Weil eine Neustadterin ihren Rechtsanwalt bei Google öffentlich negativ bewertete, hat dieser sie angezeigt. Jetzt geht es um üble Nachrede.
Eine 39-jährige Neustadterin ist mit ihrem Rechtsanwalt, der ebenfalls aus Neustadt stammt, nicht zufrieden. Ihre Kritik veröffentlicht sie im Juli 2016 auf einem Bewertungsportal von Google, das von jedermann eingesehen werden kann.
Dort schreibt sie, dass sie sich den Neustadter als Anwalt genommen habe, weil sie Strafanzeige gegen einen Mann stellen wollte. Der Rechtsanwalt habe jedoch Telefonate mit ihrem Widersacher geführt und anschließend sein Mandat zurückgegeben. Kurz danach sei sie mit einer Gegenanzeige ihres Widersachers, der später zusätzlich noch eine Zivilklage anstrengte, konfrontiert worden. Beide Verfahren seien zwar niedergeschlagen worden, schreibt die 39-Jährige, doch der Anwalt habe "ihr Vertrauen ausgenutzt". Deshalb habe sie ihn bei der Rechtsanwaltskammer in Bamberg wegen eventuellen Parteiverrats gemeldet. Der Anwalt sei mit ihrem Prozessgegner "vertraut und bekannt", äußerte sie und nannte den Mann "befangen".
Das ließ er sich nicht gefallen
Gegen diese Bewertung ging der Anwalt gerichtlich vor. Er stellte Strafanzeige beim Amtsgericht Coburg. Nun muss sich die Neustadterin wegen übler Nachrede verantworten. Sie habe gewusst, dass "ihre Äußerungen für jedermann einsehbar waren und ... Internetnutzern automatisch empfohlen wurden, die auf der Seite von Google nach dem Rechtsanwalt suchten", formulierte es Staatsanwalt Michael Imhof in seiner Anklageschrift. Damit habe sie billigend in Kauf genommen, dass andere Nutzer ein "schlechtes Bild" des Anwaltes erhielten und von einer Mandatierung absehen würden. Schließlich sei nicht erwiesen, dass die von der Neustadterin erhobenen Vorwürfe der Wahrheit entsprächen.
Richterin Melanie Krapf machte von Anfang an deutlich klar, dass ungeachtet der Tatsache, ob die Angeklagte nun Recht habe oder nicht, die Bewertung klar über eine freie Meinungsäußerung hinausgehe. "Sie reden hier von Parteiverrat", sagte sie und fragte nach, warum die Bürokauffrau die Bewertung erst nach 13 Jahren veröffentlicht habe. "Die Sache beschäftigt mich immer noch", erwiderte die Neustadterin. "Das ändert nichts an dem Umstand, dass Sie das nicht hätten schreiben dürfen", erklärte die Richterin.
Gefährliche Terminologie
Anwalt Albrecht Freiherr von Imhoff verdeutlichte die Gründe: "Meine Mandantin hat sich verraten gefühlt", erklärte er. Sie habe verschiedenen Quellen wie einer Anwaltshotline vertraut. Von Imhoff sprach von "Vertrauensmissbrauch": "Wie man das dann jedoch äußert, ist die Frage." Die Terminologie, die seine Mandantin, die sich ganz auf die Aussagen von Anwälten gestützt habe, benutzt habe, bezeichnete er als "gefährlich".
Richterin Melanie Krapf stellte fest, dass es bereits vor 13 Jahren ein Verfahren gegen die Frau gegeben habe, das jedoch eingestellt worden sei, weil sie schuldunfähig gewesen sei. So wie sich die 39-Jährige dem Gericht gegenüber verhalte - sie habe auch mehrmals angerufen -, stelle sich die Frage, ob "wir sie nicht doch noch einmal untersuchen lassen sollten".
Die Angeklagte lehnte jedoch ab, sich einem Gutachten zu unterziehen. "Wir können alle Akten beiziehen und das Thema ausführlich behandeln", erklärte ihr die Richterin das Prozedere zum weiteren Verfahren. "Sollte jedoch in einem Gutachten herauskommen, dass Sie schuldfähig sind, gibt es eine Eintragung ins Bundeszentralregister" - mit allen möglichen negativen Konsequenzen für die Frau.
Nachdem seine Mandantin entsprechend missbilligende Äußerungen machte, stellte ihr Verteidiger die "Möglichkeit der Befangenheit" in den Raum und zog sich mit ihr zur Beratung zurück. Nach der Pause stellte schließlich auch Staatsanwalt Michael Imhof den Antrag, die Schuldfähigkeit der Neustadterin prüfen zu lassen. Bei dem Gutachter habe sie alle Möglichkeiten, sich über ihren Fall zu äußern, sagte die Richterin. "Er bekommt alle Akten, er wird mit Ihnen sprechen." Weitere Meinungsäußerungen über den Neustadter Rechtsanwalt - die Frau hatte sich auch über Facebook geäußert - solle die Neustadterin bis zur Klärung des Sachverhaltes jedoch unterlassen, riet ihr die Richterin.
Staatsanwalt Michael Imhof wörtlich (LG-Coburg 2Ns 123 Js 1067312):
„Die Vergleiche mit dem Dritten Reich sind schon heftige Beleidigungen. …Die Richter haben einfach nur ihren Job gemacht. ...Schliesslich denke ich muss man hier auch berücksichtigen, dass er hier nicht irgendwen beleidigt hat, sondern das er Richter beleidigt hat aufgrund Ihrer Dienstausübung.“ (3:03:10)
Alle Erklärungen bezogen sich auf eine willkürliche und rechtsbeugerische Dienstausübung der familiären Kollegen ("Systemfehler", Der Spiegel 51/2013), die also deren normaler Job ist, den die einfach nur machen.
Das vorstehende war so im Dritten Reich strafbar. Heute ist das aber gerade nicht mehr so:
BVerfG: Maßnahmen der öffentlichen Gewalt dürfen auch scharf kritisiert werden
(Beschluss vom 24.07.2013, Az.: 1 BvR 444/13 und 1 BvR 527/13).
Das BVerfG betont, dass die Strafgerichte bei der Beurteilung von Kritik an öffentlichen Stellen berücksichtigen müssen, dass das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört. Dieser Aspekt ist bei der gebotenen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht deshalb besonders hoch zu veranschlagen. (Siehe auch Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen | Vf. 100-IV-10; BVerfG in 1 BvR 232/97 vom 12.11.2002; BVerfG 1 BvR 2844/13; BVerfG, Beschluss v. 28.7.2014, 1 BvR 482/13 uvam.)
Man soll also gemäss ihm für etwas sogar möglichst hoch bestraft werden was gerade nicht mehr strafbar ist. Und weil er mit Richterin Barausch die gleiche Rechtssprechung des Dritten Reichs praktiziert ist das eine "heftige" Beleidigung.
Unschuldig verurteilt mit unfassbarer Wirklichkeit bei Gerichten, die in Romanen überzogen wäre, Psychologe Prof. Steller klagt Justiz an, zeit-online, 19.11.2015
Also ich kann darin jetzt oberflächlich gesehen keine Beleidigung erkennen, es sei denn man legt die üblichen Masstäbe und Ideen von 1933 zu Grunde. "Sie reden hier von Parteiverrat": Das war sicherlich sachbezogen. Fraglich wäre auch ob die Meinungsfreiheit gegenüber Anwälten, die sich der staatlichen Obrigkeit zurechnen nicht sogar so frei ist oder in die Richtung tendiert wie gegenüber gewaltausübenden Menschen wie Richtern.
BVerfG: Maßnahmen der öffentlichen Gewalt dürfen auch scharf kritisiert werden (Beschluss vom 24.07.2013, Az.: 1 BvR 444/13 und 1 BvR 527/13). http://wp.me/p5OHH0-1rR
Aber auch das wird in Coburg vollständig ignoriert, weil man anderen Ideen verwirklichen möchte.
Es geht schliesslich um den Kampf ums Recht:
Wenn es um eine Meinungsäußerung vor Gericht geht, darf „im Kampf ums Recht“ ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um polarisierend seine Meinung zu Gehör zu bringen; selbst personenbezogene starke Formulierungen können gestattet sein (BVerfG NJW 2000, 199).
Richter in Coburg werfen Bürgern auch völlig aus der Luft gegriffen Straftaten vor und feiern das untereiander.
Richterin Melanie Krapf hat jedenfalls einen Reisekostenentschädigungsantrag in völliger inkompetenz abgewiesen: http://blog.justizfreund.de/reisekostenentschaedigungsinfo-fuer-mittellose-angeklagte
Wenn das ihrer fachlichen Kompetenz auch im vorliegenden Fall als Richterin entsprochen hat, dann gute Nacht.