Liebesdrama kommt auf die Coburger Opernbühne

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"Norma": Probenszene mit Celeste Siciliano. In der Neuinszenierung von Bellinis Oper singt die Sopranistin die Titelpartie.Foto: Andrea Kremper
"Norma": Probenszene mit Celeste Siciliano. In der Neuinszenierung von Bellinis Oper singt die Sopranistin die Titelpartie.Foto: Andrea Kremper
Coburgs Generalmusikdirektor Roland Kluttig dirigiert "Norma". Foto: Marco Borggreve
Coburgs Generalmusikdirektor Roland Kluttig dirigiert "Norma". Foto: Marco Borggreve
 

Mit Vincenzo Bellinis "Norma" eröffnet das Landestheater Coburg am Samstag seinen Premierenreigen in der Spielzeit 2015/2016. Was er an Werk und Komponist besonders schätzt, erzählt Dirigent Roland Kluttig.

Wer an Bellinis Oper "Norma" denkt, kommt an der berühmtesten Arie dieses Werks nicht vorbei: "Casta Diva". Dass Bellinis zweiaktiges Melodrama freilich mehr zu bieten hat als diesen Hit, verrät Coburger Generalmusikdirektor Roland Kluttig. Er dirigiert die Premiere der Neuinszenierung an diesem Samstag im Landestheater. Regie führt Konstanze Lauterbach.

Bellinis "Norma" steht in diesem Jahr als Eröffnungspremiere auf dem Spielplan. Welche Bedeutung hat das Werk aus Ihrer Sicht in der Geschichte der Oper?
Roland Kluttig: Norma gehört mit Sicherheit zum Katalog der großen Opern. Sie wird allerdings nicht auf den ersten Plätzen der Beliebtheit bei den Dirigenten landen.

Warum?
Weil der Orchesterpart einfach sehr undankbar ist und in der Instrumentation schematisch daher kommt. Das allerdings ist nicht anders als bei einem frühen Verdi. Aber es ist ein Werk, in dem sich Bellinis Kunst der Melodie und der unendlichen Melodie auf das Allergrößte zeigt. Und: Es ist ein Werk, dessen Handlung - auch in der Art, wie sie erzählt wird - fast antike Größe hat. Das kann man von einigen Opern, die vielleicht einen interessanteren Orchesterpart haben, nicht behaupten. Das ist eine lohnende Auseinandersetzung, zumal das Werk in Coburg im 19. Jahrhundert wichtig war und jetzt schon sehr lange nicht mehr auf dem Spielplan stand. Unsere Orchestermusiker haben das alle noch nie gespielt.

Wieviel Verdi steckt schon in Bellini - oder wieviel Bellini in Verdi?
Verdi baut auf Bellini auf - das ist gar keine Frage. Wenn ich an das große Schluss-Tableau denke und die geradezu kathartische Schlusswirkung, dann ist das ein Modell für Verdis Opern. Das finden wir noch bis "Don Carlos". Es ist auch nicht so, dass Bellini nur ein Vorläufer ist. Das ist bei Bellini schon ganz stark ausgeprägt. Ich bin überzeugt davon, dass diese Oper die Zuschauer mitreißen wird - natürlich auch, weil wir eine grandiose Sängerbesetzung haben. Trotz der Arie "Casta Diva" ist "Norma" kein "One-Hit"-Stück. Es gibt mehrere Szenen auf diesem hohen Niveau. Außerdem gilt: Der Stoff ist einfach stark. Das ist ein ganz, ganz starker Konflikt, die Verbindung eines politischen Motivs mit einem privaten.

Warum ist Bellini heute so selten zu hören?
Die Geschichte ist manchmal einfach ungerecht. Es finden immer wieder auch Verdrängungswettbewerbe statt. Verdi hat nichts dafür getan, dass Bellini nicht gespielt würde. Er hat sich nie negativ über Bellini geäußert - ganz anders als Wagner mit Meyerbeer umgegangen ist. Es liegt wohl daran, dass es die Musik einer Zwischenzeit ist. Auch Weber (abgesehen vom "Freischütz") und Marschner werden seltener gespielt als Wagner. Die Musik sucht in dieser Zeit noch ihre Form. Trotzdem finde ich gerade die Musik von Zwischenzeiten außerordentlich faszinierend.

Hat sich das Verhältnis des Publikums zu Komponisten wie Bellini inzwischen verändert?
In den letzten 20 Jahren hat in Deutschland eine regelrechte Belcanto-Renaissance stattgefunden. Natürlich hängt das immer auch mit Sängern zusammen. Dass "Norma" überhaupt eine Rolle spielte - selbst in Zeiten, in denen niemand Bellini spielte - lag an Maria Callas und es lag vorher an Richard Wagner. Beide haben sich sehr für dieses Werk eingesetzt. Wenn es gelingt, großen Gesang und eine packende Regie miteinander zu verbinden, dann entsteht bei Bellini ganz große Kunst.

Wo liegt aus Ihrer Sicht die Herausforderung bei "Norma"?
Das emotional Berührende an diesem Stück sind diese unglaublichen Linien hauptsächlich der Norma. Die zu begleiten, ist spannend - das betrifft nicht nur "Casta Diva". Auch viele andere Stellen, die Norma singt, sind faszinierend in ihrer Melodiegestaltung. Das ist nicht einfach nur eine schöne Melodie, das ist wirklich kunstvoll empfunden bis ins Feinste. Dort dran zu bleiben, den richtigen Ton zu erwischen, das ist die Herausforderung. Das gleiche gilt für die mitreißenden Chorszenen. Dort den richtigen Gang, das richtige Tempo zu erwischen, um die ekstatische Wirkung zu entfalten, das ist eine große Aufgabe. Man muss ungeheuer konzentriert sein, man muss sich oft auch mit Begleitaufgaben zufrieden geben. Das ist kein rauschhaftes Vergnügen wie bei Wagner, Strauss oder dem späten Verdi, aber die Musik ist wirklich mitreißend.
Wo sehen Sie bei Vincenzo Bellini stilistisch Parallelen zu andern Komponisten?
Sein Orchestersatz erinnert mich sehr an den von Franz Schubert. Auch in der Art, wie er die Posaunen einsetzt. Beim Begleiten der Sänger und bei der Art, wie die melodischen Linien geschrieben sind, denke ich oft an Chopin. Auf eine bestimmte Art sind Schubert und Chopin Brüder im Geiste Bellinis. Am Sonntag gab es ja diese Soiree im Landestheater zu Ehren von Wilhelmine Schröder-Devrient. Das Interessante war, dass man beim Schlussgesang der Isolde eine Brücke zu Bellinis "Casta Diva" hören kann. Interessanterweise ist Bellini ja einer der wenigen Komponisten, bei denen Wagner mit seinem Lob und seiner Begeisterung nicht gegeizt hat.





Das Team für Bellinis "Norma" am Landestheater Coburg

Premieren-Tipp Bellini "Norma"; Premiere: Samstag, 19. September, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg; weitere Termine: 24., 27., 30. September, 8., 16. Oktober, 20. November, 2., 6. Dezember, 5. Januar 2016

Produktion Musikalische Leitung: Roland Kluttig
Inszenierung und Kostüme: Konstanze Lauterbach
Bühnenbild: Karen Simon
Choreinstudierung: Lorenzo Da Rio
Besetzung Pollione, römischer Prokonsul in Gallien: Milen Bozhkov/José Manuel
Oroveso, Druiden-Oberhaupt: Michael Lion/Felix Rathgeber
Norma, Druidin und Orovesos Tochter: Celeste Siciliano
Adalgisa, Novizin: Ana Cvetkovic-Stojnic/Kora Pavelic*
Clotilde, Normas Vertraute: Heidi Peters
Flavio, Freund Polliones: David Zimmer
Chor des Landestheaters
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg

Hintergrund Vincenzo Bellinis "Norma" nach einem Text von Felice Romani wurde am 26. Dezember 1831 in Mailand uraufgeführt. Das berühmteste Stück der zweiaktigen Oper ist die Arie der Norma "Casta Diva". Das Werk erlebte im 20. Jahrhundert eine Renaissance auf der Opernbühne - nicht zuletzt durch Maria Callas, die bis heute als bedeutendste Interpretin der Titelfigur gilt.