Sonderschau in Rödental: Ist das denn noch Glas?

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Wilfried Grootens hat die Glasmalerei, hier Punktmalerei auf Verbundglasplatten, in eine neue Dimension getrieben. Fotos: Carolin Herrmann
Wilfried Grootens hat die Glasmalerei, hier Punktmalerei auf Verbundglasplatten, in eine neue Dimension getrieben.  Fotos: Carolin Herrmann
Jong Hyun Park: Dreirad. Porzellan und Glasur. 2015.
Jong Hyun Park: Dreirad. Porzellan und Glasur. 2015.
 
Anne Petters: Teufeskralle. 2015. Pâte de verre.
Anne Petters: Teufeskralle. 2015. Pâte de verre.
 
Shige Fujishiro: "H & M". Sicherheitsnadeln, Glasperlen.
Shige Fujishiro: "H & M". Sicherheitsnadeln, Glasperlen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Eine spannende Sonderschau im Europäischen Museum für Modernes Glas in Rödental ist der Frage nach Sein und Schein, von Wirkung und Materialität auf der Spur.

Zum Staunen ist jeder Besuch im Europäischen Mu seum für Modernes Glas in der Rosenau. Doch die neue Sonderausstellung sorgt extra für Verblüffung. "Schein & Sein" ist das Motto. Da darf, da soll man so mancher Täuschung erliegen: Das wunderbare alte Dreirädchen - ist bis zu den Schrauben aus Porzellan, das blau verschrammte Metall des Gestells, die eisernen Treter, die "Gummireifen". Dahinter sind alte Weinkisten aufgestapelt - auch da hat Jong-Hyun Park Porzellan in seiner Wirkung perfekt in Holz und Eisennägel verwandelt.

Zwei Grundfragen treiben die Künstler, wie der Leiter des Glasmuseums Sven Hauschke erläutert: Zum einen die uralte Motivation, die Natur abbildend zu erfassen, sie gar zu übertreffen. Da liegt das große Teufelskrallen-Blatt von Anne Petters, perfekt reproduziert, doch im dauerhaften Zustand aus Glas. Ein riesiges Kohlblatt täuscht Frische vor. Über die Frage nach der handwerklichen Kunst der Herstellung hinaus - wie schaffen die das? - stellt sich Irrita tion ein, wenn wir mit etwas konfrontiert werden, das doch so perfekt aussieht, aber nicht ist, was es scheint. Wie und was ist unsere Welt?

Irritiertes Entzücken löst das Kleidchen aus Metallgitter und Glasblumen von Rike Scholle aus; das wäre sogar tragbar. Andere der in der Rosenau gezeigten "Textilien" sind es nicht, schon gar nicht die schicke Jacke aus Birkenrinde von Charlotte Vögele oder die dazu passenden eleganten Schuhe. Das Spiel mit Alltagsobjekten treibt Shige Fujishiro noch weiter: Er hat Massen an schlichten kleinen Glasperlen auf Sicherheitsnadeln gefädelt, die er zu "Einkaufstüten" verbindet.Das Wegwerfprodukt erscheint nun ungemein edel. Große Fotos mit dem Künstler samt Ausstellungsstück in entsprechendem Kontext, die "Rewe-Tüte" vor dem Einkaufsmarkt, konstruieren eine Geschichte.

Der zweite Expeditionsweg der Glaskünstler führt an die Grenzen des Materials. So hat der früher bei Goebel wirkende Walter Stürmer aus Porzellan eine "Faltung" geschaffen oder auch die ironisch so genannte "Resignierende Tüte". "Dass so etwas heil aus dem Ofen kommt, setzt große Erfahrung voraus," sagt Sven Hauschke dazu.

Das muss doch brechen!

Glas so aussehen zu lassen, als sei es etwas anderes, übt für Künstler wie für den Betrachter einen hohen Reiz aus. Das Glas in unerwarteter Form zu sehen, eingeschnürt etwa, provoziert Schrecken: Das muss doch brechen! Die wunderschöne Wirkung von Licht und Farbe im Glas - Wilfried Grootens hat dazu die Glasmalerei in neue Dimensionen getrieben. Punktmalerei auf viele Schichten von Verbundglas: Da schwebt dann ein faszinierendes Objekt im Raum. Geht man herum, explodiert es in tausend Linien in den Raum. "Der Künstler arbeitet nicht zufällig mit seinem Material", betont Hauschke. "Er hat eine Idee, ein Konzept." Das führt ihn über die bloße Materialität in den Händen und vor dem Auge hinaus.

Die bei dieser neuen Ausstellung gezeigten etwa 40 Objekte wurden in den letzten Jahren neu erworben von den Kunstsammlungen auf der Veste Coburg. Ein Drittel sind Leihgaben, die oftmals von den namhaften Künstlern extra für diese Schau geschaffen wurden.

Sonderausstellung Europäisches Museum für Modernes Glas: Schein & Sein - Materialität in Glas, Keramik und anderen Werkstoffen. Bis 3. April 2016, täglich von 9.30 bis 13 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr.