Warum er fasziniert ist von Antonin Dvoráks Märchenoper "Rusalka" verrät Gastregisseur Tobias Heyder im Gespräch.
Knapp zwei Jahre nach seinem Coburg-Debüt kehrt der junge Regisseur Tobias Heyder als Gast zurück ans Landestheater. Inszenierte er damals einen doppelten Opernabend mit Werken von Henry Purcell und Ralph Vaughan Williams, so bringt er nun Antonin Dvoráks Lieblingsoper "Rusalka" auf die Bühne. Die Premiere am Sonntag, 22. April, beginnt um 18 Uhr.
Dvoráks "Rusalka" ist Ihre zweite Regiearbeit am Landestheater Coburg. Stand das Stück schon länger auf Ihrer Wunschliste?
Tobias Heyder: Es ist eines meiner drei Lieblingswerke. Ich sage das aus einer ganz unreflektierten Sicht. Die Musik ist eine der schönsten auf der Opernbühne. Seit ich 14 oder 15 bin, bin ich großer Dvorák-Fan. Ich glaube, ich habe alles von Dvorák schon einmal gehört. Auch seine Kammermusik höre ich sehr gerne und sehr oft.
Was fasziniert Sie an Dvoráks Musik?
Ein bisschen die Leichtigkeit der Musik. Es ist die Melodiosität. Gleichzeitig aber hat seine Musik die kompositorische Komplexität im Aufbau und in der Struktur genau wie bei Brahms. Dvorák genieße ich einfach.
Was reizt Sie ganz speziell an dieser Märchenoper?
Genau der Umstand, dass es eine Märchenoper ist. Wir versuchen, das Märchen als Ausgangspunkt zu nehmen - nicht in dem Sinne, dass man eine Geschichte bunt bebildert und märchenhaft oder zauberhaft inszeniert. Das Märchen ist ja der Versuch, aus menschlicher Sicht bestimmte archetypische Verhaltensweisen mit einer gewissen Logik und Moral in eine erzählerische Form zu bringen. Genau da steckt unser Ansatzpunkt. Bei Dvoráks "Rusalka" geht man ja gemeinhin davon aus, dass man es mit zwei Welten zu tun hat - einer Menschenwelt und einer Fabelwelt, einer Naturwelt, die man als Mensch nicht versteht.
Wie lässt sich Ihre Annäherung an diese Märchenoper beschreiben?
Unser Ansatzpunkt war zu sagen: Das stimmt ja gar nicht: es gibt gar keine zwei Welten. Wir sind Kinder unseres dritten Jahrtausends und wir glauben nicht an diese zwei Welten. Unser Ausgangspunkt ist es, die Sehnsüchte und Wünsche, die Projektionen, die Leerstellen, die man im Leben, im Alltag empfindet, deutlich zu machen. In dem Moment, in dem man ein Defizit empfindet und sich in einer Welt hinein träumt, erschafft man sich Geschichten.
Wo setzen Sie mit Ihrem Regiekonzept an?
Für uns ist diese Rusalka-Welt ein Wunsch, eine Projektion. Da sitzt jemand in einer Welt, die ihm düster und leer erscheint. Und er fängt an, sich etwas zurecht zu träumen. Er wünscht sich, die reinste, unbedingteste und kompromissloseste Form der Liebe mit einer Frau finden zu können. Und das ist die Geschichte von Rusalka. Wenn ich anfange, mit dem klassischen Werkzeug des Regisseurs zu überlegen, zwei Welten zu bebildern, dann merkt man: Jede Umsetzung hinkt irgendwann. Es passt vielleicht für einen halben Akt oder einen Akt, aber dann stimmt es nicht mehr.
Wie wollen Sie dieser Gefahr entgehen, die Geschichte Rusalkas als eine Geschichte zu zeigen, die in zwei Welten spielt?
Ich verweigere mich einem Konzept, dass die Stücke in drei Sätzen erklärt. Ich versuche eher, Fragen an das Stück zu stellen. Im ersten Akt ist die Hauptfrage: Was wäre, wenn wir das, was wir uns am meisten wünschen, Realität werden würde? Wäre das nicht toll? Wäre das nicht schön? Das ist die Situation, vor der der Prinz in unserer Geschichte steht.
Was ist die Herausforderung bei der Inszenierung einer Märchenoper?
Die Dramaturgie eines Märchens stellt ja Bedingungen, die wir akzeptieren müssen, weil wir sie nicht realistisch erklären können. Im zweiten Akt sehen wir dann, dass idealisierte Figuren und Personen in unserer Welt scheitern müssen. Rusalka ist wie eine Figur bei Kleist, die um den Preis der Selbstaufgabe an ihren Prinzipien festhält. Der dritte Akt ist nur noch ein Blick auf die Scherben der Geschichte, auf die Bruchstücke, die man nicht mehr zusammenbringen kann.
Wie kann daraus ein spannender Musiktheaterabend werden?
Ich versuche, die Geschichte auf nachvollziehbare Situationen und Bilder herunterzubrechen. Da gibt es Rusalka, da gibt es die Waldnymphen, da gibt es den Wassermann, da gibt es die Jezibaba als Hexe. Wenn man mal über das Thema Naturwesen hinwegsieht, dann ist dieser bunte Haufen kein anderes Bild als eine klassische Familie - Vater, Mutter, Kinder. Dann versteht man auch, warum die Regeln so hart sind. Weil der Ausbruch Rusalkas aus diesem Familienverbund dazu führen würde, dass er sich auflösen würde.
Wie sieht das Ausstattungskonzept aus?
In der Darstellung des Menschen auf der Bühne glaube ich fast ausschließlich an etwas, das wir im Theaterjargon psychologischen Naturalismus nennen. Ich kann mit der Abstraktion menschlicher Gefühle nicht viel anfangen. Sie werden Menschen aus Fleisch und Blut erleben in einer Bühnenwelt, die zwischen Fantasie, Kühle und Nüchternheit funktioniert. Woran ich im Theater glaube, ist emotionale Nahbarkeit.
Wie gut kennen Sie Coburg inzwischen?
In Coburg bin ich unabhängig vom Inszenieren schon oft gewesen. Das war ein Ausflugsziel im Sommer von Bayreuth aus. Coburg ist schön, weil es überschaubar ist, weil es diese kurzen Wege hat. Nichts ist weit - nur der Weg nach Coburg ist weit von Frankfurt aus, wo ich lebe.
Was machen Sie als Regisseur, um die Ideen, die sie entwickelt haben, auch auf der Bühne umzusetzen? Es kann ja auch sein, das man nicht gleich verstanden wird.
Das ist, glaube ich, der unterschätzte Teil der Regiearbeit. Die Herausforderung an der Regiearbeit ist nicht, sich etwas besonderes Schlaues auszudenken, sondern es mit den Leuten umsetzen zu können. Die richtig guten Regisseure können das. Die guten Regisseure sind Leute, die Menschen mögen. Die guten Regisseure, die ich erlebt habe, mögen ihre Darsteller und wollen mit ihnen gemeinsam etwas erreichen. Wer als Regisseur seine Konzeption an den Leute vorbei plant, mit denen er arbeiten muss, der hat es dann sehr schwer. Ich setze eher auf die Gemeinsamkeiten, auf das Nachvollziehbare. Ich gehe eigentlich meist relativ entspannt in Premieren, weil ich in den Wochen vorher erlebe, ob meine Sänger den Abend mit tragen. Wenn sie das verinnerlichen, dann weiß ich: die Darsteller werden das Konzept mehr und mehr zu ihrem eigenen machen. Deswegen finde ich den schönsten Moment an der Regie das Loslassen. Dann kommen die Darsteller auf Sachen, die konnte ich mir am Schreibtisch nicht ausdenken. Erst an dieser Stelle wird Regie interessant - im Reagieren aufeinander. Wir haben einen unglaublich privilegierten Beruf, der zwar nicht unglaublich bezahlt wird. Aber das, was wir machen dürfen, ist toll. Wenn wir diese Freude nicht entwickeln, dann weiß ich nicht, wofür wir das machen. Ich will auf den Proben lachen, auch wenn ich die traurigsten Stücke inszeniere.
Wie erleben Sie ihre Probenzeit am Landestheater?
Was besondres an Coburg ist, das ist beispielsweise die Leidenschaft des Chores. Das hat etwas zu tun mit der Größe. Der Chor ist so klein, da kann sich niemand verstecken. Und sie haben hier die Konstellation von bestimmten Persönlichkeiten, die ein so gutes Arbeitsklima etablieren, dass für mich die Chorproben ein Genuss sind. An anderen Theater ist das oft harte Arbeit, weil man viele Leute motivieren muss, anstoßen muss. Da sind kleine Ensembles im Vorteil, die sich natürlich auch ins Negative verkehren können, wenn wenig Leute unglaublich belastet sind. Schade, dass in Rusalka der Choranteil so klein ist.
Sie bringen Antonin Dvoráks Oper "Rusalka" in Coburg auf die Bühne
Premieren-Tipp Antonin Dvorák "Rusalka" - Sonntag, 22. April, 18 Uhr, Landestheater Coburg
ProduktionsteamMusikalische Leitung: Roland Kluttig; Inszenierung: Tobias Heyder; Bühnenbild: Georg & Paul;
Kostüme: Verena Polkowski; Dramaturgie: Susanne von Tobien; Choreinstudierung: Davide Lorenzato
BesetzungDer Prinz: Milen Bozhkov
Eine fremde Fürstin: Kora Pavelic / Marlene Lichtenberg
Rusalka: Judith Kuhn / Betsy Horne
Der Wassermann: Michael Lion
Jezibaba, die Hexe: Kora Pavelic / Gabriela Künzler
Ein Heger: Franz Xaver Schlecht
Der Küchenjunge: Anna Gütter
1. Waldnymphe: Julia Da Rio
2. Waldnymphe: Anna Gütter
3. Waldnymphe: Emily Lorini
Ein Jäger: Franz Xaver Schlecht
Chor des Landestheaters Coburg
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg
TermineMatinee, Sonntag, 8. April, 11 Uhr; Aufführungen: 25. April, 19.30 Uhr, 29. April, 15 Uhr, 4., 15., 18., 24., 26. Mai, 19.30 Uhr, 31. Mai, 18 Uhr, 10. Juni, 15 Uhr, 27. Juni, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Tobias Heyder Der gebürtige Hamburger Tobias Heyder studierte in seiner Heimatstadt Musiktheater-Regie, bevor er an der Deutschen Oper am Rhein und am Theater Heidelberg assistierte. 2009 wechselte er als Regisseur an die Oper Frankfurt. Heyder ist Mitglied der "Akademie Musiktheater heute" der Deutschen-Bank-Stiftung und Gründungsmitglied der Kammeroper Rostock. Neben seiner Tätigkeit als Regisseur und Spielleiter setzt er sich für das Thema Publikumsvermittlung ein und leitete Wokshops und Veranstaltungen zum Thema Oper-Inszenierung und Regie. Am Landestheater Coburg hat er sich im Juni 2016 mit der Inszenierung von Henry Purcells "Dido and Aneneas" und Ralph Vaughan Williams "Rider to the sea" erstmals vorgestellt.
Sie bringen Antonin Dvoráks Oper "Rusalka" in Coburg auf die Bühne
Premieren-Tipp Antonin Dvorák "Rusalka" - Sonntag, 22. April, 18 Uhr, Landestheater Coburg
ProduktionsteamMusikalische Leitung: Roland Kluttig; Inszenierung: Tobias Heyder; Bühnenbild: Georg & Paul;
Kostüme: Verena Polkowski; Dramaturgie: Susanne von Tobien; Choreinstudierung: Davide Lorenzato
BesetzungDer Prinz: Milen Bozhkov
Eine fremde Fürstin: Kora Pavelic / Marlene Lichtenberg
Rusalka: Judith Kuhn / Betsy Horne
Der Wassermann: Michael Lion
Jezibaba, die Hexe: Kora Pavelic / Gabriela Künzler
Ein Heger: Franz Xaver Schlecht
Der Küchenjunge: Anna Gütter
1. Waldnymphe: Julia Da Rio
2. Waldnymphe: Anna Gütter
3. Waldnymphe: Emily Lorini
Ein Jäger: Franz Xaver Schlecht
Chor des Landestheaters Coburg
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg
TermineMatinee, Sonntag, 8. April, 11 Uhr; Aufführungen: 25. April, 19.30 Uhr, 29. April, 15 Uhr, 4., 15., 18., 24., 26. Mai, 19.30 Uhr, 31. Mai, 18 Uhr, 10. Juni, 15 Uhr, 27. Juni, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Tobias Heyder Der gebürtige Hamburger Tobias Heyder studierte in seiner Heimatstadt Musiktheater-Regie, bevor er an der Deutschen Oper am Rhein und am Theater Heidelberg assistierte. 2009 wechselte er als Regisseur an die Oper Frankfurt. Heyder ist Mitglied der "Akademie Musiktheater heute" der Deutschen-Bank-Stiftung und Gründungsmitglied der Kammeroper Rostock. Neben seiner Tätigkeit als Regisseur und Spielleiter setzt er sich für das Thema Publikumsvermittlung ein und leitete Wokshops und Veranstaltungen zum Thema Oper-Inszenierung und Regie. Am Landestheater Coburg hat er sich im Juni 2016 mit der Inszenierung von Henry Purcells "Dido and Aneneas" und Ralph Vaughan Williams "Rider to the sea" erstmals vorgestellt.