Wie Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Christian Ude in Coburg die Präsentation seines neuen Buches nutzt, um Wahlkampf für die Demokratie zu machen.
Ein schöner Abend für Christian Ude. Dieser Abend im großen Saal des Coburger Pfarrzentrums St. Augustin. Alle wollen etwas von ihm - ein paar persönliche Worte oder wenigstens ein Autogramm in Udes neuem Buch. Auch die kommunale Polit-Prominenz stellt sich artig an am Büchertisch, lässt sich den gut 230 Seiten dicken Band "Die Alternative oder: Macht endlich Politik!" signieren.
Coburgs Oberbürgermeister, Coburgs Dritter Bürgermeister, Coburgs Landrat, die junge Direktkandidatin im Bundeswahlkreis Coburg Kronach - die Amtsinhaber und Anwärter mit sozialdemokratischem Parteibuch erweisen dem prominenten Polit-Pensionär aus der Landeshauptstadt ihre Reverenz.
Andrang am Büchertisch
In dicken Stapeln wartet Udes neues Buch auf Käufer - und findet an diesem Abend auch tatsächlich zahlreiche neue Besitzer. Einen ganzen Tag hat Ude in der Region verbracht. Hat sich gemeinsam mit seiner Frau auf der Veste die Landesausstellung angesehen, hat am Nachmittag auf der Waldbühne Heldritt bei strömendem Regen eine Aufführung des Heimatvereins besucht ("Das tapfere Schneiderlein" - "sehr lustig", sagt Ude) und stellt am Abend auf Einladung der Buchhandlung Riemann sein neues Buch vor.
Streitbare Demokratie
Der Zuspruch ist ordentlich, der Andrang am Büchertisch beachtlich - der Coburg-Besuch also ein gelungener Werbe-Auftritt in eigener Sache? Nicht nur - denn Christian Ude präsentiert sich an diesem Abend nicht vorrangig als Werbebotschafter in eigener Sache. Der Polit-Rentner scheint vielmehr eine neue Rolle gefunden zu haben - die Rolle des mahnenden Anwalts für eine streitbare Demokratie.
Denn darum geht es Ude ganz entschieden an diesem Abend - um ein Plädoyer für den engagiert geführten politischen Diskurs. Der in Schwabing geborene Ude, der im Oktober 70 Jahre alt wird, ist gut in Form am Abend seines langen Coburg-Tages.
Kritik an den Kritikern
Vehement wehrt er sich gegen jene Kritiker, die in seinem neuen Druckwerk rechtsgerichtete Thesen entdecken wollen, nur weil im Titel die Formulierung "Die Alternative" auftaucht. "Man darf den Begriff Alternative nicht einer Splitterpartei überlassen", wettert Ude und holt aus zu einem kleinen etymologischen Exkurs zum Thema Alternative. Denn in den 60er Jahren sei dieser Begriff linksliberal besetzt gewesen.
In den 60er Jahren habe es den Spruch gegeben: "Ein vernünftiger Satz - und du bist ein Kommunist. Heute dagegen gelte die Formel: "Eine kritische Frage - und schon bist du ein Rechter." Wie der öffentliche Sprachgebrauch das politische Denken der Bürger verändert - darum geht es Ude in seinem Vortrag und bei seiner Lesung immer wieder. Alternativlos - an diesem Begriff beißt sich Ude geradezu fest. "Es ist nicht gut bestellt um die Diskussionskultur in diesem Land, wenn Politik behauptet, sie sei alternativlos. Dann ist die Politik eigentlich schon abgetreten."
Christian Udes Analyse der aktuellen politischen Situation in der etablierten Parteienlandschaft ist unmissverständlich: "Die Parteien haben Angst, dass eine offene Debatte die Uneinigkeit des eigenen Ladens deutlich werden lassen würde." Gefragt ist Ude an diesem Abend auch als Ratgeber - nicht zuletzt bei der von Thomas Apfel (Radio Eins) moderierten Fragerunde im zweiten Teil.
Gruppenbild mit Kandidatin
Angesichts der digitalen Medien, in denen sich der politische Diskurs seiner Erfahrung nach nur allzu auf auf Schwarzweiß-Malerei beschränkt, hat Ude eine unmissverständliche Empfehlung parat: "Jene Medien stärken, die sich noch um Inhalte bemühen." Auch wenn Ude im Anschluss an seinen Auftritt im Pfarrzentrum noch die Rückfahrt nach München vor sich hat - Zeit für ein Gruppenbild mit Bürgermeistern und Bundestagskandidatin nimmt er sich trotzdem. Denn natürlich weiß der ehemalige Polit-Profi Ude noch ganz genau, wie wichtig derlei Gruppenbilder im Wahlkampf noch immer sind.
Aus dem Leben eines ehemaligen Polit-Profis
Christian Ude wurde am 26. Oktober 1947 in München-Schwabing geboren und trat 1966 als Schüler der SPD bei. Während und nach dem Studium war er Redaktionsmitglied der "Süddeutschen Zeitung" und machte sich als Mieteranwalt bundesweit einen Namen. Von 1993 bis 2014 war Ude Oberbürgermeister von München, acht Jahre lang auch Präsident des Deutschen Städtetags. Bei der Landtagswahl 2013 trat er als Spitzenkandidat der SPD an. Seit seiner Pensionierung arbeitet Ude in der Erwachsenenbildung, an der Spitze der Äthiopienhilfe "Menschen für Menschen", als ehrenamtlicher Berater eines Oppositionspolitikers in Istanbul sowie in diversen sozialen und kulturellen Initiativen (www.christian-ude.de)
Buch-Tipp Christian Ude "Die Alternative oder: Macht endlich Politik!", 235 Seiten, broschiert, 16,99 Euro