Nach dem Wegfall der Kontingentierung zum 1. April dieses Jahres befürchten die Landwirte in der Region beim Milchpreis einen Ruck nach unten. Einige haben sich schon beizeiten ein zweites Standbein geschaffen.
Ursula Kraus steht mit ihrem Mann Wolfgang im Melkstand und bringt das Melkgeschirr routinemäßig an. Gut 30 Kühe sind zu versorgen, die ersten Tiere stehen bereits in den Schleusen rechts und links des Melkstandes. "Wir sind ein auslaufender Betrieb, wir haben keine Nachfolger", sagt die 60-jährige Landwirtin aus dem Bad Rodacher Ortsteil Lempertshausen. "Wenn mit der Milch nichts mehr übrig bleibt, dann müssen wir wohl früher aufhören als gedacht."
Anlass zur Sorge gibt die Aufhebung der 1984 im Rahmen der EU-Agrarpolitik eingeführten Milchquotenregelung. Milchüberschüsse reglementieren, den Strukturwandel in der Landwirtschaft verlangsamen oder gar aufhalten, so begründeten die Politiker die Kontingentierung damals. Nach dem Wegfall dieses marktpolitischen Instruments zum 1. April 2015 befürchten nun allerdings auch die Landwirte in der Region einen Ruck beim Milchpreis: nach unten.
Besonders die kleinen Betriebe werden zu kämpfen haben "Es herrscht generell die Befürchtung, dass insbesondere die kleinen Betriebe mit 30 oder 40 Kühen sehr zu kämpfen haben werden, die Fixkosten bleiben ja", meint Ursula Kraus und fügt etwas resigniert hinzu: "Es kommt ja auch auf den Verbraucher an, da geht es natürlich nach dem Geldbeutel - und bei Lebensmitteln wird eher gespart als beim Urlaub. Für wenig Geld ein gutes Produkt - das geht aber eben nicht."
Aktuell steht der Milchpreis bei 32,3 Cent pro Kilo Milch und liegt damit gut fünf Cent unter dem Wert vom Frühjahr 1989. "Es ist enorm: Keine Generation auf der Welt hat so wenig für Nahrung ausgeben müssen", bestätigt Rudolf Schilling, Abteilungsleiter der Abteilung Förderung im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Coburg.
Für die kommende Zeit befürchtet auch er Turbulenzen am Markt: "Am Anfang hat die Regelung schon positive Ergebnisse erzielt, das war zur Zeit der Butterberge und Milchseen. Langfristig ist das allerdings umgeschlagen und bei solch einer restriktiven Einmischung kann es nach dem Wegfall der Kontingentierung natürlich zu Unausgewogenheiten am Markt kommen." Bei sehr knappen Milchpreisen könne die Milchviehwirtschaft nur mit höherer Leistung rentabel sein; es passt daher ins Bild, dass sich die Anzahl der Kühe innerhalb der letzten drei Jahrzehnte zwar halbiert, die verbleibende Hälfte ihre Leistung allerdings verdoppelt hat. Strukturwandel par excellence: In den letzten 30 Jahren fiel die Zahl der Milcherzeuger im Landkreis von über 1000 auf derzeit rund 200.
Problem Ukraine-Krise Auch Hans-Jürgen Rebelein, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes am Standort Coburg, blickt mit einiger Sorge in die Zukunft. "Unsere Befürchtungen sind natürlich, dass es einen Anstieg der Milchproduktion geben wird, auch wenn wir keine regelrechte Milchschwemme erwarten." Als problematisch stuft er zudem die russischen Handelssanktionen gegen westliche Produkte - unter anderem Milch - ein, die im Rahmen der Ukraine-Krise verhängt worden sind.
Ludwig Weiß, Direktor der Coburger Milchwerke, schließt sich diesem Meinungsbild an: "Die Milchquote hat nicht gebracht, was sie versprochen hat. Der Strukturwandel ist trotzdem vorangeschritten und die Milchpreise sind auch nicht gestiegen." Auch er geht davon aus, dass der Wegfall der Kontingentierung zu einem Anstieg in der Milcherzeugung führen wird.
"Das gibt kurzfristig Druck auf den Markt, aber wir sind im Landkreis Coburg ziemlich stabil und breit aufgestellt, genauere Auswirkungen sind da schwer vorauszusagen", so der Fachmann.
Dennoch könnten mit dem Abschied von der Milchquote Chancen verbunden sein. "Mit ihr fällt in jedem Fall auch eine enorme Bürokratie weg", meint Ludwig Weiß. Der Zukauf der Kontingente mit Spitzenpreisen von bis zu zwei DM pro Liter Milchkontingent habe junge und leistungsfähige Betriebsleiter in ihrer Produktion erheblich behindert. Ein Faktor, an den Johannes Jugenheimer aus Heldritt anknüpfen will. Im Familienbetrieb betreut der junge Landwirt zusammen mit seinen Eltern 40 Milchkühe. "Bisher waren wir an das Kontingent gebunden - die Tierzahl lässt sich am aktuellen Standort nicht steigern, aber die Menge einzelner Tiere", sagt er. Momentan sei eine Expansion allerdings zu unsicher, der Milchmarkt müsse sich erst wieder beruhigen.
Zahl der Milchviehhalter nimmt ständig ab Dass die Zahl der Milchviehbauern in der Region stetig abnimmt, beobachtet er seit einiger Zeit. Deshalb hat sich sein Betrieb zusätzliche Standbeine gesucht und vor einigen Jahren eine Biogasanlage gebaut, landwirtschaftliche Lohnarbeiten übernommen. "Unser Betrieb lebt schon jahrelang nicht mehr alleine von der Milchviehhaltung", sagt der Landwirt.