Amokfahrt im Lkw durch Franken: Landgericht Coburg fällt Urteil - Zweifel an Schuldfähigkeit des Angeklagten

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Der 39-jährige Angeklagte sitzt auf der Anklagebank im Landgericht Coburg. Er soll im Drogenrausch mit seinem Lastwagen durch Franken gerast sein, dabei Autos demoliert und sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben. Foto: Wera Engelhardt/dpa
Der 39-jährige Angeklagte sitzt auf der Anklagebank im Landgericht Coburg. Er soll im Drogenrausch mit seinem Lastwagen durch Franken gerast sein, dabei Autos demoliert und sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert haben. Foto: Wera Engelhardt/dpa

Am letzten Verhandlungstag im Prozess um den Amokfahrer Harald B. war das Medieninteresse am Landgericht Coburg groß. Am Ende des Tages wurde ein Urteil gesprochen. Doch die Verhandlung startete zunächst mit einer Überraschung.

Im Januar dieses Jahres hat Harald B. mit seinem Sattelzug eine Schneise der Verwüstung in Teilen Frankens hinterlassen.Auf seiner 334 Kilometer langen Amokfahrt gefährdete der Fernfahrer 23 Menschenleben und richtete mehr als 150.000 Euro Schaden an.

Am fünften und letzten Verhandlungstag im Prozess um den Amokfahrer Harald B. sollte das Schwurgericht der Ersten Großen Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Christoph Gillot ein Urteil sprechen. Die Plädoyers waren bereits am 17. Oktober gehalten worden. Entsprechend groß war auch das Medieninteresse am Montag am Coburger Landgericht. Zu Beginn der Verhandlung überraschte Gillot jedoch damit, dass das Gericht wieder in die Beweisaufnahme eintreten werde.

Ein Urteil gab es am Ende des Tages aber dennoch. Harald B. wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hat sich des fahrlässigen Vollrauschs schuldig gemacht. Des Weiteren wird dem Angeklagten die Fahrerlaubnis für ein Jahr und neun Monate entzogen. Nach dieser Zeit kann Harald B. seinen Führerschein neu machen. "Wir hatten es mit einem Fall zu tun, der immer noch viele Fragen aufwirft", begann Gillot die Urteilsbegründung.

Indizien sprechen für Schuldunfähigkeit

Der Richter sprach von einem besonders schweren Fall bei der Frage, allen Beteiligten gerecht zu werden. Für die Schuldunfähigkeit des Angeklagten sprachen am Ende nur Indizien, wie Gillot zugab. "Wenn wir es nicht ausschließen können, dass er schuldunfähig war, ist es zu seinen Gunsten auszulegen", betonte der Richter. Daher wurde im Zweifel für den Angeklagten entschieden. Für die Höhe des Strafmaßes seien besonders die Rauschtaten relevant gewesen. Hier nannte Gillot vorsätzliche Körperverletzung als schwerwiegendste Tat.

Sachverständiger Christoph Mattern, der das medizinische Gutachten erstellt hat, wurde am Montag erneut befragt. In seinem Plädoyer hatte Nebenklägeranwalt Jochen Horn, der einen verletzten Polizisten vertritt, erhebliche Zweifel über die Vollständigkeit des medizinischen Gutachtens geäußert und daher einen Beweisantrag gestellt. "Aufgrund der Plädoyers haben sich Sachverhalt salternativen ergeben, die tatsächlich in Betracht kommen", begründete Gillot die Entscheidung.

Gutachten war besonders wichtig

Dem Gutachten kam in dem Prozess entscheidende Bedeutung bei der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu. Harald B. hatte am Tattag, 23. Januar, Amphetamin zu sich genommen und dadurch einen Rauschzustand erlebt. Mattern kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der Fernfahrer schuldunfähig sei. Daher war Harald B. wegen Vollrausch und nicht wegen versuchten Totschlags oder gar Mord angeklagt worden. Mattern sollte gestern noch einmal Angaben zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten machen.

Der Psychiater betonte mehrfach, dass niemand außer Harald B. etwas über die Bewusstseinseinstellung des 39-Jährigen sagen könne. Da dieser sich dazu nicht äußerte, konnte Mattern seine Schlussfolgerungen nur aus dem Verhalten des Angeklagten ableiten. Nachdem die Beweisaufnahme abgeschlossen war, mussten die Plädoyers wiederholt werden. Bereits bei der letzten Verhandlung bestanden keine Zweifel an der Expertenmeinung des Sachverständigen. Lediglich Nebenklägeranwalt Horn hatte Bedenken geäußert. Staatsanwalt Martin Dippold machte es daher kurz und forderte, wie bereits vor zwölf Tagen, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.

Darüber hinaus sollte der Angeklagte seinen Führerschein für zwei Jahre und sechs Monate abgeben. Einer der zwei Nebenkläger bescheinigte Harald B. mehrfaches Glück. "Der Angeklagte hatte riesiges Glück, dass nichts passiert ist, dass er nicht erschossen wurde und dass ihm Schuldunfähigkeit attestiert wird", sagte der Polizist. Verteidiger Till Wagler forderte für seinen Mandanten eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.

Verteidigung verzichtet auf Revision

Während Verteidiger Till Wagler und sein Mandant auf Rechtsmittel verzichteten, gaben Staatsanwalt Martin Dippold und die beiden Nebenklägervertretungen keine Erklärung ab. Somit bleibt der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage eine Woche Zeit, um Revision gegen das Urteil einzulegen.