Dieter Nuhr hat den herrschenden Alarmismus satt und erlaubt sich, darauf zu verweisen, dass in den letzten Jahren vieles viel besser geworden ist.
Früher war er, Nuhr, am Nörgeln, wie sein erstes Programm hieß. Aber das ist lange her, und genau das hat Dieter Nuhr so gründlich satt, dass er jetzt ein ganzes Kabarettprogramm gegen die permanent herrschende Nörgelei und Hysterie in Deutschland verfasst hat. Wahrscheinlich hat er vollkommen Recht: Das Subversivste, was man heute sagen kann, ist wohl, dass man mit unserem System grundsätzlich einverstanden ist. Dass wir in der besten aller Welten leben, die je auf diesem Boden hier existierten.
Dieter Nuhr hat eine geradezu revolutionäre Botschaft: Hey Leute, beruhigt euch. Es hat einen Grund, warum die halbe Welt eben zu uns kommen will. Bei uns hier werden die meisten Menschen nicht erschossen. Ihr sterbt nicht gleich am Stickoxid, ihr verliert, statistisch gesehen, vielleicht einen halben Lebenstag. Was auch ärgerlich sein kann, wenn die Champions League erst um 18 Uhr beginnt...
Im 30. Jahr seiner Bühnenpräsenz kam dieser klassische Kabarettist mit "Nuhr - hier und heute", einer gewaltigen Predigt gegen den real existierenden Alarmismus und die ritualisierte Unzufriedenheit, ob im persönlichen Leben oder in gesellschaftlicher Sicht, auch nach Coburg. Das Kongresshaus war am Donnerstag proppenvoll, die Leute folgten ihm fast drei Stunden lang sehr aufmerksam, mit prustendem Lachen und lange sogar mit konzentrierter Nachdenklichkeit - obwohl er sie die ganze Zeit belehrte.
Dieter Nuhr ist der klassische Aufklärer, ein Oberlehrer sogar, dazu ein eigentlich langweilig vollkommen systemkonformer. Und die Leute lassen sich das gefallen. In unserer Zeit, heute! Das ist ein Ding.
Wo seine Kollegen wie verrückt auf und ab hupfen, zugegeben meist sehr lustig sind dabei, rundum in die Pfanne hau en, entlarven, Tabus brechen, wo sie eines der nur noch seltenen erwischen, kommt Nuhr eher beiläufig daher. Hand in der Hosentasche, redet er mit fast kuschelnder Stimme über das Private und das Politische. Obwohl er schon auch Faxen machen kann; er weiß ja, dass er dem Affen Zucker geben muss; nach langem Vortrag sind das zum Beispiel Urologenwitze aus dem Internet. Er fragt extra scheinheilig sein Publikum, ob es noch einen Wunsch habe. Ja, noch einen Witz. Zwischen den Belehrungen führt Dieter Nuhr nämlich genüsslich immer wieder sein Publikum sich selbst vor. Er ist halt ein guter Lehrer. Der zudem nicht an der Eliteschule unterrichtet, sondern unter den "Spacken, Irren und Trotteln". Die mit ihren Blödheiten in Zeiten des Internets auch noch dermaßen viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sämtlichen Kanälen errungen haben.
Dass da wieder richtige Nazis rumlaufen
Tschuldigung, gemeint waren selbstverständlich nicht die Leute, die am Donnerstag ins Kongresshaus gekommen waren. Aber so generell, es ist doch nicht die Regierung, die Nuhr wirklich Sorgen macht, es ist das sogenannte Volk, das die Politiker in genau dieser Verfassung wählt. Und plötzlich wieder richtige Nazis rumlaufen lässt.
Weshalb eine Stunde in Demokratie-Grundlehre und Parlamentarismus und dem Wert des Kompromisses für die Zivilisation angebracht ist, immer mit treffenden Entlarvungen des alltäglich wichtigtuerisch - und zunehmend auch sehr gefährlich - öffentlich daher Geblubberten.