Die berühmte Spalatin-Chronik befindet sich im Besitz der Landesbibliothek Coburg. Jetzt kann sie hier erstmals auch ausgestellt werden - neben einer Auswahl an prächtig kolorierten allerersten Lutherbibeln.
Prachtvoll, ehrfurchtgebietend: Selbst diejenigen, denen die historischen Hintergründe egal sind, dürften im Silbersaal der Ehrenburg den Schauder verspüren: Vor ihnen liegt eines der wenigen noch vorhandenen Exemplare der allerersten Lutherbibel von 1522. In den Vitrinen daneben sind die nächsten Stufen der deutschen Übersetzung Martin Luthers zu verfolgen bis hin zur ersten Vollbibel von 1534, in oftmals prächtiger Handkolorierung durch die Cranach-Werkstatt.
Immer wenn der Reformator einen Abschnitt bewältigt hatte - etwa "Die Propheten alle deutsch" - sorgte die Cranach-Werkstatt umgehend für die fantastische Bebilderung und den Druck. Auf dass der erstmals auch dem Laien direkt zugängliche Geist, das Wort, die Fülle der christlichen Theologie - und zwar in der neuen Deutung und Akzentsetzung dieser vehementen Wittenberger Bewegung - sich ungehindert verströmen mochten, nicht mehr einzukassieren und unter Verschluss zu
halten durch welche Zensur auch immer. Der neue Geist und das neue Medium, der Buchdruck begannen, die Welt zu verändern. Was heute ist, wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts maßgeblich in die Wege geleitet.
Und im fast spektakulär zu nennenden Kontrast stellt die Landesbibliothek zum ersten Mal die berühmte Spalatin-Chronik in Coburg aus, mit der wir quasi vor den Zeitenumbruch blicken. Der hervorragende Historiker Georg Spalatin (1484 - 1545) war einer der wichtigsten Ratgeber Friedrichs des Weisen. Er sollte ab 1510 noch ganz im alten dynastischen Geist und unter den Maßgaben des bisher gültigen Glaubens mit Heiligenverehrung, Reliquienglauben und Stiftungsfrömmigkeit die Chronik des Hauses Sachsen verfassen.
Die (unvollendete) Handschrift ist mit 1800 Cranach-Illustrationen versehen. Sie war letztes Jahr in Altenburg zu sehen.
Jetzt sind auch in Coburg die konservatorischen Gegebenheiten geschaffen, um sie hier zu zeigen, in eigener Sicherheitsvitrine und hinter den speziell abgedunkelten Fenstern des Silbersaales. - Zwei Buchprojekte also, die im Abstand von weniger als 15 Jahren entstanden, und die den ungeheuerlichen Umbruch markieren.
Coburgs Schätze
Und: Wieder einmal brauchte man zum gegebenen Thema in dem historisch begünstigten Coburg nur in den Schätzen zu "wühlen". "Es ist sehr viel Luther da", sagt die Leiterin der Landesbibliothek, Silvia Pfister, welche die neue Ausstellung am heutigen Reformationstag zusammen mit Oberbürgermeister Norbert Tessmer und Dekan Christoph Liebst eröffnen wird.
Denn beginnend mit dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen (1463 - 1525), Martin Luthers überlebenswichtiger Schutzherr, waren die Ernestiner und damit auch das Herzogtum Sachsen-Coburg entschiedene Verfechter der Reformation. Als Martin Luther 1530 unter Reichsacht stehend ein halbes Jahr auf der Veste Coburg verbrachte, arbeitete er an seiner Bibelübersetzung.
Im diesjährigen Cranach-Jahr haben wir viel von den Image-Gestaltern des Reformators, Lucas Cranach Vater und Sohn, gesehen. Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017, wenn sich der Thesenanschlag Luthers zum 500. Mal jährt, geht es jetzt um "Buch, Bild und Glaube". Wie das "Netzwerk", bestehend aus dem Schöpfer der neuen Lehre und Impulsgeber Luther, den genialen Bildschöpfern der Cranach-Werkstatt, welche die neue Deutung in markante neue Bildtraditionen umsetzten, und den Druckern agierte, ist in den einzelnen Abschnitten der Ausstellung zumindest im
Überblick nachzuvollziehen. Teilnahme an den Führungen ist empfehlenswert, um mehr über die Hintergründe zu erfahren.
In den Fenstervorhängen gibt es zudem Erläuterungen und Illustrationen zur damals revolutionären Druck- und Mediengeschichte.
Die drei Bände der Spalatin-Chronik werden übrigens bis 27. Februar nacheinander gezeigt. Kein Band darf länger als maximal sechs Wochen liegen. Alle zwei Wochen wird geblättert. Mehr ist mit solch einem gefährdeten Werk nicht möglich. Allerdings läuft ein digitaler Rahmen um die Vitrine, in ihm wird durch die ganze Chronik immerhin virtuell geblättert.
Die Ausstellung Landesbibliothek Coburg: Buch, Bild und Glaube - Luther, Cranach, Spalatin. Eröffnung heute um 15 Uhr. Musikalische Umrahmung durch Peter Stenglein. Geöffnet bis 27. Februar Montag bis Donnerstag 10 bis 17 Uhr, Freitag und Samstag 10 bis 13 Uhr.
Während der Ferien nur Montag bis Freitag 10 bis 13 Uhr. Führungen (keine Anmeldung nötig) gibt es am 20. November, 15 Uhr, 28. November (14 Uhr), 8. Dezember (18 Uhr), 23. Januar (14 Uhr), 26. Februar (15 Uhr). Eintritt kostenlos (Spenden erbeten).
Die Spalatin-Chronik Georg Spalatin (1484 - 1545), der vor allem als Ratgeber und Vertrauter Martin Luthers bekannt geworden ist, war zuvor Prinzenerzieher am sächsischen Hof, Hofbibliothekar, Hofprediger und Geheimsekretär Friedrichs III. von Sachsen, genannt der Weise. 1510 erhielt er den Auftrag, eine Chronik zu schreiben, die die Geschichte der Sachsen, Thüringer und Meißner behandeln sollte, ein historiographisches Großprojekt, das jedoch unvollendet blieb.
Die vorhandenen Teile, die um 1515/1517 fertiggestellt wurden, sind mit rund 1800 Illustrationen aus der Cranach-Werkstatt geschmückt: Es handelt sich um drei mit prächtigen Ledereinbänden versehene Handschriften im Großfolio-Format, die in der Landesbibliothek Coburg aufbewahrt werden, und um mehrere Partien aus verschiedenen Teilen der Chronik ("Lagenkonvolut"), die erst 1681 gebunden wurden und im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar liegen. In Spalatin-Online werden alle Teile von Spalatins Chronik virtuell zusammengeführt.
lb
Vortrag Speziell über Luthers Freund Georg Spalatin und seine berühmte Chronik wird die Leiterin der Landesbibliothek Coburg, Silvia Pfister, am Donnerstag, 12. November, berichten.
Der Vortrag in Zusammenarbeit mit der Kulturabteilung der Stadt unter dem Titel "Wie der Amtmann von Coburg..." beginnt um 19 Uhr bei ,,Leise am Markt" in der Herrngasse 2.
Die Luther-Bibeln Martin Luther begann 1521 mit seiner Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche. Das erste Ergebnis in gedruckter Form ist das Septembertestament von 1522. Von da an beschäftigte er sich Zeit seines Lebens mit der richtigen Übersetzung und Deutung. Die Arbeit mit den Originalquellen, dem griechischen und hebräischen Bibeltext, war für ihn oberstes Prinzip. Nachdem in den Jahren zuvor ein Bibelteil nach dem anderen
gedruckt worden war, kam 1534 die erste Gesamtausgabe heraus. Die Korrektur- und Verbesserungsarbeit ging jedoch weiter. Als Luther 1546 starb, hinterließ er neue Textfassungen.
Da die deutsche Bibel möglichst viele Menschen erreichen sollte, wurde sie im damals innovativen Druckverfahren mit Holzschnittillustrationen hergestellt. Die Bildstrecken lieferte die Cranach-Werkstatt. Vater oder Sohn wirkten mit, hatten zumindest die Oberaufsicht. Der ältere Cranach trug außerdem als Verleger und Druckunternehmer bis mindestens 1524 die Verantwortung.
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