Bei seinem Gastspiel im Rathaussaal demonstriert der in Berlin lebende Virtuose, wie vielseitig sich das Bandoneon einsetzen lässt.
Der Bandoneonist Klaus Gutjahr ist ein musikalischer Überzeugungstäter. Seine Mission: seinem Instrument, dem Bandoneon, in der Öffentlichkeit wieder zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. "Dazu trägt auch das Bandonion-Orchester Neustadt bei", sagt Gutjahr bei seinem Gastspiel in der Reihe der Rathaus-Konzerte: "Für mich ist dieses Konzert regelrecht ein Heimspiel." Das ist mehr als nur eine freundliche Floskel. Denn die persönlichen Verbindungen zum Bandonion-Orchester reichen tatsächlich viele Jahre zurück. Gutjahr erlebt denn auch in Neustadt nicht nur ein besonders interessiertes und fachkundiges, sondern auch ein besonders applausfreudiges Publikum.
Dabei mangelt es dem Bandoneon-Missionar mit Blick auf sein Instrument keineswegs an Selbstbewusstsein. "Auf diesem Instrument kann man eigentlich fast jede Art von Musik spielen", verkündet Gutjahr und macht sich dann als Interpret daran, diese These zu beweisen.
Dabei demonstriert er im ersten Teil, dass sich auf dem Mitte des 19. Jahrhunderts von dem deutschen Konstrukteur Heinrich Band aus der Konzertina entwickelten Instrument beispielsweise Barockmusik überraschend stilvoll musizieren lässt. Gutjahr beweist das mit Werken von Girolamo Frescobaldi und Domenico Scarlatti ebenso nachdrücklich wie mit einigen der "Kleinen Präludien und Fugen" für Orgel, die Johann Sebastian Bach zugeschrieben werden: "Bach hat ja lange vor der Zeit des Bandoneons gelebt. Dennoch hat er Musik geschrieben, die sich wunderbar auf unserem Instrument spielen lässt."
Bachs "Air" auf dem Bandoneon Aber auch an Bachs "Air" aus der Orchestersuite D-Dur oder ein Klavierstück von Modest Mussorgskij wagt sich Gutjahr unerschrocken heran. Auf sein Instrument kann sich der Musiker Gutjahr jederzeit verlassen. Schließlich profiliert er sich seit vielen Jahren nicht nur auf dem Konzertpodium, sondern auch als Instrumentenbauer.
Im zweiten Teil lädt Gutjahr dann dazu ein, die Entwicklungsgeschichte des Tangos im musikalischen Zeitraffer klingend zu erleben - verwandte Gattungen und Formen wie Habanera und Milonga eingeschlossen. Ganz nebenbei beweist Gutjahr dabei auch, dass er nicht nur ein Bandoneon-Virtuose von Format, sondern auch ein tadellos versierter Arrangeur ist. Klar, dass das begeisterte Publikum in Neustadt den Künstler erst nach mehreren Zugaben endgültig verabschiedet.