Klinikum Coburg: Wie geht's weiter?

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Das Regiomed-Klinikum in CoburgFoto: Simone Bastian
Das Regiomed-Klinikum in CoburgFoto: Simone Bastian
 

Erweiterung oder doch ein Neubau auf dem BGS-Gelände? Es gibt noch mehr Argumente als die Kosten, sagt Professor Johannes Brachmann.

Johannes Brachmann hat ein zweites Büro: Nach wie vor ist der renommierte Herzspezialist als Chefarzt der Inneren Medizin auf der Ebene 3 im Neubau des Klinikums Coburg tätig. Gleichzeitig hat er als medizinischer Geschäftsführer von Regiomed ein Arbeitszimmer im sechsten Stock des ehemaligen Schwesternwohnheims. Mehrmals geht im Gespräch sein Blick hinüber auf den Klinikkomplex, weist seine Hand auf die verschachtelt wirkenden Gebäude. Coburger Tageblatt: Herr Professor Brachmann, Regiomed plant den Neubau eines Klinik-Campus. Warum wollen Sie vom Standort Ketschendorfer Straße weg? Johannes Brachmann: Hier wurde schon einmal ein Neubau in einen Altbau gesetzt. Schon damals gab es Überlegungen, einen kompletten Neubau zu errichten. Vieles, was in einem Neubau hätte realisiert werden können an Abläufen, Räumlichkeiten, Wegen, konnte nicht umgesetzt werden. Wir sind hier in einem sehr dicht besiedelten Wohngebiet, in dem wir keine weiteren Expansionsflächen haben. Die einzige Fläche, die wir nutzen können, ist der Berg in Richtung Hubschrauberlandeplatz. Das würde eine weitere Großbaustelle bedeuten, und das alles im laufenden Betrieb. Für die Mitarbeiter und die Patienten wären es sehr schwierige Zustände, ebenso für die ohnehin geplagte Nachbarschaft. Der Bereich rund ums Klinikum ist jetzt schon stark belastet, und er würde an einer unerträglichen Grenze belastet werden, wenn wir hier noch eine solche Großbaumaßnahme machen würden, die sich über acht bis zehn Jahre hinzieht. Einen Neubau könnten wir hinstellen, ohne den Betrieb hier zu beeinträchtigen, und dann umziehen.

Für den Standort hier würde sprechen, dass er leicht zu erreichen ist. Es gibt hier viele ambulante Einrichtungen. Könnte man nicht einige hier belassen? Grundsätzlich wäre das denkbar. Wir gehen aber davon aus, dass wir nicht nur mit dem Klinikum, sondern auch mit den ambulanten Strukturen umziehen werden, weil auch da die benötigten Großgeräte vorhanden sind und die Nutzung von zentralen Einrichtungen eher zu- als abnimmt. Die engere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung ist politisch gefordert und auch aus medizinischer Sichtsinnvoll. Eine der großen Stärken unserer Geriatrie ist ja, dass sie hier jederzeit auf die Möglichkeiten der Fachabteilungen zurückgreifen kann, wenn zum Beispiel ein Darmverschluss auftritt, ein akuter Herzinfarkt oder ein entgleister Diabetes. Wir wollen auch niedergelassene Ärzte einladen, künftig die gemeinsamen Möglichkeiten zu nutzen. Hier haben wir für eine solche Ausweitung der ambulanten Dienste gar keinen Platz. Wenn wir ambulante Spezialleistungen anbieten, fragen wir uns immer: Wo machen wir das überhaupt?

Was ist mit dem Haus der Schwesternschaft? Das hat gar nicht die räumlichen Voraussetzungen und ist hochgradig sanierungsbedürftig. Da würden mit Sicherheit siebenstellige Beträge hineinfließen müssen.

Die engere Verzahnung von ambulant und stationär mag sinnvoll sein. Aber warum müsste der Standort Neustadt aufgegeben werden? Die Betten, die Neustadt jetzt hat, werden Coburg zugeschlagen. Das ist nicht immer glücklich kommuniziert worden. Was sich ändern wird, und das ist auch die Aussage des Ministeriums, ist die Art der Nutzung. Was nach jetzigem Stand sicher ist, dass auf jeden Fall eine Notfallversorgung am Standort Neustadt bleiben wird. Aber auch wenn wir in Coburg renovieren, erwartet das Ministerium, dass wir einen Plan vorlegen, der eine medizinnahe Nutzung für Neustadt beinhaltet.

Da ist der Standort Neuhaus am Rennweg doch genauso in Gefahr? Neuhaus ist in Gefahr, hat aber die Besonderheit, dass das Gebiet, wo es keine Versorgungsalternative gibt, wesentlich größer ist als in Neustadt. Deshalb haben in Thüringen die Krankenkassen und die gesundheitsministeriale Seite schon signalisiert, dass sie da eine andere Form für wünschenswert halten. Auf Wunsch von Thüringen haben wir auch den Klinikbetrieb in Masserberg übernommen. Das ist eine Rehaklinik im Bereich Onkologie, Augenheilkunde, Orthopädie. Das ist keine Konkurrenz, denn Regiomed war bislang nicht im Rehabereich unterwegs. Wir haben ja auch die Unterstützung des Landes Thüringen bei dem Hygieneinstitut in Sonneberg.

Zum Thema Geld: Was wird denn so ein Neubau kosten? Alle bisher genannten Zahlen sind Spekulationen. Es gibt verschiedene Benchmarkwerte, die heute aufgerufen werden, wenn es um Neubauten geht. Jetzt wird das grundsätzliche Raumprogramm erstellt. Wir haben eine Ausarbeitung mit den benötigten Flächen für Funktionsbereiche, Operationssäle, Eingriffsräume, Intensivstationen, für die Krankenstationen, für alle Funktionsbereiche dem Ministerium übermittelt. Das wird dann überprüft und besprochen. Erst, wenn wir beim Ministerium auch die Prüfung der von uns genannten Kosten für die Sanierung des Altbaus abgeschlossen haben, werden wir eine exaktere Schätzung bekommen. Dann ist die Frage, wie viel Förderung durch den Freistaat Bayern wir erhalten. Das wird noch auszuhandeln sein. Dann wissen wir auch, was noch finanziert werden muss. Die Summe wird nicht unbedeutend sein. Aber wir haben immer noch historisch niedrige Zinsen. Und ich bin auch überzeugt, dass der Campus so viele Vorteile bieten wird bezüglich der besseren Betriebsorganisation, bezüglich der Möglichkeit, die Patienten in Einbettzimmern unterzubringen. Eigentlich müsste man heute jeden Patienten, der kommt, erst einmal 24 Stunden isolieren, damit keine Keime von außen hineinkommen. Wenn Sie heute ein neues Krankenhaus nach modernsten Gesichtspunkten bauen, dann haben Sie so viele Möglichkeiten des intelligenten Einsatzes von Digitalisierung, dass auch die Qualität der Arbeit für die Mitarbeiter sich noch mal deutlich verbessert. Nur, wenn wir zufriedene Mitarbeiter haben, werden wir zufriedene Patienten haben. Moderne Krankenhäuser haben auch deckenhohe Fenster, mit entsprechender Technik, um zu beschatten oder um die Privatsphäre herzustellen. Gleichzeitig kann eine Pflegekraft aber schnell schauen, ob alles in Ordnung ist, ohne das Zimmer betreten zu müssen. Die medizinischen Vorteile werden gewaltig sein, aber auch die Vorteile für die Arbeit selbst.

Müssen die kommunalen Gesellschafter von Regiomed beziehungsweise des Klinikums damit rechnen, dass sie Geld zuschießen müssen? Oder müssen sie den Kredit aufnehmen oder das BGS-Gelände kaufen? Wir sind ja noch in der Phase, wo wir uns um den Erwerb des Geländes kümmern. Das wird in den kommunalen Gremien entschieden. Aber das ist nur der Einstieg. Das wichtige ist ja der Bau.

Aber bei der Erschließung ist ja trotzdem die Kommune dabei. Eine Verbindung zur Neustadter Straße ist dort ohnehin geplant. Auch die HUK Coburg benötigt dort bestimmte Maßnahmen. Es würden immerhin zwei der größten Arbeitgeber in Coburg an einer Wachstumsstelle sein. Der Ausbau der Infrastruktur würde Coburg nur mäßig belasten. Die langfristige Finanzierung des Klinikums muss in einem soliden Finanzplan niedergelegt sein, der dann auch von den Gremien verabschiedet werden muss. Ich glaube, dass ein neues Klinikum so betrieben werden kann, dass die Kapitalkosten erwirtschaftet werden können. In Lichtenfels ist es ja ähnlich: Der Landkreis ist dort in einer finanziellen Beteiligung. Aber dort führt das Klinikum so viel ab, dass diese Kosten langfristig zurückgezahlt werden.

Die Klinikum Coburg GmbH würde den Bau also selbst finanzieren? Das ist unser Plan. Endgültig sagen können wir das, wenn wir die Zahlen haben. Aber wenn man in benachbarte Landkreise sieht wie in die Haßberge, die nicht so stark sind wie Coburg: Dort muss der Landkreis seine Standorte Ebern und Haßfurt jährlich mit einem Millionenbetrag subventionieren. Andere müssen sogar zweistellige Millionenbeträge aufbringen. Regiomed und das Klinikum Coburg haben es geschafft, dass wir seit über 20 Jahren Stadt und Landkreis mit null Euro belastet haben. Das ist eine außergewöhnliche Situation, die nur wenige Krankenhäuser und kommunale Verbünde bisher geschafft haben. Wir haben bisher bewiesen, dass wir imstande waren, große Projekte zu stemmen.

Sie haben es an diesem Standort geschafft, so problematisch wie er ist. Warum soll es dann an einem anderen Standort besser werden? Weil dieser Standort hier an seine Grenzen kommt. So lange der Betrieb hier läuft, werden wir alle nötigen Investitionen für hochkarätige Medizin am Standort tätigen. Aber wir haben weder die Bettenkapazität noch die Möglichkeit, Patienten zu isolieren. Als das Haus geplant wurde, hat man mit deutlich weniger schwer kranken Patienten gerechnet. Wir brauchen mehr Intensivbetten. Wir haben große Wartezeiten, lange Wege innerhalb des Hauses. Wir brauchen sehr viel Energie. Wir wollen ein Blue Hospital, also ein voll digitales Krankenhaus bauen, mit einem ökologischen Standard wie Lichtenfels. Passivhausstandard können wir mit einem Neubau erreichen, aber nur mit außergewöhnlich hohem Aufwand bei einer Sanierung und das bei kontinuierlicher Patientenversorgung.

Hintergrund: Das Klinikum Coburg und die Diskussion um einen Neubau

Erweiterung Für das Klinikum Coburg wurden 630 Betten genehmigt - das sind 120 mehr als jetzt. Das betrifft aber nur die Akutbetten, ohne Geriatrie, Reha und Tagesklinik. Geplant wird mit einer Gesamtzahl von 750 Betten. Dafür müsste erweitert werden, außerdem besteht Sanierungsbedarf an der Ketschendorfer Straße. Deshalb sollte parallel geprüft werden, was ein Neubau kosten würde. Als Standort ist das BGS-Gelände vorgesehen.

Zahlen Genaue Schätzungen gibt es laut Geschäftsführung noch nicht. Was die Kosten für die Sanierung angeht, wurden im Januar 318 Millionen Euro genannt, allerdings mit dem Hinweis, dass es auch fast 400 Millionen Euro werden könnten. Die Richtwerte bei Neubauten liegen laut Auskunft vom Januar zwischen 350 000 und 450 000 Euro pro Bett; in hochintensiven Bereichen wie Kardiomedizin auch höher. Bei 750 Betten ergibt sich da eine Zahl von 337,5 Millionen Euro. Vergleichszahlen Der Neubau des Klinikums Lichtenfels mit 276 Betten kostete laut Regiomed 116,5 Millionen Euro (rund 422 000 Euro pro Bett). In Göppingen wurden Gesamtkosten von rund 337 Millionen Euro bei 645 Betten genannt. Dabei wurden rund 50 Millionen für Außenanlagen, Infrastruktur, Parkhaus, Kindergarten veranschlagt.