Wenn die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt 2017 in Betrieb geht, sollen darauf auch Güterzüge rollen. Allerdings ist die Strecke nicht für jede Lok geeignet.
"Das Betriebsprogramm für die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt sieht die Belegung mit 24 Reisezügen je Tag und Richtung vor." So stand es im Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsbeschluss für eben jene Schnellbahn-Neubaustrecke vom Februar 1996.
Zu den 24 Reisezügen (16 ICE, acht Interregios) sollten 84 Güterzüge kommen. Damals. Damit wurde der Neubau der Strecke unterm Thüringer Wald wirtschaftlich begründet - bei geschätzten Kosten von 4,5 Milliarden Euro. Heute ist von über zehn Milliarden Euro die Rede, und Burkhardt Eßig ist skeptisch, ob so bald Güterzüge auf der Neubaustrecke fahren werden: Es seien längst nicht alle Güterzugloks mit dem erforderlichen ETCS-System ausgerüstet, und nur die dürfen auf der Neubaustrecke verkehren, sagt er. Außerdem seien die Streckenkilometer viel zu teuer für Gütertransporteure.
Eßig, Sprecher von Pro Bahn Coburg/Südthüringen, ist gleichwohl ein Fan des ETCS (European Train Control System), weil Strecken damit besser ausgelastet werden können, wie er sagt. Das computergesteuerte System kann die Position jeder Lok auf der Strecke bestimmen. Bei den althergebrachten Sicherungssystemen werden Streckenabschnitte ("Blöcke") als belegt gemeldet; erst, wenn ein solcher Block wieder frei ist, darf der nächste Zug einfahren.
Züge flexibel steuern
Bei ETCS können Züge dichter aufeinander folgen. Damit wird praktisch möglich, was 1996 noch fast utopisch erschien: Güter- und schnelle Personenzüge teilen sich die 107 Kilometer lange Neubaustrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt.
Denn die Güterzüge und schnellen ICE dürfen sich nicht in den Tunneln begegnen, weil die Güterzüge nicht drucktauglich sind. Die Strecke zwischen Franken und Thüringen enthält 22 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 41 Kilometern. Deshalb wurden drei Überholbahnhöfe bei Rödental, Theuern und Ilmenau gebaut, wo langsame (Güter-)Züge die schnellen ICE passieren lassen können. Auf dem neu gebauten Streckenabschnitt Erfurt-Halle/Leipzig stellt sich dieses Problem nicht, denn dort hat jedes Gleis seine eigene Tunnelröhre.
Artur Stempel, Gesamtprogrammleiter Inbetriebnahme VDE8 bei der Deutsche Bahn AG, schreibt in einem Aufsatz für das Eisenbahn-Ingenieur-Kompendium 2017, dass die wesentlichen Erprobungen des ETCS auf der Neubaustrecke im April 2017 erfolgen sollen.
Aus dem Aufsatz von Arthur Stempel geht auch hervor, dass es täglich drei ICE-Sprinter-Verbindungen zwischen München und Berlin geben soll, die die gesamte Strecke in weniger als vier Stunden schaffen. Das ergibt schon mal sechs Personenzüge pro Tag.
Stundentakt geplant
Laut einem Bahnsprecher ist vorgesehen, die schnelle Strecke Berlin-München ab Dezember 2017 im Stundentakt zu bedienen - das wären 16 Züge in jede Richtung. Ein oder zwei Sprinter würden außerhalb dieses Stundentakts fahren; das gesamte Fahrplankonzept für die Neubaustrecke werde noch nicht bekannt gegeben, sagte der Sprecher. Vorgesehen sind außerdem zwischen Nürnberg und Sonneberg 14 Regional-Express-Züge, die zwischen Bamberg und Coburg auf der Neubaustrecke fahren.
Und Güterzüge? 60 pro Tag plane die DB Cargo auf der Neubaustrecke, meldete die Thüringer Allgemeine im Juni 2016. Ein Großteil des Güterverkehrs werde aber künftig über die Strecke Jena-Lichtenfels rollen, obwohl dort für schwere Güterzüge Schublokomotiven gebraucht werden, um die Höhe des Frankenwalds zu überwinden. In der Thüringer Allgemeinen ist von 140 Güterzügen auf dieser Strecke pro Tag die Rede, auch, weil dort nach Wegfall der ICE-Verbindungen ab Ende 2017 Kapazitäten frei würden.
Konkretere Auskünfte waren kurzfristig von der Bahn nicht zu bekommen. Aber fest steht schon, dass das Preissystem für die Strecken geändert werden soll. Unterschieden werde dann nicht mehr, ob es sich um eine alte oder eine Neubaustrecke handle, sagte eine Sprecherin: Der Preis hänge dann ab von der Verkehrsart, von der Tageszeit und von wo nach wo der Zug fahren solle.
Hintergrund: Die Neubaustrecke und die Region
VDE8 Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8, kurz VDE8, umfasst den Aus- und Neubau des Schienenwegs zwischen Nürnberg und Berlin. Grundsätzlich beschlossen wurde das Projekt 1991. Ziel war, die Reisezeit zwischen München und Berlin auf unter vier Stunden zu senken. Um die Kosten zu rechtfertigen, wurde die Bedeutung für den Güterverkehr hervorgehoben.
Region Herzstück des VDE8 ist die Neubaustrecke zwischen Erfurt und Ebensfeld (VDE8.1), die den Thüringer Wald unterquert und zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 in Betrieb gehen soll. Coburg ist durch zwei Einschleifungen an die Schnellbahntrasse angeschlossen. Je dreimal täglich sollen ICE nach München und Berlin in Coburg halten. Als ICE-Systemhalt für Oberfranken ist jedoch Bamberg vorgesehen.
Parkplätze 170 Stellplätze will die Stadt Coburg bis zur Inbetriebnahme der Neubaustrecke am und nahe beim Coburger Bahnhof schaffen. Denn viele der ICE-Kunden werden mit dem Auto kommen (müssen). Zum Vergleich: In Bamberg stehen 236 Parkplätze am Bahnhof zur Verfügung.
Es ist ja zu begrüßen, daß der Gütertransport auf die Bahn verlegt wird. Aber woher sollen plötzlich die Güter alle kommen, die auf die Bahn verlegt werden? Da müssen doch die Speditionen abgeben. Wer verringert denn seinen Anteil?
Herr Eßig sollte sich bitte endlich mal umfassend informieren, BEVOR er irgendwelche Aussagen tätigt.
Derzeit läuft ein breites Beschaffungs- und Umrüstprogramm, um ausreichend Loks mit ETCS für VDE 8, die Schweiz und die Niederlande im Fuhrpark zu haben. Daran wird es also nicht scheitern.
Ebenso wird, wie im Artikel geschrieben, das Trassentarifsystem der Bahn geändert, um das Gesamtnetz besser und gleichmäßiger auszulasten.