Die Coburger SPD feiert ihr Oktoberfest gern mit prominenten Gästen. Diesmal: Ex-SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel.
"Sozialdemokraten müssen immer dahin, wo es unangenehm ist!" Das "Münchner Hofbräu" , wo die Coburger SPD seit einigen Jahren ihr Oktoberfest feiert, wird Sigmar Gabriel nicht gemeint haben - auch wenn gerade "Hulapalu" aus den Lautsprechern dröhnte, als Gabriel den Saal betrat.
Michael Busch als Landtagskandidat und Martin Lücke als Europakandidat der SPD gaben Gabriels Eskorte ab. Der Saal selbst war schon eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn gut gefüllt. Sigmar Gabriel ist bei den Coburgern offenbar eine Zugnummer. Vor elf Jahren hatte er hier schon einmal eine Wahlkampfrede gehalten und die Stimmung mächtig angeheizt.
Das tat der Ex-Umweltminister, Ex-Wirtschaftsminister, Ex-Vizekanzler und Ex-Parteivorsitzende diesmal nicht. Seine Rede geriet eher nachdenklich, trotz etlicher flotter Sprüche: "Ich habe mich gewundert , dass ihr euch das Oktoberfest mit Politik versauen wollt." Das Anzapfen überließ Gabriel dem Landtagskandidaten Michael Busch. Immerhin ließ er sich überreden, sich "fürs Foto" mit ans Fass zu stellen.
Dass einige Genossen, darunter Oberbürgermeister Norbert Tessmer, "und Gegenfreunde" fehlten, lag daran, dass zeitgleich ein Festakt zum 200. Geburtstag von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha stattfand. Gabriel zeigte sich informiert: "Ernst II. war ein wirklicher Liberaler, da können die von der CSU was lernen."
Genug der Lacher: "Julia ist die Hauptperson!" Die 14-Jährige saß im Publikum, ließ sich kurz auf die Bühne holen - denn "für Julia" und ihre Generation müsse heute die Politik gemacht werden, damit "das beste Deutschland, das es jemals gab" und Europa "nicht zuschanden geritten wird", betonte Gabriel.
"Die Leute wenden sich ab, weil sie den Eindruck haben, wir würden ihre Probleme nicht mehr kennen": Das war Gabriels Leitmotiv, die Variationen lauteten "wir müssen den Bürgern zeigen, dass wir ihre Sorgen kennen und uns kümmern", "als Politiker sind wir Dienstleister", "das Problem ist, dass wir viele in Deutschland vernachlässigt haben", "man muss ein bisschen bei Verstand bleiben als Politiker". Schwierigkeiten müssten benannt, Missstände beseitigt werden, aber "wir haben immer einen Grund, warum es gerade nicht geht". Das, so Gabriel eindringlich, mache die Leute unzufrieden; wenn sie dann noch die Erfahrung machen würden, dass sie nur die AfD wählen müssten, um endlich Aufmerksamkeit zu erhalten, sei das eine gefährliche Entwicklung.
Alle Parteien, auch die SPD, seien in den vergangenen 30 Jahren der Ideologie vom "schlanken Staat" gefolgt. Dabei hätten sie übersehen, dass staatliches Sparen im Endeffekt den Abbau von Lehrer- und Polizistenstellen bedeute, fasste Gabriel zusammen. "Ein Land wie Deutschland braucht einen starken Staat" und starke Gemeinden, denn "es gibt keine soziale Gesellschaft ohne soziale Gemeinden".