Besonders gefiel den Zuhörern die wahre Geschichte von der Dame, die auf dem Weg zum Friseur mit ihrem Auto verunglückte, was sie aber nicht vom Wahrnehmen des Termins abhielt. Den verdutzten Polizisten erklärte sie später: "Vier Stunden dauert meine Welle, ich kann nicht weg hier auf die Schnelle."
Wie im Vorfeld bereits Bürgermeister Tobias Ehrlicher zeigte sich sein Stellvertreter Geiling am Donnerstag stolz darauf, dass in "seiner" Stadt diese Tradition trotz aller Nachwuchs-Probleme aufrechterhalten werden kann. In diesem Jahr waren es seit Anfang Mai 19 Auftritte der Nachtwächter. Jeden Donnerstagabend um 20 Uhr begann der traditionelle Rundgang durch die historische Altstadt. Bei jedem Auftritt kamen neue Verse hinzu. Durch die Kombination der alten Tradition und aktueller Geschehnisse verschmelzen beim Rundgang Vergangenheit und Gegenwart.
Nach der Vorstellung zogen Nachtwächter und Gäste am Donnerstag gemeinsam durch die illuminierte Stadt, um in der Destillerie Möbus einzukehren. Zuvor hatten sich überraschend viele Interessierte um 19.30 Uhr am Schlossplatz eingefunden, um den Nachtwächterturm zu erklimmen. In zwei Gruppen musste Dieter Weil von "Bad Rodach begeistert" sie das alte Gemäuer zur Turmstube hinauf begleiten, wo ihnen Engelhardt schilderte, wie sich die Idee von der europäischen Nachtwächter- und Türmerzunft entwickelte.
Am Schlossplatz starten auch an den übrigen Donnerstagen der Saison die Nachtwächter um 20 Uhr zu ihrem Rundgang. Die Inszenierung am Alten Pulverturm findet nur am ersten Donnerstag im Monat statt. Das nächste Mal wird dies erst wieder am 7. Mai 2020 der Fall sein.
Neue Nachtwächter
Für die neue Saison kündigte Ramona Stegner vom Stadtmarketing frische Konzepte an. So soll durch die Gästeführer-Gilde des Regionalmanagements Coburger Land noch in diesem Jahr begonnen werden, neue Nachtwächter auszubilden.
Führungen durch die historische Altstadt wird es in der Kurstadt nach dem Ende der Nachtwächtersaison noch geben, zum Beispiel bei der romantischen Abendführung am Mittwoch, 11. September, ab 19 Uhr. Die Gäste-Information Bad Rodach bittet Interessenten, sich dazu unter Telefon 09564/1550 anzumelden.
Nachtwächter-Tradition in der Kurstadt
1982 besann sich der Fremdenverkehrsverein von Rodach (später Kur- und Tourismusverein Bad Rodach und Umgebung) auf die Tradition des Nachtwächters, um das touristische Angebot der Kurstadt zu erweitern. Am 27. Juli trat der erste Nachtwächter auf. Ein Jahr später fand hier das erste deutsche Nachtwächtertreffen mit Vertretern aus Dinkelsbühl, Meersburg, Münster, Nördlingen, Prichsenstadt, Rothenburg und Rodach statt. Auf dem Georgenberg beschlossen die Teilnehmer damals eine Nachtwächter- und Türmerzunft zu gründen. Nachdem auch andere Länder Interesse bekundeten, wurde 1987 im dänischen Ebeltoft die europäische Nachtwächter- und Türmerzunft aus der Taufe gehoben. Zwar gilt Bad Rodach als deren Zentrum, doch konnte hier aus bürokratischen Gründen die Zunft nicht neu gegründet werden, weil es in Deutschland eine solche Zunft zuvor nie gab.
Der von der Zunft verfolgte Gedanke drückt sich in der dritten Strophe der europäischen Nachtwächter- und Türmerhymne aus: Wächter, Türmer, die sich finden / schlingen festes Band, / wollen uns in Freundschaft binden/jeder für sein Land./Dieses Wollen gibt uns Kraft,/uns zusammenhält./Freundschaft zwischen Menschen schafft,/Frieden für die Welt.
Seit Auflösung des Tourismusvereins ist das Netzwerk "Bad Rodach begeistert" zuständig für die Nachtwächter-Veranstaltungen.