. Lobedank kam in den jungen Jahren des HSC bis 2005 noch parallel zu den Jugend-Spielen zum Einsatz und warf in 96 Einsätzen 449 Tore, liegt damit noch immer unter den Top Ten der HSC-Torschützen.

Den Mannen von Jan Gorr schien der Respekt vor Bitter förmlich an den Fingern zu kleben, der aber auch wirklich tolle Reflexe zeigte. Trotz Umstellungen im Angriff fand Coburg kein Mittel gegen die wendige Stuttgarter Deckung, lief sich immer wieder fest. Ohne etatmäßigen linken Rückraumspieler war der HSC zu einfach auszurechnen. Die Mannschaft mühte sich zwar, versuchte das Spiel über den Kreis - wo Hagelin, Kelm und Weber meist sehr gut abgeschirmt waren - oder über die Außenspieler, doch auch das ohne größeren Erfolg. Die erste Halbzeit lässt sich auch ganz nüchtern an Zahlen festmachen: Stuttgart hatte bei Wurfquote, erfolgreichen Angriffen und abgewehrten Bällen eine Bilanz von über 60 Prozent, Coburg lag bei diesen Werten bei nur um die 30 Prozent.

Nach der Pause änderte sich zunächst wenig. Stuttgart war in vielen Aktionen die frischer und konzentrierter agierende Mannschaft. Nachdem der Abstand erstmals zweistellig angewachsen war, versuchte Jan Gorr in einer Auszeit sein Team noch einmal abzustimmen. Denn auch in der Abwehr zeigten sich weiter große Lücken, die die Gastgeber konsequent ausnutzten. Selten konnte sich der HSC so in Szene setzen wie beim 20:10, als Stefan Lex mit einem Florian Billek mit einem "Kempa" bediente, der den Ball an Bitter vorbeibrachte.
Immer wieder gingen Coburg eroberte Bälle leichtfertig verloren und Pässe kamen nicht an. Als Stuttgart etwas nachließ, ließ das deren Trainer Markus Baur nicht zu. Trotz des klaren Spielstandes holte er sein Team an die Außenlinie.


Erstes Bundesligator für Wolf

Doch es dauerte, bis sich die Schwaben wieder gefangen hatten. Coburg agierte nun in der Abwehr offensiver und schaffte bis zur 54. Minute einen 9:2-Lauf. Aber um die Partie vollends zu drehen, war der vorherige Abstand einfach zu deutlich. Eine schöne Sache für die Coburger war, dass Erstliga-Debütant Andreas Wolf beim 21:12 zu seinem ersten Bundesligator kam, das Kenny Schramm aufgrund der Glanztaten von Bitter verwehrt blieb.


Stimmen zum Spiel

HSC-Trainer Jan Gorr: "Stuttgart hat sein Spiel konsequent durchgezogen und uns schnell mit einem sehr guten Torwart den Zahn gezogen. Mit einer tollen Moral haben wir dann trotzdem ein Spiel noch einmal eng gemacht, das schon deutlich verloren schien."
HSC-Geschäftsführer Steffen Ramer: "Das war heute mit dem dezimierten Kader nicht einfach. Doch mit einer tollen Moral hat das Team nach 40 Minuten die Partie dann noch offen gestaltet."
TVB-Rückraumspieler Felix Lobedank: "Wir haben gut vorgelegt und müssen jetzt schauen, was die anderen Teams im Abstiegskampf machen. In der ersten Halbzeit war ich vom HSC etwas überrascht, weil sie sich nicht so agil bewegt haben, wie wir das erwartet hatten. Nach der Pause haben sie dann ein anderes Gesicht gezeigt, was aber auch daran lag, dass es für uns die dritte englische Woche in Folge war."
TVB-Trainer Markus Baur: "Die ersten zehn Minuten waren schwierig, weil wir den Druck hatten, gewinnen zu müssen. Das Parieren von vier, fünf glasklaren Chancen durch "Jogi" Bitter hat uns die nötige Sicherheit gegeben. Die war dann schwuppdiwupp nach 40 Minuten dahin, und über die sechs Tore Differenz sind wir jetzt glücksselig."
TVB-Geschäftsführer Jürgen Schweikardt: "Mit diesem Erfolg haben wir unsere Ausgangsposition im Abstiegskampf deutlich verbessert. Was jetzt an diesem 33. Spieltag noch in den verbleibenden Spielen passiert, liegt nicht in unserer Hand. Wir müssen uns auf den Abschlussspieltag vorbereiten."



TVB Stuttgart gegen HSC 2000 Coburg 26:20 (13:6)


HSC 2000 Coburg: Jan Kulhanek (12 Gegentore, 5 Paraden), Oliver Krechel (14, 6); Philipp Barsties, Markus Hagelin (3), Lukas Wucherpfennig, Andreas Wolf (1), Dominic Kelm, Sebastian Weber, Stefan Lex (3), Kenny Schramm, Steffen Coßbau (3), Florian Billek (8/2), Till Riehn (2), Nico Büdel
Trainer: Jan Gorr

TVB 1898 Stuttgart:
Dragan Jerkovic (n.e.), Johannes Bitter (20 Gegentore, 17 Paraden); Felix Lobedank (4), Dominik Weiß (3), Bobby Schagen (5/3), Michael Schweikardt (1), Teo Coric (1), Simon Baumgarten (2), Viorel Fotache (2), Finn Kretschmer (2), Marian Orlowski (5), Can Celebi (1)
Trainer: Markus Baur
SR: Nils Blümel / Jörg Loppaschewski
Spielaufsicht: Holger Fleisch
Spielfilm: 1:0 (3.), 1:1 (7.), 2:2 (9.), 7:2 (14.), 7:3 (15.), 8:3 (16.), 8:4 (17.), 10:4 (22.), 11:5 (25.), 12:5 (26.), 13:6 - 14:7 (34.), 15:8 (36.), 16:9 (39.), 20:9 (41.), 20:11 (44.), 21:11 (46.), 21:16 (50.), 22:16 (51.), 22:18 (54.), 23:19 (55.), 25:19 (57.), 26:20.
Zuschauer: 6 211 in der Porsche Arena (ausverkauft)
Strafminuten: 4 (Lobedank, Celebi) - 8 (Billek, Barsties, Weber 4)
Siebenmeter: 3/3 - 2/2
Beste Spieler: Billek, Hagelin - Lobedank, Bitter