Wer über die zu Ende gehende Spielzeit des Landestheaters spricht, kommt am Thema Wasserschaden nicht vorbei und landet unweigerlich beim Thema Generalsanierung. Intendant Bodo Busse verrät, wann er frühestens mit dem Beginn der Arbeiten rechnet.
Diese Spielzeit wird in die Annalen des Landestheaters eingehen. Der massive Wasserschaden Ende Oktober hatte für mehr als zwei Monate fast sämtliche Vorstellungen in Coburgs Musentempel am Schlossplatz unmöglich gemacht. Darüber hinaus wurde der Spielplan gehörig durcheinander gewirbelt. Klar, dass viele abgesagte Vorstellungen auch viele Zuschauer gekostet haben. Wie viele, lässt sich nicht ganz genau sagen.
Denn wie soll ein buchstäblich ins Wasser gefallener erwartbarer Publikumserfolg wie Donizettis "Liebestrank" verbucht werden? Mit seiner vierten Saison am Landestheater endet Bodo Busses erster Vertrag als Intendant in Coburg. Sein im März 2013 verlängerter Kontrakt bindet den Prinzipal noch weitere fünf Jahre an das historische Haus am Schlossplatz.
Fünf weitere Jahre, in denen die seit geraumer Zeit diskutierte und vorbereitete Generalsanierung endlich beginnen, vielleicht sogar abgeschlossen sein wird?
Herr Busse, im Rückblick auf Ihre ersten vier Jahre in Coburg: Was hat Sie positiv überrascht?
Bodo Busse: Dass wir den angekündigten Spielplanstrategien treu bleiben konnten. Natürlich haben wir einige Korrekturen bei der Platzierung der Produktionen vorgenommen mit Blick auf die Besucherfrequenz. Sehr gefreut habe ich mich, dass wir unsere Linien mit dem vorklassischen Repertoire fortsetzen konnten. Erfreut war ich, dass die Coburger auch den ästhetisch ungewöhnlichen Zugriff auf Stoffe emotional annehmen wie zum Beispiel bei "Butterfly" in der letzten Spielzeit oder jetzt bei "Savitri".
Würden Sie im Rückblick dennoch manches anders machen wollen?
Vielleicht haben wir manches Stück zu früh abgespielt.
Was wir anfangs unterschätzt haben, ist die Mundpropaganda, die eine gewisse Zeit braucht. Leider war es dann manchmal so, dass wir das Stück abgesetzt haben, absetzen mussten, als die Vorstellungszahlen gestiegen sind. Darauf zu reagieren ist allerdings wahnsinnig schwierig, weil wir unsere Vorstellungstermine langfristig planen müssen. Auch für unsere Gäste von auswärts müssen wir verlässlich sein. Eventuell müsste man manche Produktionen früher in der Saison bringen und dann auf die Spielzeit verteilt länger laufen lassen. Vielleicht hätten wir "Pelléas et Mélisande" im Oktober herausbringen sollen, in der verkaufsstärksten Zeit.
Was war Ihr schönstes Erlebnis in dieser ungewöhnlichen Saison?
Das hängt auch mit dem Wasserschaden zusammen: Als mir unser technischer Leiter Daniel Kaiser gesagt hat, dass wir ab 7.
Januar wieder auf die Bühne des Großen Hauses können. Wir standen ja kurz vor der kompletten Schließung, auch wenn wir unsere Ängste bewusst nicht nach außen getragen haben.
Seit Jahren wird über die Generalsanierung geredet. Wagen Sie doch einfach eine Prognose: Wann beginnen die Arbeiten?
Das Frustpotenzial wächst, gleichzeitig aber auch die Hoffnung auf neue kommunalpolitische Impulse, die vielleicht in Richtung München gehen. Optimistisch geschätzt kann ich mir vorstellen, dass die Sanierung Ende der Saison 2016/2017 beginnt.
Sie hatten gehofft, die Generalsanierung ohne Komplettschließung bewerkstelligen zu können. Wie sieht der aktuelle Stand aus?
Diese Option ist wohl doch nicht realisierbar. Die notwendigen Eingriffe in die Bausubstanz sind so tiefgreifend, dass das ohne komplette Schließung nicht machbar ist.
Man muss sich wohl an den Gedanken gewöhnen, dass wir eine Ausweichspielstätte benötigen. Diese alternative Spielstätte muss stadtnah gelegen sein. Deshalb haben wir uns schon intensiv Gedanken über den Anger macht. Dabei sollte man diese Überlegungen immer auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehen. Vielleicht sollte man nochmals sehr genau nachdenken über die Form einer Ausweichspielstätte. Das können modulare Lösungen sein, die danach weiter verwendet werden können. Und vielleicht ist auch eine Art von Stadthalle kein ganz falscher Gedanke. Der Ruf nach einer Mehrzweckhalle, auch nach einer Konzerthalle tönt sehr laut. Vielleicht ließe sich ein solches Projekt ja mit einer alternativen Spielstätte für das Theater verbinden.
Wann könnte die Sanierung frühestens abgeschlossen sein?
Wenn alles perfekt läuft, könnte die letzte Premiere meiner zweiten Amtszeit 2019 die Wiedereröffnungspremiere sein.
Der Freistaat Bayern hat seine Zuschüsse für das Landestheater vor Jahren eingefroren. Wie sehen Sie unter diesem Aspekt die Zukunft des Coburger Musentempels?
Ich hoffe sehr, dass sich der Freistaat Bayern endlich mehr öffnet und die Notsituation hier in Nordbayern erkennt - auch wenn München weit weg ist. Aber unser Finanzminister Markus Söder sitzt ja in Nürnberg. Es muss ein politischer Wille da sein, die Kulturlandschaft mit der Generalsanierung zu stärken. Wir tun künstlerisch alles dafür, dass das Landestheater ein kultureller Leuchtturm nicht nur für Coburg, sondern für die Region ist. Aber mehr als gute Produktion anzubieten, können wir nicht leisten.
Dass müsste jetzt auch mal honoriert werden. Vielleicht müssten wir den Politikern noch mehr auf den Füßen stehen. Wir sind ein Repräsentant des Freistaats - mit unseren Kooperationen auch im Ausland. Der Freistaat müsste deshalb finanziell eine kräftige Schippe drauflegen. Die Produktion, die am teuersten war, hat übrigens die beste Platzauslastung erzielt - "Lohengrin". Mit wenig Geld kann man nicht gut Theater machen. "Lohengrin" war nur durch Sonderzuwendungen machbar. Das kann keine Dauerlösung sein. Bei der Sanierung geht es nicht um Luxuswünsche des Theaters, sondern um die Konsequenzen aus arbeitsrechtlichen Tatsachen. Es muss doch mal allen klar werden, dass wir keinen professionellen Orchesterprobensaal, keinen Ballettprobensaal haben.
Wie soll es mit dem Genre Operette weitergehen?
Mit dem "Weißen Rössl" haben wir endlich mal einen Volltreffer gelandet.
Damit haben wir auch ein jüngeres Publikum angesprochen. "Die lustige Witwe" dagegen ist etwas unter den Erwartungen geblieben, was die Besucherzahlen angeht. Die "Witwe" ist nach dem Wasserschaden mit viel weniger Bühnenproben als eigentlich üblich "heraus gequetscht" worden. Das Stück ist nie wirklich ganz rund gelaufen, obwohl es sehr gut besetzt und sehr gut inszeniert war. Die Operette ist nach wie vor die größte Herausforderung für uns. Die Erwartungen sind sehr komplex. Einerseits wollen wir natürlich das traditionelle Operettenpublikum ansprechen, aber andererseits wollen wir auch ein jüngeres Publikum erreichen.
Gibt es Wunschstücke, die Sie in den nächsten Jahren in Coburg unbedingt machen wollen?
"Parsifal" und "Die Meistersinger" wären Stücke, die in Coburg mal wieder gemacht werden müssten - auch die großen Strauß-Opern.
Darüber hinaus wird es Zeit, wieder einmal eine Uraufführung am Großen Haus zu zeigen. Die zeitgenössische Oper muss auch im Großen Haus ein Thema werden. Mit unserem Generalmusikdirektor Roland Kluttig sind wir auf der Suche. Uraufführungen sind wichtig - ein solches Haus hat die Verpflichtung, neue Werke heraus zu bringen. Natürlich wollen wir das Publikum nicht verschrecken. Aber wir haben jetzt das Repertoire Richtung Vorklassik schon erweitert. Nun muss das zeitgenössische Repertoire folgen.