Schließung Bernard's Bäck: Von langer Hand geplant?

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Eine originell gestaltete Fassade, aber nichts mehr dahinter: Filiale von Bernards Bäck in Weidach. Foto: Berthold Köhler
Eine originell gestaltete Fassade, aber nichts mehr dahinter: Filiale von Bernards Bäck in Weidach. Foto: Berthold Köhler

Zwei Noch-Beschäftigte aus einer der Filialen der Bäckereikette haben ihre Zweifel daran, dass nur eine plötzliche Erkrankung der Grund sein soll.

Karin B.* erfährt am Dienstag kurz nach Mitternacht, dass etwas nicht stimmt: Kollegen aus der Backstube von Bernard's Bäck in Adelshausen schickten per Whatsapp das Foto eines Plakats: "Wegen schwerer gesundheitlicher Probleme muss ich meinen Betrieb ab dem 27. 12. 2016 schließen." Die Bäcker, die in der Nacht zum Dienstag mit ihrer Schicht beginnen wollten, damit am Morgen die Verkaufsstellen in den Landkreisen Coburg und Hildburghausen sowie in der Stadt Coburg beliefert werden können, stehen vor verschlossenen Türen.


Laden fast leer

Als Karin B. an diesem Morgen zu ihrer Verkaufsstelle im Landkreis Coburg fährt, "bin ich noch rein mit meinem Schlüssel", erzählt die dunkelhaarige Frau. "Aber es war fast alles weg - die Butter, die Milch, das Wechselgeld. Dann hat mich die Chefin angerufen, dass zu ist." Karin B. hätte an diesem Tag die Frühschicht gehabt, ihre Kollegin Susann M. die Spätschicht. Auch sie wurde von der "Chefin" kontaktiert - aber auf Nachfrage erfuhr sie, es sei "alles okay". Sie habe ja Spätschicht.


Ab dann, sagen die beiden Frauen, seien weder Helmut Bernard noch seine Frau für sie erreichbar gewesen. Auch das Tageblatt hatte am Dienstag und Mittwoch vergeblich versucht, Bernard zu kontaktieren.


Am 28. Dezember erhielt Karin B. ein Schreiben, datiert auf den 21. Dezember 2016 und mit der Betreffzeile "Bedauerliche Betriebsschließung": "Aufgrund der wiederaufgetretenen Krankheitsproblematik wurde ich spontan ins Krankenhaus eingewiesen und kann die Führung des Betriebs die Mitarbeit in der Backstube nicht mehr realisieren. [Anmerkung: Originalzitat] Durch diese Situation bin ich gezwungen, den Betrieb mit sofortiger Wirkung zu schließen. Sie sind deshalb ab Dienstag, 27. 12. 2016, von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt." Abschließend folgt der Hinweis, dass Karin B. sich umgehend beim Arbeitsamt melden müsse.


Dort waren Karin B. und Susann M. schon - und beim Arbeitsgericht Coburg. Denn Bernard's Bäck schulde den beiden Frauen noch Arbeitslohn, von den bislang unbezahlten Überstunden noch gar nicht zu reden, sagen sie. Doch beim Arbeitsgericht können sie vorläufig nur ihren ausstehenden Lohn geltend machen, wie die beiden Frauen erzählen. Denn formell ist die "Freistellung von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung" noch keine Kündigung. Deshalb können sie den ausstehenden Urlaub und die Überstundenvergütung noch nicht einklagen.


Vertröstet

Die beiden Frauen haben erhebliche Zweifel an der Geschichte von der plötzlichen Erkrankung. "Die wollten das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen und haben uns am Heiligabend noch arbeiten lassen", sagt Susann M. bitter mit Blick auf das Datum des Schreibens. Sie selbst habe am 22. Dezember noch gefragt, ob sie sich ihren Lohn gegen Quittung aus der Kasse nehmen dürfe wie in den vergangenen eineinhalb Jahren. Sie solle bis zum Dienstag warten, dann sei das okay, sei die Antwort der Chefin gewesen, erzählt die Verkäuferin. "Da wussten die doch schon, dass sie am Dienstag gar nicht mehr aufmachen. Das war ein abgekartetes Spiel, das war alles geplant."


Mehr noch: "Er war definitiv am 24. Dezember mit dem Auto unterwegs und wollte etwas von einem Mitarbeiter", sagt Karin B. Und: Irgendjemand sei auch in der Lage gewesen, über die Feiertage aus einigen der Filialen Mobiliar oder Vorräte abzutransportieren.


Was die beiden besonders schockt, ist, dass sie Helmut Bernard so nicht eingeschätzt hätten: Er sei ein sehr umgänglicher Chef gewesen, mit dem man auch Scherze machen konnte, der die Fotos seiner Katzen auf dem Handy zeigte. "Deshalb schockt uns das so!" In den Verkaufsstellen habe er den Beschäftigten viel freie Hand gelassen, sie konnten unter sich vieles selbstständig regeln. "Er war froh, dass es so lief", sagt Karin B. Sie und Susann M. machten bereitwillig Überstunden oder arbeiteten Doppelschichten und akzeptieren, dass das Geld meist "relativ spät" kam. Beide haben mit 8,50 und 8,60 Euro Stundenlohn gerade mal den gesetzlichen Mindestlohn oder etwas mehr erhalten.
Nun überlegen sie, ob sie ihren ehemaligen Chefs wegen Betrug anzeigen sollten. Die rund 30 Beschäftigten in der Bäckerei und den Verkaufsstellen sind womöglich nicht die einzigen, denen Bernard Geld schuldet. Karin B. sagt, sie habe mitbekommen, dass auch die Stromrechnungen gerade so bezahlt wurden, "dass der Strom nicht abgestellt wurde".
Sie fühlen sich betrogen - nicht nur um ihren Lohn. Eine Kollegin, die ohne weiteren Kommentar einen der Zeitungsberichte über die überraschende Schließung auf Facebook teilte, habe von der Chefin die Drohung bekommen, "wir können auch anders".

*Namen von der Redaktion geändert.




Arbeitslosengeld wird ab dem ersten Tag gezahlt



Im Unternehmensregister ist Bernard's Bäck nicht eingetragen. Als Einzelunternehmer wäre Helmut Bernard nicht insolvenzpflichtig, haftet allerdings auch mit seinem Privatvermögen für das Unternehmen. So lange kein Insolvenzantrag gestellt ist, haben die Beschäftigten auch keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.


Bis zum Donnerstagnachmittag lag beim zuständigen Amtsgericht Meiningen noch kein Insolvenzantrag vor, wie eine Sprecherin bestätigte. Sitz der Bäckereikette mit rund 30 Beschäftigten ist Adelshausen im Landkreis Hildburghausen, nur wenige Kilometer von Bad Rodach entfernt. Dort war das Unternehmen seit Anfang der 90er Jahre ansässig.


Die Beschäftigten sind laut dem Schreiben ihres Arbeitgebers wegen der Betriebsschließung von der Arbeit freigestellt. Damit können sie sofort Arbeitslosengeld erhalten, auch wenn formell noch keine Kündigung erfolgte, erläutert Matthias Klar, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Coburg-Bamberg.


Außerdem können Betroffene in einem solchen Fall auch Antrag auf Insolvenzgeld stellen, sagt Klar. "Sobald der Betrieb Insolvenz anmeldet und die Beschäftigten Anspruch auf noch ausstehende Löhne haben, kann die Agentur für Arbeit für maximal drei Monate Insolvenzgeld zahlen", als Ausgleich für die vorhergegangenen Ausfallzeiten.


Klar empfiehlt allen betroffenen Beschäftigten, sich sofort bei der für sie zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Am Freitag, 30. Dezember, ist die Agentur für Arbeit Coburg von 7.30 bis 12.30 Uhr geöffnet. sb