Die frühere Stadt- und Bezirksrätin feiert ihren 80. Geburtstag. Generationen von Schülern kennen sie noch als Lehrerin an der Schule in Bad Rodach. Auch im Alter hat sie immer einen vollen Terminkalender.
Dienstagsrunde, Museumsführung, Theaterbesuch, Gesangsverein: Roswitha Friedrichs Terminkalender ist voll. Da rennt einem schnell mal die Zeit davon, ja, genauso wie einem auch die Lebenszeit davonläuft. Die Grand Dame der Bad Rodacher Heimatgeschichte wird 80 Jahre - alt? Nein jung!
Roswitha Friedrich kann aus einem bewegten Leben erzählen, vergisst aber auch nie das Heute und das Morgen. Ihr Terminkalender hält Einsamkeit außen vor. "Ich hab‘ immer etwas vor", zeigt sie auf die Einträge, "und das hält mich fit." Fit ist sie - körperlich und geistig, lässt sich nicht gefangen nehmen von den Zipperlein des Alters. Sie hat sich frei geschwommen im Leben und nimmt in diesem aktiven Sog immer auch andere wieder bei der Hand und mit.
Roswitha Friedrich hat ein beachtliches Stück Heimatgeschichte in Bad Rodach mitgeschrieben und Geschichten übrigens auch, wie die von der Ida Schleicher zum
Beispiel. Der Ida hat sie sogar ein eigenes Festchen gewidmet, das "Fest bei Ida zum Hopfentee", das seit zwölf Jahren zu deren Geburtstag gefeiert wird, natürlich mit Hopfentee.
Bewegte Jugendjahre Die Familie, der Krieg und die Musik haben Roswithas Leben maßgeblich geprägt. Am 21. Oktober 1933 wurde Roswitha in Danzig geboren. Die Liebe zur Musik hatte sie vom Vater, der ihr ein sogenanntes halbes Cello schenkte und sie im Alter von sechs Jahren das Spielen lehrte. Als die Familie Anfang 1943 vor den Bombennächten floh, war das Cello zwar verbrannt, aber die zwei Flöten des Vaters und eine Aktentasche voller Noten wurden mit auf die Flucht genommen. Zunächst fand die Familie in Oeslau eine neue Heimat. Roswitha legte das Abitur ab und wurde Lehrerin.
Nach ihrer Hochzeit mit Egbert zog sie mit ihm nach Rodach.
Mit ihrem Cello reiste sie durch den Landkreis, spielte mit den Neustädter Musikfreunden Kirchenkonzerte, bereicherte das Collegium Musicum, musizierte in der evangelischen und in der katholischen Kirche in Rodach - und mit ihren Kindern. 30 Jahre lang lehrte Roswitha Friedrich an der Hauptschule Rodach und neun Jahre an der Grundschule. Englisch und Musik waren ihre Schwerpunktfächer. "Der Tobias Ehrlicher", verrät sie mit einem Augenzwinkern, "der war damals im letzten ersten Schuljahr vor meinem Ruhestand." Heute ist er Bürgermeister.
Experiment mit Neuntklässlern Eine strenge Lehrerin sei sie schon gewesen, gibt Roswitha Friedrich unumwunden zu. Aber: "Das hat meiner Liebe zum Beruf und der Liebe der Kinder zu mir keinen Abbruch getan." Noch heute wird sie oft und regelmäßig zu Klassentreffen eingeladen.
Und dann will sie doch lieber mit dem Wort "konsequent" das "streng" ersetzen.
Meist jedenfalls fand sie ein gutes Rezept, wie das Experiment mit den Neuntklässlern, die bei Haydn oder Mozart lange Gesichter zogen und dann gern auf den Kompromiss eingingen, im Wechsel ihre Musik vorzustellen sich auf Klassik einzulassen.
Mitgbegründerin der Awo Durch ihren Mann, einen beseelten Sozialdemokraten, kam Roswitha mit der Politik zusammen, fand in der SPD eine Heimat für sich und ihr Herz und ihren Mut, für die Menschen etwas zu bewegen. Sie gehörte zu den Mitbegründern der Awo, hob einen Altenclub aus der Taufe, den sie noch heute leitet und lehrt ("weil Gehirnjogging schon mit einem Ratespiel beginnt") und hat auch im Mehrgenerationenhaus die "Dienstagsrunde" installiert. Auch hier geht es nicht ganz ohne die Lehrerin in ihr.
Dichter werden vorgestellt, Kurzgeschichten und Gedichte gelesen, mit der Geo-Epoche Geschichte erklärt, und es werden Geschichten von eigensinnigen Frauen gelesen. Im Kleinen und in der lokalen Politik hat Roswitha Friedrich etwas bewegt. Zwölf Jahre lang saß sie mit dem SPD-Mandat im Stadtrat, ebenfalls zwölf Jahre im Bezirkstag.
Als 1997 Egbert Friedrich starb, war das ein Einschnitt in Roswithas Leben. "Ich hätte mich wie eine Schnecke ins Haus zurückziehen können", sagt sie, "aber das wollte ich nicht." Vielmehr trat sie das heimatgeschichtliche Erbe ihres Mannes an, übernahm die Museumsführungen jeden ersten Sonntag im Monat und zwischendurch auf Sonderbestellung, kümmert sich seitdem auch ums Museum, in dem sie jede Ecke und jedes Exponat kennt und immer wieder Neues hinzufügt, weil ein Museum schließlich nicht stehen bleiben darf.
Stöbern in
Archiven Inmitten der heimatgeschichtlichen Zeugnisse und der immer wieder interessanten Begegnungen mit Menschen, aus denen so manche Freundschaft entstanden ist, fühlt sie sich wohl. Mehrere Schriften, die der Rückertkreis herausbringt, tragen ihren Namen. Sie recherchiert gern, liebt das Stöbern in Archiven, gräbt alte Geschichten aus, wie die des irgendwie verlorengegangenen Bürgermeisters Rudolf Brückner, den sie wieder zum Leben erweckte. Einen tapferen Mann nennt sie ihn, der im Nazi-Deutschland den Eid auf Hitler verweigert hatte und abserviert wurde.
Bücher begleiten sie ohnehin ein Leben lang, und es ist durchaus schwere Kost, die ihre Aufmerksamkeit fesselt.
Zurzeit liest sie - oft des Nachts - "Über die Vielfalt der Würde des Menschen" von Peter Bieri.
In der Familie verankert Von ihrer Tochter Kerstin erzählt sie, die Frauenärztin und deren Mann Peter der beste Koch in der Familie ist, und von den Enkeln Philipp und Niklas, die beide studieren. Lang Gesundheit wünscht sie sich und weiter ihre altbekannte Unternehmungslust. Sie will etwas erhalten und Neues beginnen. Sie reist gern und nennt ihr Auto ihren treuen Begleiter. Sie liebt Theater und immer wieder die Musik, ihr Lebenselixier, sie liebt ihre Pflanzen. Und sie hat jetzt keine Zeit mehr. Der Gesangverein Heldritt hat Probe, und da singt sie seit 25 Jahren mit.