Claude Debussys "Pelléas et Mélisande" feiert am Samstag Premiere in Coburg. Regisseur Jakob Peters-Messer verrät, warum er diese Oper als Psychothriller sieht.
Coburg — Eine Dreiecksgeschichte, die in einem alten, irgendwie verwunschenen Schloss spielt - darum geht es bei der nächsten Opernpremiere des Landestheaters am Ostersamstag: Claude Debussys "Pelléas et Mélisande" nach dem gleichnamigen Drama von Maurice Maeterlinck. Dieser 19. April ist übrigens genau der Jahrestag der deutschsprachigen Erstaufführung, die 1907 in Frankfurt stattfand. Regie führt Jakob Peters-Messer, der bereits zweimal in Coburg zu Gast war.
Worum geht es in dieser Oper? Die Geschichte ist eigentlich ziemlich einfach und klar. Eine Dreiecks-Konstellation wie in vielen Romanen jener Zeit: Ehefrau, Ehemann, Liebhaber, Mord und Totschlag am Schluss. Das kommt aus einer bürgerlichen Tradition des 19. Jahrhunderts. Ausbruch der Frau aus der Ehe - das sind alles Aspekte, die mit hinein spielen.
Interessanterweise hat Maeterlinck sein Stück in einem sehr klaren Französisch geschrieben.
Wodurch entsteht die Spannung bei diesem Text?
Maeterlinck baut immer eine geheimnisvolle zweite Ebene ein. Ich nenne das Nebelkerzen. So beginnt das Stück ja schon. Der Mann findet eine Frau im Wald und man fragt sich: Was ist denn Schreckliches mit ihr passiert? Ist sie vergewaltigt worden? Schon entsteht ein geheimnisvolles Umfeld. Man weiß nicht: Woher kommt die Frau eigentlich? Das wird auch nicht aufgelöst bis zum Schluss. Die Frau ist eine Art Naturwesen. Sie agiert nach ganz eigenen Maßstäben. Deshalb ist sie auch so attraktiv und zugleich gefährlich für die ganze Gesellschaft.
Bei welcher Gelegenheit ist Ihnen das Werk erstmals begegnet?
An der Staatsoper in Berlin - in einer Aufführung von Ruth Berghaus.
Eine legendäre Inszenierung damals, ganz stilisiert. Später habe ich dann noch einige andere Inszenierungen gesehen, in denen das Stück in einer nebulösen, jugendstilhaften Atmosphäre spielte. Das finde ich immer ein bisschen gefährlich, weil man abdriften kann.
Wie bereiten Sie sich auf eine Inszenierung vor?
Die Hauptsache ist immer, die Atmosphäre des Stücks zu verstehen, ohne sich zunächst direkt um den Inhalt zu kommen. Wie funktionieren die Räume, was braucht das Stück? Das sind die Fragen, die am Anfang stehen. Bei "Pelléas" sind wir schnell zur Erkenntnis gekommen, dass wir einen recht konkreten Spielort brauchen.
Wie sieht das Konzept aus? Angelehnt an die Entstehungszeit. Nicht streng historisch, aber im Grunde kommt das aus der Zeit Ende des 19. Jahrhunderts.
Wir arbeiten mit konkreten Dingen, die aber manchmal auch etwas verfremdet sind. Gleichzeitig haben wir immer versucht, eine Art zweite Ebene einzuführen. Das Bett zum Beispiel, das eine Rolle spielt, ist eine schwarze Kiste und erinnert auch ein wenig an einen Sarg.
Was reizt Sie an dieser Oper? Mich interessiert weniger das Märchenhafte, sondern der Aspekt Psychothriller. Das Krimimäßige - das zeichnet die Musik auch nach. Das Unheimliche, das Rätselhafte haben wir auch in unserer Inszenierung betont, indem wir etwas weggegangen sind vom rein Naturhaften. Wir haben die Handlung in eine Art Geisterhaus verlegt, mit ganz vielen komischen Kammern, mit Winkeln und Ecken, mit Treppen, die ins Nichts führen. Es gibt merkwürdige Räume, in denen Schreckliches passieren kann oder schon passiert ist.
Wer an Debussy denkt, denkt oft zunächst an Klangrausch und orchestrale Opulenz. Wie passt eine Oper wie "Pelléas" an ein kleines Haus wie das Landestheater? Der große, breite Debussy-Sound ist gar nicht das, was für das Stück gut ist. Denn es gibt auch einen anderen Aspekt, der für Debussy wichtig ist - das Zeichnerische, die Präzision, die die Musik auch besitzt. Ich höre vor allem die Klassizität, eher die Clarté als den Klangrausch. Wenig Blech, sehr feine Holzbläserstimmen, mehr zeichnerisch als malerisch, von der Linie her gedacht, nicht mit breitem Pinsel. Debussy hat sich selber eher als Klassizisten gesehen. In Coburg ist die Akustik sehr trocken und klar.
"Pelléas et Mélisande" ist ein Meisterwerk des Musiktheaters im 20. Jahrhundert.
Trotzdem taucht diese Oper relativ selten auf den Spielplänen deutscher Bühnen auf. Wie erklären Sie sich das? Debussy arbeitet nicht mit melodramatischen Effekten, sondern mit der Kunst des Übergangs, mit Klangfarben und Stimmungen. Manche sagen, das Stück sei monochrom, weil es so dahinfließt. Aber im Grunde sind es viele kleine Stimmungen, Details, auf die es ankommt. Es gibt keinen Moment, an dem man sich ausruhen kann. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass "Pelléas" die erste Literaturoper ist. Debussy folgt ganz genau dem Schauspieltext.
Worauf müssen Sie als Regisseur bei dieser Oper besonders achten? Ganz wichtig ist, dass die Sänger wie Schauspieler agieren. Das sollte zwar eigentlich immer so sein. Aber hier ist es ganz besonders wichtig, weil sie keine Wiederholungen haben, weil sie im Grunde wie Schauspieler Schauspieltexte gestalten müssen.
Das war die Hauptarbeit.
Das Werk und seine Interpreten in Coburg Premieren-Tipp Claude Debussy "Pelléas et Mélisande", 19. April, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg
Termine 23., 25. April, 7., 15., 22., 30. Mai, 6., 14. Juni, 1. Juli, 19.30 Uhr
Produktionsteam Musikalische Leitung: Roland Kluttig;
Inszenierung Jakob Peters-Messer; Bühne: Markus Meyer; Kostüme: Sven Bindseil; Cho r einstudierung: Lorenzo Da Rio; Dramaturgie: Renate Liedtke
Besetzung Arkel, König von Allemonde: Michael Lion
Pelléas: Joel Annmo
Mélisande: Verena Usemann
Golaud: Rainer Scheerer
Geneviève: Gabriela Künzler
Yniold, Golauds Sohn aus erster Ehe: Luise Hecht
Ein Arzt: Thomas Unger
Chor des
Landestheaters (Einspielung)
Philharmonisches Orchester Landestheater Coburg
Jakob Peters-Messer hat bereits mehrfach am Landestheater gearbeitet. So inszenierte er Glucks "Iphigenie auf Tauris" im Herbst 2010. Im Juni 2012 folgte Händels "Rinaldo". Die Ausstattung stammte wie jetzt bei "Pelléas et Mélisande" von Markus Meyer (Bühnenbild) und Sven Bindseil (Kostüme). Seit 1994 arbeitet Jakob Peters-Messer als freischaffender Regisseur.
Entstehung Claude Debussy komponierte sein "Drame lyrique" nach dem gleichnamigen Schauspiel von Maurice Maeterlinck im Wesentlichen von September 1893 bis August 1895. Die Erstfassung erlebte ihre Uraufführung am 30. April 1902 in Paris.
Darum geht es Golaud findet die um ihre Krone trauernde Mélisande. Er wirbt um sie und holt sie an den Hof König Arkels. Dort lernt Pelléas, Golauds Bruder, Mélisande vor der Hochzeit mit Golaud kennen und das Drama beginnt.