Coburgs bekannteste Reichsbürgerin steht wegen verfassungsfeindlichen Telegram-Beiträgen vor Gericht. Die Verhandlung wird für die Richterin zur Geduldsprobe.
Reichsbürgerin. Coronamaßnahmen-Gegnerin. Und jetzt auch Angeklagte. Während die Polizei noch gegen Kerstin P. wegen ihrer Beteiligung am illegalen Reichsbürger-Treffen in der Coburger Waldorfschule ermittelt (wir berichteten), steht die 55-Jährige bereits wegen einer anderen Sache vor Gericht. Diesmal geht es um ihre Aktivitäten auf Telegram.
Die Coburgerin hat im August 2021 auf ihrem bis vor kurzem öffentlich einsehbaren Kanal mit rund 1000 Followern ein Video gepostet, das die Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden erregt hat. Darauf zu sehen ist ein chinesischer Mann in Uniform, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Polizist, der auf offener Straße hinterrücks von einem anderen Mann mit einem Haumesser ermordet wird. Das Video endet mit Sequenzen, auf denen der blutüberströmte Leichnam auf der Straße liegt. Kerstin P. teilte das Video gleich zweimal an diesem Augusttag, schrieb dazu: "Bürger in China haben angefangen, Attentate gegen die Corona-Polizei zu machen. Demnächst weltweit. Kurz gesagt: Karma." Die Staatsanwaltschaft wertet diese Bemerkung als Billigung einer Straftat.
Ebenfalls im August postete Kerstin P. das Foto eines NSDAP-Gesundheitspasses. Darin hinein montiert: ein Hakenkreuz. Ihr Kommentar dazu: "Schau an, der Gesundheitspass. Ist ja nichts Neues." Die Verwendung eines Hakenkreuzes - ohne deutliche Distanzierung zum Nazi-Regime - ist in Deutschland allerdings verboten. Die Staatsanwaltschaft nennt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Schriften. Wegen dieser Beiträge wurde Kerstin P. zu Beginn des Jahres ein Strafbefehl zugestellt. Weil sie gegen diesen aber Einspruch eingelegt hat, wurde die Sache am Mittwoch bei Gericht verhandelt.
Wegen Kerstin P.s offenkundiger Zugehörigkeit zu den Reichsbürgern sichern Justizvollzugsbeamte den Eingang zum Sitzungssaal ab. Jeder, der hinein will, wird auf Waffen kontrolliert (Kerstin P. hatte ihre eigenen vergangene Woche abgegeben). Zwei Beamte bleiben auch während der Verhandlung im Sitzungssaal. Sicher ist sicher.
Die Angeklagte - Jeans, weiße Bluse, Blazer mit Leopardenprint - erscheint pünktlich. Auf der Anklagebank Platz nehmen will sie allerdings nicht, steht lieber die ganze Zeit im Zuhörerraum. Als Carolin Klopfer die Verhandlung eröffnet, fragt sie fast höflich: "Darf ich als christliche Kerstin vortreten und etwas abgeben?" Kerstin P. übergibt der Richterin einen Stapel Dokumente, darunter diverse Beglaubigungen und ein Fragenkatalog, in dem die Angeklagte wissen möchte, ob das Gericht überhaupt gegen Menschen verhandeln dürfe und ob die Behörde denn über "unlimitierte Haftung" verfügt.
Dann wird es zäh. Als die Richterin lediglich Kerstin P.s Identität feststellen möchte, antwortet sie: "Ich bin nicht Frau P.. Ich habe einfach nur den christlichen Namen Kerstin." Ob sie denn ihren Personalausweis vorzeigen kann? - "Nein, ich habe keinen." Carolin Klopfer versucht es anders, möchte wissen, ob die Angeklagte die Person ist, um die es heute geht. Kerstin P.: "Ich bin keine Person. Ich bin ein Mensch." Ihre Staatsangehörigkeit sei auch nicht deutsch, denn die habe sie ausgeschlagen.
Irgendwann wird es der Richterin zu bunt, erinnert Kerstin P., die nur mit Kerstin angesprochen werden möchte und ihren Nachnamen, wenn notwendig, nur in Sperrschrift schreibt: "Wenn ich Ihre Identität nicht feststellen kann, kann ich Ihren Einspruch auch einfach verwerfen." Die Angeklagte antwortet: "Das ist Ihnen überlassen."